Denkmalschutz in Baden-Württemberg

Eine Tankstelle als Wohnung und ikonische Bauten aus Stuttgart

Am Tag des offenen Denkmals sind Villen, Seilbahnen, Regierungssitze zu besichtigen. Um den Wert schützenswerter Gebäude in Stuttgart und anderswo auch aus der Nachkriegszeit zu betonen, reist derzeit Wohnministerin Nicole Razavi durchs Land.

Der von Bauingenieur Fritz Leonhardt konstruierte und 1956 eingeweihte Stuttgarter Fernsehturm ist denkmalgeschützt.

© Leif Piechowski/Lichtgut

Der von Bauingenieur Fritz Leonhardt konstruierte und 1956 eingeweihte Stuttgarter Fernsehturm ist denkmalgeschützt.

Von Nicole Golombek

Was einmal weg ist, kommt nicht wieder. So banal wie wahr ist die Erkenntnis. Wie wichtig es ist, auf Baukultur zu pflegen, darauf wird Jahr für Jahr mit dem bundesweit gefeierten Tag des offenen Denkmals hingewiesen, der an diesem Sonntag stattfindet. Ein Schloss, eine Burg zu sanieren, das leuchtet den meisten ein, weil hübsch und lukrativ – mittelalterliche Preziosen locken Touristen an. Auch alte Industriebauten sind bei Architekturenthusiasten und Architekten beliebt, in Stuttgart haben einige große Büros ihren Sitz in Backsteinbauten aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert.

Den Wert erhaltenswerter Architektur zu betonen, ist Ziel einer jährlichen Reise von Nicole Razavi, Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen Baden-Württemberg. Sie tourt derzeit mit ihrer Staatssekretärin Andrea Lindlohr durchs Land, um unter Denkmalschutz stehende Gebäude zu besichtigen. Das Motto der Reise dieses Jahr ist „Wahr-Zeichen. Zeitzeugen der Geschichte“. Die reichen von spätkeltischen Siedlungen bis zu Gebäuden aus dem vergangenen Jahrhundert.

Die Ministerin wird nicht müde, das Engagement nicht nur von Kommunen, sondern auch von Privatleuten zu preisen, die sich für den Erhalt alter Gemäuer einsetzen. Nicole Razavi: „Wahrzeichen sind wichtige Orte der Identifikation. Wenn wir sie erblicken, spüren wir, was Heimat ist.“ Das Land fördert derlei Heimaterhalt mit Millionenbeträgen. Jüngst gab es für Sanierungsarbeiten am Ulmer Münster, das auch auf der Besichtigungsroute liegt, eine halbe Million Euro Fördermittel.

Bauten aus den 50er Jahren unter Denkmalschutz

Bei ikonischen Bauten wie dem Ulmer Münster oder dem Stuttgarter Fernsehturm, der im Jahr 2023 auf die deutsche Vorschlagsliste für das Unesco-Welterbe aufgenommen wurde, leuchtet die Denkmalpflege unmittelbar ein. Schwieriger wird es mit Architektur aus der Nachkriegszeit, die würden viele lieber abreißen als erhalten. An solchen Orten machen die Ministerin und die Staatssekretärin jetzt ebenfalls Station – bei einer Tankstelle aus den 1950ern in Kirchzarten im Südschwarzwald etwa, die zu einem Wohnhaus umgenutzt wurde. In Rottenburg wird ein unterirdisches Krankenhaus aus der Zeit des Kalten Krieges besucht, das nie in Betrieb ging. Und das Mannheimer Nationaltheater, das aus derselben Zeit stammt, ist ebenfalls auf der Tour eine Station.

Das Theater wurde nach Plänen des  Frankfurter Architekten Gerhard Weber errichtet, der auf der 4. Biennale in São Paulo 1957 eine Auszeichnung für seine Theaterarchitekturen in Hamburg und Mannheim erhielt. Obwohl deutlich jünger als das ebenfalls denkmalgeschützte Stuttgarter Opernhaus von Architekt Max Littmann aus dem Jahr 1912, in dem Schäden jahrzehntelang nur notdürftig geflickt wurden, wird dieses Gebäude bereits jetzt generalüberholt. Die Wiedereröffnung soll im Herbst 2027 erfolgen. In der saumseligen Landeshauptstadt wird frühestens 2029 die lange aufgeschobene Sanierung des Opernhauses beginnen.

Noch eine inzwischen schon sehr lange geplante Sanierung ist die der Villa Berg. Die Entwürfe des Büros Atelier Brückner gefielen. Das große Wunschpaket, das die Architekten in Pläne umgesetzt haben, wird aber von Sitzung zu Sitzung in den politischen Gremien kleiner geschnürt – das Prozedere erinnert an das System der Babuschka-Puppen. 

An diesem Sonntag beim Tag des offenen Denkmals könnte man sich immerhin in die Nähe der im 19. Jahrhundert von Christian Friedrich von Leins entworfenen und aktuell noch recht trist ausschauenden Villa begeben – zum SWR Funkstudio, das von der Architektengemeinschaft Rolf Gutbrod, Hellmut Weber und Herta-Maria Witzemann in den Jahren 1953 bis 1957 im Park der Villa Berg errichtet wurde, Programm und Führungen werden von 11 bis 17 Uhr angeboten.

Info

DenkmalnachtDie landesweite Eröffnung des Tages des offenen Denkmals beginnt mit der Nacht des offenen Denkmals. Diese wird in Anwesenheit von Ministerin Nicole Razavi in Schwäbisch Gmünd gefeiert, am , 7. September 2024 von 17 Uhr an in der Johanniskirche.

Tag des offenen Denkmals Der bundesweite Tag des offenen Denkmals 2024 findet am 8. September 2024 statt. www.tag-des-offenen-denkmals.de In Stuttgart lohnt beispielsweise neben dem Besuch des SWR Funkstudios die Villa des Fabrikanten Heinrich Scheufelen. Das von Kurt Dübbers, dem Schwiegersohn von Paul Bonatz, entworfene Wohnhaus aus dem Jahr 1936 wurde von  2013 bis 2015 von Sandro Graf von Einsiedel denkmalgerecht zur Schule umgestaltet. Führungen sind um 11 Uhr und 12 Uhr.

Weithin sichtbar ist das Stuttgarter Wahrzeichen, der Fernsehturm, der  . . .

© Lichtgut/Leif Piechowski

Weithin sichtbar ist das Stuttgarter Wahrzeichen, der Fernsehturm, der . . .

. . . auch im Winter gute Figur macht, als er 1956 frisch gebaut war, gefiel er nicht allen, wie auf der Homepage des SWR zu lesen ist: „Stuttgarter Bürger protestierten, als der Turm über die Baumgipfel ragte und aus allen Himmelsrichtungen sichtbar wurde. In Leserbriefen wurde er Schildbürgerstreich, Schandmal oder Fremdkörper in der schönen Waldlandschaft genannt.“

© Lichtgut/Max Kovalenko

. . . auch im Winter gute Figur macht, als er 1956 frisch gebaut war, gefiel er nicht allen, wie auf der Homepage des SWR zu lesen ist: „Stuttgarter Bürger protestierten, als der Turm über die Baumgipfel ragte und aus allen Himmelsrichtungen sichtbar wurde. In Leserbriefen wurde er Schildbürgerstreich, Schandmal oder Fremdkörper in der schönen Waldlandschaft genannt.“

Ulmer Münster – ein weiteres Wahrzeichen Baden-Württembergs, . . .

© IMAGO/Lucca Fundel/IMAGO/Lucca Fundel

Ulmer Münster – ein weiteres Wahrzeichen Baden-Württembergs, . . .

das unter Denkmalschutz steht und eine Station der Denkmaltour war. Blich in den Chorraum.

© IMAGO/imagebroker/IMAGO/imageBROKER/Markus Keller

das unter Denkmalschutz steht und eine Station der Denkmaltour war. Blich in den Chorraum.

Auf der Denkmaltour stehen auch Stationen aus vorchristlicher Zeit. Ministerin Nicole Razavi besuchte das neue Heidengrabenzentrum in Erkenbrechtsweiler. Der Heidengraben ist eine der größten befestigten spätkeltischen Siedlungen der vorrömischen Eisenzeit auf dem europäischen Festland. Das neue Heidengrabenzentrum und der dazugehörige Keltenerlebnispfad bieten nun Besuchern die Möglichkeit, diese reiche Geschichte hautnah zu erleben und zu verstehen. Das Zentrum wurde mit Unterstützung der Denkmalpflege und im Rahmen der Keltenkonzeption Baden-Württembergs errichtet und feierte im Juni 2024 seine Eröffnung. „Der Heidengraben ist ein einzigartiges Zeugnis unserer Vergangenheit. Seine Erforschung und der Erhalt sind von unschätzbarem Wert für das Verständnis unserer Geschichte“, sagte Ministerin Razavi.

© LAD/Uli Regenscheit

Auf der Denkmaltour stehen auch Stationen aus vorchristlicher Zeit. Ministerin Nicole Razavi besuchte das neue Heidengrabenzentrum in Erkenbrechtsweiler. Der Heidengraben ist eine der größten befestigten spätkeltischen Siedlungen der vorrömischen Eisenzeit auf dem europäischen Festland. Das neue Heidengrabenzentrum und der dazugehörige Keltenerlebnispfad bieten nun Besuchern die Möglichkeit, diese reiche Geschichte hautnah zu erleben und zu verstehen. Das Zentrum wurde mit Unterstützung der Denkmalpflege und im Rahmen der Keltenkonzeption Baden-Württembergs errichtet und feierte im Juni 2024 seine Eröffnung. „Der Heidengraben ist ein einzigartiges Zeugnis unserer Vergangenheit. Seine Erforschung und der Erhalt sind von unschätzbarem Wert für das Verständnis unserer Geschichte“, sagte Ministerin Razavi.

Wie der Fernsehturm in Stuttgart stammt das Nationaltheater Mannheim, das derzeit saniert wird, aus der Nachkriegszeit.

© IMAGO/Arnulf Hettrich/IMAGO/Arnulf Hettrich

Wie der Fernsehturm in Stuttgart stammt das Nationaltheater Mannheim, das derzeit saniert wird, aus der Nachkriegszeit.

Staatssekretärin Andrea Lindlohr (im grünen Kleid) besuchte die zum Wohnhaus umgenutzte Tankstelle in Kirchzarten im Südschwarzwald aus den 1950er Jahren. Durch das hohe Engagement der Eigentümer bleibt die Tankstelle als Zeitzeugnis der Nachkriegsmoderne erhalten. Die Tankstelle veranschaulicht,  wie sich die ländlichen Regionen um Freiburg in der Nachkriegszeit durch den aufkommenden Tourismus und Autoverkehr veränderten. Die Umnutzung der Tankstelle in ein Wohnhaus zeigt, dass historischen Bauwerken durch innovative Nutzungskonzepte viele Möglichkeiten offenstehen.

© LAD/Uli Regenscheit

Staatssekretärin Andrea Lindlohr (im grünen Kleid) besuchte die zum Wohnhaus umgenutzte Tankstelle in Kirchzarten im Südschwarzwald aus den 1950er Jahren. Durch das hohe Engagement der Eigentümer bleibt die Tankstelle als Zeitzeugnis der Nachkriegsmoderne erhalten. Die Tankstelle veranschaulicht, wie sich die ländlichen Regionen um Freiburg in der Nachkriegszeit durch den aufkommenden Tourismus und Autoverkehr veränderten. Die Umnutzung der Tankstelle in ein Wohnhaus zeigt, dass historischen Bauwerken durch innovative Nutzungskonzepte viele Möglichkeiten offenstehen.

Beim Tag des offenen Denkmals am 8. September sind in Stuttgart mehrere Bauten nach 1945 zu besichtigen, darunter  das  1957 fertig gestellte Funkhaus nahe der Villa Berg . . .

© SWR/Janine Hetzer

Beim Tag des offenen Denkmals am 8. September sind in Stuttgart mehrere Bauten nach 1945 zu besichtigen, darunter das 1957 fertig gestellte Funkhaus nahe der Villa Berg . . .

. . . die Kettenhäuser im Korinnaweg in Stuttgart – Baujahr 1964. Erbaut vom chinesischen Architekten Chen Kuen Lee ehemals für den Gartenarchitekten Adolf Haag als Anlage für Betriebsangehörige. Die Anlage beinhaltet Sozialräume für eine Baumschule, drei Wohneinheiten mit zwei Reihenhaustypen und eine eingeschossige Wohnung und ist auch am Tag des offenen Denkmals zu sehen.

© Tag des offenen Denkmals/Peter Traub

. . . die Kettenhäuser im Korinnaweg in Stuttgart – Baujahr 1964. Erbaut vom chinesischen Architekten Chen Kuen Lee ehemals für den Gartenarchitekten Adolf Haag als Anlage für Betriebsangehörige. Die Anlage beinhaltet Sozialräume für eine Baumschule, drei Wohneinheiten mit zwei Reihenhaustypen und eine eingeschossige Wohnung und ist auch am Tag des offenen Denkmals zu sehen.

Möglich ist auch  der Besuch der  Villa des Fabrikanten Heinrich Scheufelen in der Stafflenbergstraße 51 in Stuttgart. Das von Kurt Dübbers, dem Schwiegersohn von Paul Bonatz, entworfene Wohnhaus aus dem Jahr 1936 wurde von  2013 bis 2015 von Sandro Graf von Einsiedel denkmalgerecht zur Schule umgestaltet. Führungen sind um 11 Uhr und 12 Uhr.

© Tag des offenen Denkmals/Sandro Graf Einsiedel

Möglich ist auch der Besuch der Villa des Fabrikanten Heinrich Scheufelen in der Stafflenbergstraße 51 in Stuttgart. Das von Kurt Dübbers, dem Schwiegersohn von Paul Bonatz, entworfene Wohnhaus aus dem Jahr 1936 wurde von  2013 bis 2015 von Sandro Graf von Einsiedel denkmalgerecht zur Schule umgestaltet. Führungen sind um 11 Uhr und 12 Uhr.

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Erstellt:
5. September 2024, 06:14 Uhr
Aktualisiert:
5. September 2024, 09:43 Uhr

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