Engagierte gründeten 1870 Sanitätsverein
Heute vor 150 Jahren ist der Vorläufer des DRK-Ortsvereins Murrhardt aus der Taufe gehoben worden. Von Anfang an sammelte man Spenden, später war das Engagement vor allem von den beiden Weltkriegen und der Versorgung der Verletzten geprägt.

Die Aufnahme zeigt Soldaten, Schwestern und Pflegepersonal sowie Stadtarzt Eduard Burck (vordere Reihe, Fünfter von links) vor dem Murrhardter Krankenhaus während des Ersten Weltkriegs. In der Walterichstadt wurden auch in Privathäusern und Villen Lazarette eingerichtet. Foto: MZ-Archiv
Von Elisabeth Klaper
MURRHARDT. Soldaten und Zivilpersonen zu helfen, die verletzt oder krank sind oder sich in einer Notsituation befinden: Das war und ist die Kernaufgabe des 1863 gegründeten Internationalen Roten Kreuzes. Sieben Jahre später folgten Honoratioren und engagierte Vertreter des Murrhardter Bürgertums einem Aufruf des Stadtschultheißenamts, also der Stadtverwaltung. Kurz nach Beginn des deutsch-französischen Krieges gründeten sie nach Stadtarchivakten am 4. August 1870 einen örtlichen Sanitätsverein.
Dessen Hauptaufgabe war es, Geld- und Sachspenden in der Stadt und den Teilorten zu sammeln. Mädchen und Frauen trafen sich nachmittags im Rathaussaal und fertigten Verbandsmaterial aus Leinen- und Baumwollfasern an. Mehrfach unterstützte der Sanitätsverein die 41 Soldaten aus Murrhardt mit Geld, Lebensmitteln und Bekleidung wie Flanellhemden und Wollsocken, die örtliche Betriebe herstellten. Zudem sandte man dem Dachverband Württembergischer Sanitätsverein Geld- und Sachspenden auf Fuhrwerken nach Stuttgart – die Murrbahn war noch nicht gebaut.
Aus der Zeit zwischen 1871 und 1914 sind keine Unterlagen vorhanden, daher ist unklar, ob der Sanitätsverein weiterbestand. Als 1914 der Erste Weltkrieg begann, rief eine Ortsgruppe des Roten Kreuzes in der „Murrhardter Zeitung“ zu Spenden auf. Frauen lud sie ein, sich zu Krankenpflegerinnen in Kursen ausbilden zu lassen, die Stadtarzt Eduard Burck leitete. Sie arbeiteten während des Krieges im Vereinslazarett im 1890 eröffneten Murrhardter Krankenhaus und in den Hilfslazaretten im Kollmarhaus in der Grabenstraße, in der Villa Bauder am Riesberg und der Villa Franck mit. Die Ortsgruppe führte deren Betrieb, finanzierte die Einrichtung und war verantwortlich dafür, dass Ärzte, Pflege- und Wirtschaftspersonal zur Verfügung standen. Am Murrhardter Bahnhof richtete die Ortsgruppe eine Verbands- und Verpflegungsstelle ein, wo ausgebildete Kranken- und Hilfsschwestern von der Front in die Heimat gebrachte Verwundete versorgten. In der Walterichstadt behandelte man meist leichte Verletzungen wegen der unzureichend ausgestatteten Lazarette, die eher als Genesungsheime dienten. Mit vielen Spendenaktionen unterstützte man Soldatenfamilien und sammelte Lebensmittel wie frisches Obst für die Lazarette. Bedürftigen Familien kam der Erlös des nach Kriegsende verkauften Vereinslazarett-Inventars zugute. Wegen der instabilen politischen Verhältnisse in der Weimarer Republik geriet das Deutsche Rote Kreuz (DRK) in eine Krise. Es stand in Konkurrenz zum Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), der wohl seit 1918/19 eine Sanitätskolonne in Murrhardt hatte. Jährlich fanden Rotkreuztage mit Sammlungen und Benefizkonzerten, auch des Musikvereins Stadtkapelle, statt. Nach Beginn der nationalsozialistischen Diktatur 1933 löste man die ASB-Kolonne auf und baute einen DRK-Sanitätshalbzug auf, dessen Mitglieder Stadtarzt Karl Berner und Zugführer Wilhelm Kugler ausbildeten.
Zu dessen Gründung im Frühsommer 1933 organisierten die Sanitätskolonnen von Backnang und Sulzbach an der Murr eine große Katastrophenübung mit vielen schwierigen Aufgaben für die Sanitäter. Laut Szenario stürzte ein Flugzeug ab und verlor eine Tragfläche, die auf einen voll besetzten Bus fiel. Der Flugzeugrumpf schlug im Bahnhof auf, eine Benzinexplosion führte zu vielen Verbrennungen, und zahlreiche in der Wartehalle eingeschlossene Personen erlitten Rauchvergiftungen. 1934 forderte ein Großeinsatz die Sanitäter: Am 22. Dezember kam es bei Schleißweiler wegen eines Signalfehlers zu einem schweren Eisenbahnunglück. Zwei Züge stießen zusammen, zehn Menschen starben, und viele Verletzte waren zu versorgen.
Die Stadtverwaltung stellte dem Sanitätshalbzug „das (Reserve-)Lokal im (Graben-)Schulhaus auf der Hinterseite“ als Versammlungsraum zur Verfügung und die Stadthalle für Übungen. Bei der Übung zur Aufnahmeprüfung 1935 kooperierte der Sanitätshalbzug mit der freiwilligen Feuerwehr. Man nahm an, dass nach der Explosion des Dampfkessels in den Murrhardter Möbelwerkstätten ein Brand ausgebrochen war, weshalb viele Schwerverletzte, Rauch- und Gasvergiftungen zu versorgen waren.
Das NS-Regime wandelte das DRK in eine paramilitärisch organisierte Körperschaft um. Aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs 1939 bis 1945 sind kaum Unterlagen über die Aktivitäten des DRK-Ortsvereins vorhanden. Das Krankenhaus diente erneut zum Teil als Lazarett, Hilfslazarette waren in der Stadthalle und im Pförtnerhaus der Villa Franck, wofür das DRK das Pflegepersonal stellte. Erstmals fanden Blutspendeaktionen statt und man setzte Blutkonserven ein. Vor Ort waren Soldaten, gegen Kriegsende auch durch Luft- und Tieffliegerangriffe Verletzte zu versorgen. Sanitätsdienst in den Luftschutzstollen leisteten Krankenschwestern, die Mitglieder des DRK-Ortsvereins und Laienhelferinnen unterstützten.