Entführung in die Weite des Augenblicks
Die Märchenerzählerin Petra Weller und ihre Zuhörer wandeln durch den Murrhardter Stadtgarten
Auf den Spuren wundervoller alter Geschichten aus aller Welt mäanderte der Weg von Parkbank zu Parkbank, um die Stadtkirche herum und natürlich rings um den Feuersee. Als man sich traf, hatte es gerade aufgehört, zu regnen, und ein feiner Nebel tauchte die Szenerie in ein mystisches Licht.
Von Carmen Warstat
MURRHARDT. Zur blauen Stunde am Söhnle-Pavillon hatte man sich verabredet, zu einer Zeit also, da sich der Tag langsam verabschiedet und an einem Ort, der idyllischer nicht sein könnte.
„Der Spaziergang wird ein langsamer sein“, versprach Petra Weller, und dass sie von Sehnsüchten erzählen und gemeinsam mit ihren Zuhörern wahre Schätze heben werde, von der Stille der Märchen sprach sie und von ihrer Kraft.
Also machte man sich auf den Weg zur ersten Station, einer Bank am See, die zunächst sorgfältig abgetrocknet wurde, damit einige der Zuhörer sich setzen konnten. Der Zufall sollte über die Reihenfolge der Geschichten entscheiden, hatte die Erzählerin doch ein bezauberndes Kästchen mitgebracht, eine Spieluhr, stellte sich heraus, aus der beim Öffnen eine verträumte Melodie erklang und aus der nun der erste Titel gezogen wurde.
„Ein Märchen vom Glück“ – was für ein schöner Auftakt! Es ist eine Geschichte aus Ungarn, die Petra Weller da vortrug, eine Geschichte, die sprachlich weit in die Vergangenheit entführt und eine Geschichte, die doch sehr aktuell oder zeitlos anmutet.
An der zweiten Parkbank erfuhren die Zuhörer von einer japanischen Liebesgeschichte um „ein wunderhübsches Mädchen“ und „arges Angsthäschen“, das den Rat seiner Eltern befolgt, so alle Furcht verliert und die Liebe findet. Es folgte „Jimmys Geschichte“, „sehr speziell“, wie die Erzählerin ankündigte und aus Schottland kommend. Und in der Tat – was Jimmy widerfährt, geschieht nicht alle Tage. Sein Erlebnis bildet eine Geschichte in der Geschichte und lässt sich kühl und rational analysierend vielleicht als Traum verstehen, jedoch deutet ihr Ende eine schicksalhaft-philosophische Tiefe an, die bewegend ist.
Und dann „Die Geschichte vom Glöckchen“. „Das passt wunderbar zwischen die zwei Murrhardter Kirchen“, bemerkte ein Mitglied der Gruppe. Auch dies eine Geschichte vom Glück, könnte man meinen, ein japanisches Märchen um einen alten Mönch und einen Apotheker, ein Märchen, das an seinem Schluss die Zuhörer und ihre Sehnsüchte direkt anspricht und zum Träumen einlädt. Warum die kleine weiße Seidenrose, die Petra Weller jedem ihrer Zuhörer gleich zu schenken gedachte, eigentlich blau ist, verriet das fünfte Märchen, wieder eines um die Liebe, wieder wundervoll, aus China dieses Mal und mit seinem Spiel um die Wahrnehmung an „Des Kaisers neue Kleider“ erinnernd.
Und schließlich „Der seltsame Spiegel“. Der entführte in den alten Orient, wo das Flirten eine hohe Kunst war, wie Petra Weller verriet, um nun von einer „ganz speziellen Art des Flirtens“ zu erzählen. „Ich weine, weil er weint“, klagt der junge Protagonist und meint eben diesen Spiegel. Wiederum deutet sich Philosophisches an, was natürlich ein Happy End nicht ausschließt. Dieses ließen die Zuhörer und ihre Märchenerzählerin mit einem Lächeln zurück – ein fantastisches Ende in doppelter Hinsicht.
Petra Weller, studierte Sozialpädagogin und ausgebildete Märchenerzählerin, begeisterte ihr kleines Publikum mit der faszinierenden Fähigkeit, die Gegenwart für Momente vergessen zu machen. Die Gesangsausbildung, die sie vor einigen Jahren absolvierte, war ihrer vielseitig schillernden Artikulation anzumerken, ihre leidenschaftliche Liebe zu den Märchen ihrer Wahl kam in genre-gerechter Gestik und Mimik, eigentlich kann man hier schon von Schauspiel sprechen, zum Ausdruck. Petra Weller bietet seit Jahren mehrere Märchenprogramme für Kinder und Erwachsene, drinnen und draußen, an. Sie ist in der vielfältigen Welt der Geschichten zu Hause und weiß, uns in die Weite des Augenblicks zu entführen. Noch jedem dürfte sie ein Lächeln auf das Gesicht gezaubert haben.
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