Bisher heftigstes Beben
Mehr als 150 Verletzte bei Erdbeben in Istanbul
Schon seit Langem warnen Experten vor einem heftigen Beben in der Stadt am Marmarameer. Am Mittwoch erschüttert dann ein heftiger Erdstoß die Millionenstadt.

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Vor Istanbul hat die Erde gebebt (Archivbild).
Von red/dpa
Die türkische Millionenmetropole Istanbul ist von mehreren Erdbeben erschüttert worden. Um 12.49 Uhr registrierte der Katastrophendienst Afad das bislang stärkste Beben der Stärke 6,2 mit Epizentrum im vor der Stadt gelegenen Marmarameer. Zahlreiche weitere Erdstöße der Stärken 4 bis 5 folgten. Mehr als 150 Menschen wurden nach Angaben der Behörden verletzt. Laut Innenministerium sind keine Toten zu beklagen, Wohnhäuser sind nicht eingestürzt. Experten warnen jedoch, dass ein großes Beben der Stärke 7 und mehr noch bevorstehen könnte.
Auf den Straßen der Stadt mit ihren 16 Millionen Einwohnern spielten sich am Mittag nach dem rund 13 Sekunden andauernden stärksten Erdstoß dramatische Szenen ab. Viele Menschen stürzten in Angst aus den Häusern, viele verletzten sich, als sie in Panik aus den Fenstern sprangen. Familien eilten zu Krankenhäusern, um ihre kranken Angehörigen von dort abzuholen und in Sicherheit zu bringen, wie Bilder des Staatssenders TRT zeigten. Zum Teil waren Telefonnetze und Internet gestört.
Auf den Autobahnen bildeten sich lange Staus, Parks und Straßen füllten sich mit Menschen, die lieber unter freiem Himmel ausharren wollten. Auf einem Video der Nachrichtenagentur DHA war eine Tierärztin zu sehen, die eine Katze im Kofferraum eines Autos operierte, weil sie zuvor während des Eingriffs vom Beben überrascht worden war.
Zunächst keine Berichte über Schäden
Laut dem Istanbuler Gouverneursamt gab es zunächst keine Berichte über eingestürzte Gebäude. Die Bürger wurden gebeten, Ruhe zu bewahren und sich beschädigten Gebäuden nicht zu nähern. Der Minister für Verkehr und Infrastruktur, Abdulkadir Uraloğlu, schrieb auf der Plattform X, es seien bei einer ersten Bestandsaufnahme keine Schäden an Straßen, Flughäfen, Zügen und U-Bahnen festgestellt worden.
„Ich spreche unseren Bürgern meine besten Wünsche aus“, teilte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan auf der Plattform X mit. „Wir beobachten die Situation genau“. Innenminister Ali Yerlikaya sprach auf der Plattform X allen Betroffenen sein Mitgefühl aus.
Auch der inhaftierte türkische Oppositionsführer und Ex-Bürgermeister Istanbuls, Ekrem Imamoglu, meldete sich auf X zu Wort. An die Istanbuler gerichtet äußerte er seine Trauer darüber, „an diesem schweren Tag nicht bei euch sein zu können“. Er appellierte an Einheit, Zusammenhalt und Solidarität im Kampf gegen die Naturkatastrophe.
Experten warnen vor möglichem weiteren Beben
Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein weiteres starkes Beben folge, sagte der Geologe Okan Tüysüz dem Sender NTV. Das Hauptbeben werde noch kommen, schrieb Erdbebenforscher Naci Görür auf der Plattform X. Im Marmarameer verläuft eine tektonische Plattengrenze. Die aktuellen Erschütterungen erhöhten die Spannungen dort zusätzlich, so Görür.
Beim Potsdamer Helmholtz-Zentrum für Geoforschung (GFZ) beobachtet man die Vorgänge ebenfalls sehr genau. Es sei das schwerste Beben in der Region seit 25 Jahren, teilten die Wissenschaftler mit. „Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es zwei Szenarien: Entweder ist die unmittelbare Region nun vorerst entspannt und die Seismizität klingt langsam ab, oder die durch das Beben erzeugten Spannungsumlagerungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit für ein größeres Erdbeben in der Region“, hieß es in der GFZ-Mitteilung.
Experten gehen seit langem davon aus, dass ein Beben rund um die Stärke 7 in Istanbul überfällig ist. Laut türkischem Städtebauminister Murat Kurum gelten 1,5 Millionen Wohnungen und Gewerbeeinheiten als bei einem Erdbeben gefährdet.
Das Erdbeben war auch in Teilen des Nachbarlands Griechenland deutlich zu spüren. Vor allem im Nordosten am Grenzfluss Evros zur Türkei hin wurden die Menschen in Angst versetzt, berichteten griechische Medien. Meldungen über die Erdstöße gab es außerdem von etlichen Ägäisinseln, darunter Chios und Lesbos. Schäden habe es jedoch nicht gegeben. Auch im nordwestlich angrenzenden Bulgarien wurde das Beben gespürt, am stärksten im südöstlichen Grenzgebiet und in der Region Burgas am Schwarzen Meer, wie das Geophysische Institut in Sofia mitteilte.