Ungarns Visapolitik

EU befürchtet Einfallstor für Spione und Saboteure

Ungarn erleichtert seine Visa-Regelungen für Russen und Belarussen. Brüssel ist in hohem Maße alarmiert.

Ungarns Premier Orban schlug mit seinem Besuch bei Wladimir Putin die EU vor den Kopf. Doch seine Provokationen haben kein Ende.

© dpa/Valeriy Sharifulin

Ungarns Premier Orban schlug mit seinem Besuch bei Wladimir Putin die EU vor den Kopf. Doch seine Provokationen haben kein Ende.

Von Knut Krohn

Viktor Orban hängt seine Seitenhiebe gegen die EU gerne an die große Glocke. Die neuen Regelungen für die Visa-Vergabe wurden von der Regierung in Budapest allerdings auffallend geräuschlos umgesetzt. In Zukunft können auch Russen und Belarussen recht problemlos eine sogenannte „National Card“ beantragen, um in Ungarn mehrere Jahre zu arbeiten. Die Verantwortlichen in Brüssel sind deswegen alarmiert, rührt die Regelung doch an den fundamentalen Sicherheitsinteressen der Union. Denn Budapest öffnet damit das Tor zu Europa, da sich die Besitzer der Arbeitserlaubnis frei im Schengenraum bewegen können.

Russland als Bedrohung der Sicherheit

Angesichts der zunehmenden Spannungen zwischen Moskau und dem Westen äußerte die EU-Innenkommissarin Ylva Johansson ihre größten Bedenken. „Russland ist eine Bedrohung für die Sicherheit. Wir müssen wachsamer sein, nicht weniger. Potenziellen russischen Spionen und Saboteuren einen einfachen Zugang zur EU zu gewähren, würde unser aller Sicherheit gefährden“, schreibt sie auf dem Kurznachrichtendienst X. An den Tweet angehängt ist ein offener Brief an die Regierung in Budapest mit der Aufforderung, die Sachlage darzulegen.

Mit der „National Card“ können sich Russen und Belarussen auf dem ungarischen Arbeitsmarkt für einen Job bewerben und auch ohne bestehenden Arbeitsvertrag in das Land einreisen. Außerdem müssen sie bei der Beantragung der Karte keinen Einbürgerungstest absolvieren. Wer die Karte bekommt, kann auch seine Familie nachholen. Bisher galten diese Sonderregelungen etwa für Ukrainer und Serben, die den eklatanten Fachkräftemangel in Ungarn abfedern sollten. Vermutungen, dass russische Arbeiter für den Bau der neuen Reaktorblöcke des ungarischen Atomkraftwerkes Paks 2 ins Land geholt werden sollen, laufen ins Leere. Für diese dringend benötigten Experten gibt es anderen Wege, nach Ungarn zu gelangen.

Schlupflöcher für Spionagetätigkeiten

Auch die konservative EVP-Fraktion im Europaparlament ist besorgt, dass die neue Regelung in Ungarn kaum kontrollierbare „Schlupflöcher für russische Spionageaktivitäten“ öffnen könnte. Angeführt von ihrem Vorsitzenden Manfred Weber schickte sie einen Brandbrief an den EU-Ratspräsidenten Charles Michel. Darin fordern die Abgeordneten ihn auf, die Situation zu prüfen. Ziel müsse es sein, so die Unterzeichner, die Sicherheit im Schengen-Raum zu gewährleisten und zu verhindern, dass andere EU-Mitgliedstaaten ähnliche Schritte unternehmen würden.

Orban sorgt mit seinen Alleingängen seit Monaten für Empörung. Anfang Juli war der Premier abgesprochen zu Russlands Präsident Wladimir Putin, Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und Ex-US-Präsident Donald Trump gereist. Angesichts des Überfalls auf die Ukraine erregte vor allem die Reise nach Moskau Kritik, sie als Entgegenkommen Brüssels gegenüber dem Kreml gewertet werden konnte.

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Erstellt:
3. September 2024, 14:02 Uhr

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