Sondergipfel zur Ukraine

Europa erwartet viel von einem Kanzler Friedrich Merz

Beim Ukraine-Krisengipfel ist die Erleichterung in Brüssel sichtbar, dass Friedrich Merz den zaudernden Olaf Scholz als Kanzler ersetzen dürfte. Der Reformbedarf bei der europäischen Verteidigung ist so riesig wie die Erwartungen aus Brüssel – und Geld allein reicht nicht, meint Brüssel-Korrespondent Knut Krohn.

Vor dem Krisengipfel trifft CDU-Chef Friedrich Merz die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen – die Erwartungen aus Brüssel an ihn sind riesig (Archivbild).

© /Chris Emil Janßen

Vor dem Krisengipfel trifft CDU-Chef Friedrich Merz die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen – die Erwartungen aus Brüssel an ihn sind riesig (Archivbild).

Von Knut Krohn

Bundeskanzler Olaf Scholz ist in der EU längst Geschichte. Öffentlich dokumentiert wird das kurz vor dem Beginn des Ukraine-Krisengipfels am Donnerstag in Brüssel. EU-Ratspräsident António Costa empfing den voraussichtlich neuen Kanzler Friedrich Merz, beide gaben sich vor Fotografen lächelnd die Hände, zogen sich dann zu Gesprächen zurück. Zuvor hatte sich der CDU-Vorsitzende bereits mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas und Nato-Generalsekretär Mark Rutte getroffen.

Die Erleichterung über den nahenden Abgang des zögernden und zaudernden Olaf Scholz ist in Brüssel mit Händen zu greifen. Der hatte zwar Führung versprochen, in Europas Erinnerung bleibt er aber wegen seiner lähmenden Blockadepolitik. Nun setzt die EU ihre Hoffnungen in Zeiten der Krise auf Friedrich Merz. Der hat in Berlin dicke Pflöcke eingerammt, bevor er überhaupt Regierungsverantwortung übernommen hat.

Friedrich Merz muss jahrzehntealte Fehlentwicklungen ausräumen

Das geplante Milliardenpaket für die deutsche Verteidigung macht deutlich, dass Merz nicht nur die Dramatik der sicherheitspolitischen Lage erkannt hat, sondern auch bereit ist, zu handeln. Auch die EU will in einer ähnlichen Kraftanstrengung 800 Milliarden Euro in die Verteidigung Europas investieren. Angesichts der Bedrohung durch die imperiale Politik Russland und der Schwächung der Nato durch den irrlichternden Donald Trump ist das gut angelegtes Geld. Der US-Präsident liefert nicht nur mit Tiraden gegen die Nato die besten Argumente dafür, sich in Verteidigungsfragen schnell unabhängiger von Washington zu machen. Die USA haben auf Trumps Befehl hin der ukrainischen Flugabwehr praktisch den Stecker gezogen, weil sie keine Aufklärungsdaten mehr liefern. Europa muss das mehr als eine Warnung sein.

Der beim Ukraine-Krisengipfels diskutierte Plan „ReArm Europe“ kann aber nur gelingen, wenn die Union konsequent jahrzehntealte Fehlentwicklungen und Versäumnisse ausräumt. Warum gibt es keinen gemeinsamen europäischen Kampfpanzer, einen konkurrenzfähigen Kampfjet oder einen gemeinsamen Raketen- und Drohnenschutzschirm an den Außengrenzen der EU? Warum entwickelt fast jedes EU-Land eigene Waffensysteme? All das ist uneffektiv – und verschlingt Unsummen. Der Trump-Schock sollte ausreichen, um alte kleingeistige, nationale Eifersüchteleien zu beenden.

Doch es genügt nicht, nur in die Rüstung zu investieren. Die inneren Abläufe müssen reformiert werden. Auf europäischer Ebene braucht es einen Sicherheitsrat. Der behäbige bürokratische Betrieb Brüssels ist auf Friedenszeiten ausgelegt. Es zeigt sich aber, dass in diesen volatilen Zeiten schnelle Koordinierung außenpolitischer Entscheidungen immer wichtiger wird. Dasselbe gilt übrigens für Deutschland. Ein Nationaler Sicherheitsrat würde die Zusammenarbeit zwischen Regierung, Parlament und Ministerialbürokratien verbessern.

Bei der Verteidigung muss die Einstimmigkeit abgeschafft werden

Reformen innerhalb der EU müssten weitergehen. Der Streit beim Ukraine-Krisengipfel macht deutlich, dass in diesem Bereich das Prinzip der Einstimmigkeit abgeschafft gehört. Es kann nicht sein, dass Ungarns Premier und Putin-Freund Viktor Orban seit Jahren die rasche EU-Unterstützung für die Ukraine unmöglich macht.

Friedrich Merz hat sich mit einem gewaltigen Paukenschlag zu Wort gemeldet – in Deutschland und in Europa. Im Gespann mit Frankreich und Polen könnte er jene Reformen anschieben, die in der EU seit vielen Jahren gefordert, aber nicht angegangen werden. In Brüssel sind die Erwartungen riesig, dass ein Kanzler Friedrich Merz endlich jene Führung liefert, die Olaf Scholz einst versprochen hat.

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Erstellt:
6. März 2025, 13:54 Uhr

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