Strafzölle für E-Autos

Europas Kampfansage an China

Die EU-Länder einigen sich auf Strafzölle für chinesische Elektroautos. Die Hersteller warnen vor einem Handelskrieg und fordern weitere Verhandlungen.

Der chinesische Autohersteller BYD drängt in Deutschland auf den Markt. Es könnte aber sein, dass die Fahrzeuge wegen der geplanten EU-Importzölle in Zukunft im Preis steigen werden.

© dpa/Matthias Balk

Der chinesische Autohersteller BYD drängt in Deutschland auf den Markt. Es könnte aber sein, dass die Fahrzeuge wegen der geplanten EU-Importzölle in Zukunft im Preis steigen werden.

Von Knut Krohn

Europa legt im Streit mit China die harten Bandagen an. Die EU-Länder haben am Freitag dafür gestimmt, Strafzölle auf chinesische Elektroautos zu erheben. Deutschland konnte sich mit seinen Bedenken nicht durchsetzen.

Grundlage für die Maßnahme sind Vorwürfe der EU-Kommission, Peking verschaffe seinen Autobauern mit übermäßigen Staatshilfen einen unfairen Wettbewerbsvorteil – zum Nachteil europäischer Hersteller.

Die Zollaufschläge von bis zu 35,3 Prozent sollen spätestens Anfang November greifen. Trotz dieser deutlichen Kampfansage aus Brüssel an Peking betonen nun alle Seiten, dass die verbleibende Zeit bis zur Umsetzung für Verhandlungen genutzt werden müsse, um die Strafzölle doch noch abzuwenden.

Warnungen vor einem Handelskrieg mit China

Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), war in diesen Tagen noch einmal in Brüssel, um vor den negativen Auswirkungen der Zölle zu warnen. Der potenzielle Schaden sei höher als der mögliche Nutzen des Instruments, betonte sie. Am Freitag meldete sich die Auto-Lobbyistin nach der Entscheidung noch einmal zu Wort und forderte beide Seiten auf, in Verhandlungen eine Eskalation zu verhindern, „also idealerweise die Zölle doch noch abwenden, damit wir keinen Handelskonflikt riskieren“. Den Vergleich mit den USA, wo jüngst Einfuhrzölle von 100 Prozent auf Elektroautos aus China erhoben wurden, will Hildegard Müller nicht stehen lassen. Die Vereinigten Staaten seien weit weniger vom Export abhängig als Deutschland und könnten sich solche protektionistischen Maßnahmen eher leisten.

Auch der SPD-Europaparlamentarier Bernd Lange wies darauf hin, dass „das letzte Wort noch nicht gesprochen“ sei. Es sei weiter Zeit, eine Lösung zu finden, die „mit den WTO-Regeln vereinbar ist und Fairness im Wettbewerb schafft“, betonte der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament. Mercedes-Benz-Chef Ola Källenius, der sich gegen Strafzölle ausgesprochen hatte, gab zu bedenken: „Die Einführung der geplanten Maßnahmen und ein daraus potenziell resultierender Handelskonflikt würden unsere Transformation erschweren, dem Klimaschutz schaden und langfristig Arbeitsplätze gefährden.“ Auch er forderte, nun verstärkt nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen.

Sinkender Einfluss Deutschlands in der EU

Beobachter werten die Entscheidung auch als ein weiteres Zeichen für den sinkenden Einfluss Deutschlands in der Europäischen Union. Berlin hatte sich vehement gegen die Einführung der Zölle ausgesprochen, konnte aber lediglich Länder wie Ungarn oder Malta von seiner Position überzeugen. Bundesfinanzminister Christian Lindner warnte nach der EU-Abstimmung vor einer Verschärfung der handelspolitischen Auseinandersetzung. In Brüssel wurde der Streit in der Ampel-Koalition sehr genau zur Kenntnis genommen, den es im Vorfeld der Entscheidung gegeben hatte. Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte sich für Strafzölle stark gemacht, doch erst nach einem Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schwenkte Deutschland endgültig auf einen Kurs gegen die Strafzölle ein.

Für einen gewissen Spott sorgt auch die Position Emmanuel Macrons. Frankreichs Präsident gibt immer wieder den liberalen Vorkämpfer und Gegner von Handelsschranken. Wenn er allerdings die Interessen der heimischen Wirtschaft bedroht sieht, zögert der Staatschef nicht, zu harten protektionistischen Maßnahmen zu greifen. So ist es Paris, das neben Italien und den Niederlanden, zu den Hauptbefürwortern der Strafzölle für chinesische Elektroautos zählt.

Chinesische Unternehmen bleiben in Europa

Dass sich große chinesische Anbieter wie BYD, die zuletzt verstärkt auf den deutschen Markt drängten, nach der EU-Entscheidung aus Europa zurückziehen werden, ist nach Ansicht von Experten allerdings sehr unwahrscheinlich. Die chinesischen Marken verkaufen ihre Autos in Europa teils doppelt so teuer wie auf dem Heimatmarkt, wie aus einer Studie der China-Experten der Rhodium-Gruppe hervorgeht. Es dürfte also trotz höherer Zölle eine ausreichende Gewinnmarge bleiben. Die beiden chinesischen Hersteller Nio und XPeng kündigten bereits an, trotz der Brüsseler Entscheidung in Europa bleiben zu wollen.

Vor allem von Seiten der Umweltschützer und aus der Partei der Grünen kommt Kritik, dass die deutsche Autoindustrie auf dem Feld der Elektromobilität den Firmen aus China hinterherhinke. Trotz vieler Versprechungen sei etwa kein preiswertes deutsches Elektroauto auf dem Markt. Terry Reintke, Ko-Vorsitzende der Grünen im Europaparlament, vermisst in diesem Bereich sogar eine „europäische Industriepolitik“.

Überraschende Überschneidungen gibt es in diesem Fall mit der VDA-Chefin Hildegard Müller. Sie betont, dass ihre Branche beim Personenverkehr der Zukunft den „eindeutigen Schwerpunkt“ bei der Elektromobilität sieht. „Aus diesem Grund läuft in Deutschland die Debatte völlig falsch“, kritisierte sie jüngst in Brüssel.

Zum Artikel

Erstellt:
4. Oktober 2024, 15:44 Uhr
Aktualisiert:
4. Oktober 2024, 16:46 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen