Neues Gebilde am Sternenhimmel

Forscher entdecken größte Superstruktur im nahen Kosmos

Unvorstellbare 1,4 Milliarden Lichtjahre ist die Superstruktur lang, die Forscher jetzt entdeckt haben. Damit ist sie die bisher größte bekannte ihrer Art. Sie erstreckt sich vom hohen Nordhimmel bis fast zum südlichen Ende des Himmels.

Galaxien (flächige Farben) und Galaxienhaufen (schwarze Punkte) in einer Entfernung von 416 bis 826 Millionen Lichtjahren. Bekannt sind 5 Superstrukturen: 1 Quipu, 2 Shapley, 3 Serpens-Corona Borealis und Herkules (übereinander), 4 Sculptor-Pegasus.

© MPE/MPP

Galaxien (flächige Farben) und Galaxienhaufen (schwarze Punkte) in einer Entfernung von 416 bis 826 Millionen Lichtjahren. Bekannt sind 5 Superstrukturen: 1 Quipu, 2 Shapley, 3 Serpens-Corona Borealis und Herkules (übereinander), 4 Sculptor-Pegasus.

Von Markus Brauer

Wissenschaftler haben die bisher größte, sicher vermessene Superstruktur im Weltall gefunden. Die Entdeckung geschah bei der Kartierung des näheren Universums anhand der Daten von Galaxienhaufen aus der Durchmusterung des Himmels durch den Röntgensatelliten Rosat.

Gebilde aus Dunkler Materie

Mit einer Länge von etwa 1,4 Milliarden Lichtjahren setzt sich die neue Struktur aus vorwiegend Dunkler Materie an die Spitze der bisher bekannten Gebilde. Beteiligt waren u. a. Forscher am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) und Max-Planck-Institut für Physik (MPP). Die Studie ist im Fachjournal „Cosmology and Nongalactic Astrophysics“ erschienen.

Über sehr große Distanzen erscheint das Universum fast homogen. Auf Skalen kleiner als etwa eine Milliarde Lichtjahre und in unserer kosmischen Umgebung kennzeichnen es Materieverdichtungen in Superhaufen und Leerräume. Die genaue Kenntnis dieser Strukturen ist für die kosmologische Forschung sehr wichtig und stellt die Hauptmotivation für die Kartierung des näheren Universums dar.

Struktur mit 68 Galaxienhaufen

„Betrachtet man die Verteilung der Galaxienhaufen auf einer Kugelschale mit einer Distanz von 416 bis 826 Millionen Lichtjahre, so fällt sofort eine riesige Struktur auf, die sich vom hohen Nordhimmel bis fast zum südlichen Ende des Himmels erstreckt“, erklärt Hans Böhringer, Leiter des Projektes.

Diese Struktur umfasst 68 Galaxienhaufen und hat eine geschätzte Gesamtmasse von 2,4 1017 Sonnenmassen mit einer Länge von etwa 1,4 Milliarden Lichtjahre. Damit bricht sie den Größenrekord aller sicher vermessenen kosmischen Strukturen. Die bisher Größte unter ihnen, die „Sloan Great Wall“, hat zum Beispiel eine Länge von circa 1,1 Milliarden Lichtjahre und ist wesentlich weiter entfernt.

Ein Atlas der Galaxienhaufen

Für ihre Untersuchung haben die Wissenschaftler einen nahezu vollständigen Atlas der Galaxienhaufen im nahen Universum verwendet. „Der Katalog wurde mit Hilfe des Röntgensatelliten ROSAT erstellt, der 1990 am MPE zum ersten Mal mit einem hochauflösenden Röntgenteleskop den gesamten Himmel erfasst hat“, erläutert Joachim Trümper, der Leiter des Rosat-Projekts.

In den Jahrzehnten danach arbeiteten Forscher daran, die Galaxienhaufen genauer zu identifizieren und deren Entfernungen zu bestimmen. Auf diese Weise entstand ein dreidimensionales Bild ihrer Verteilung, in dem die Galaxienhaufen die Struktur der großräumigen Verbreitung von Materie im Universum sehr genau nachzeichnen, ähnlich wie Leuchttürme eine Küstenlinie.

Der Katalog erfasst das ganze kosmische Volumen bis zu einer Entfernung von einer Milliarde Lichtjahre. In dieser Region erscheint die neue Struktur weitaus größer als alle anderen Strukturen.

Kosmografie und Kosmologie

Die Ergebnisse sind für die Kartierung des Universums entscheidend aber auch für kosmologische Messungen. Die Forschenden haben gezeigt, wie die Existenz dieser Strukturen die Auswertungen der Hubble Konstante oder des Mikrowellenhintergrundes beeinflussen.

Die kosmische Hintergrundstrahlung ist kurz nach dem Urknall entstanden und gibt uns wichtige Hinweise auf den Aufbau und die Entwicklung des Universums. Die Hubble-Konstante gibt die aktuelle Expansionsrate des Universums an. „Auch wenn es sich dabei nur um Korrekturen von wenigen Prozent handelt, werden diese mit zunehmender Genauigkeit der kosmologischen Beobachtungen immer wichtiger“, betont Gayoung Chon vom MPP.

Zur Info: Struktur des Universums

  • Struktur des Kosmos: Die Verteilung von Materie im Universum ist von einem Netz großräumiger, wabenartiger Strukturen geprägt. Dichte Filamente und riesige Klumpen von Gas und Galaxien wechseln sich dabei mit größtenteils leereren Bereichen ab. Die Struktur des Kosmos ist durch die großräumige Anordnung und Verteilung der Materie gekennzeichnet. So sind Sterne in Galaxien zusammengefasst, Galaxien in Galaxienhaufen und diese wiederum in Supergalaxienhaufen, zwischen denen sich große Leerräume ( sogenannte Lokale Leere, englisch: Local Voids) befinden.
  • Supergalaxiehaufen: Der Laniakea-Supercluster, die kosmische Heimat unserer Milchstraße, ist Teil dieser kosmischen Grossstruktur. Dieser Supergalaxienhaufen umfasst rund 100 000 Galaxien, darunter auch die Milchstraße. Ihr Durchmesser beträgt 520 Millionen Lichtjahre.
  • Lokale Leere: Dieses Gebilde enthält neben der Lokalen Gruppe – der Name einer Ansammlung von Galaxien, deren größte die Milchstraße und die Andromedagalaxie sind – und dem Virgo-Galaxienhaufen auch den Lokalen Void – eine riesige, eher leere Zone im All in unserer unmittelbaren Nachbarschaft.
  • Virgo-Galaxiehaufen: Dieser Galaxienhaufen umfasst 1300 bis über 2000 Galaxien. Er liegt in Richtung des Sternbilds Jungfrau (Virgo). Sein Zentrum ist von der Milchstraße 54 Millionen Lichtjahre entfernt.

Quipu – wie die Knotenschrift der Inkas

Ihren Fund haben die Wissenschaftler „Quipu“ genannt, einen Begriff aus der Sprache der Inkas. Heute übersetzt man ihn mit Knotenschrift, da die Inkas Bündel von Schnüren, in die sie Knoten flochten, für ihre Buchhaltung und als Briefe einsetzten.

Die Superstruktur ähnelt dieser alten Schrift, sie erscheint als eine lange Faser an die Seitenstränge geknüpft sind. Deren Namen hat das Team auch gewählt, weil die meisten Entfernungsmessungen der Galaxienhaufen an der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile stattgefunden haben.

Info: So ist unsere Milchstraße aufgebaut

Aufbau Das Milchstraßensystem hat die Form einer flachen Scheibe mit spiralförmigen Armen und einer Verdickung in der Mitte. Der Durchmesser dieser Scheibe beträgt etwa 120 000 Lichtjahre. Die Anzahl aller Sterne im Milchstraßensystem wird auf rund 200 Milliarden geschätzt.

Komponenten Wie alle Spiral- und Balkenspiralgalaxien besteht das Milchstraßensystem aus drei Komponenten: Bulge, Halo und Scheibe.

Bulge Der Kern besteht hauptsächlich aus älteren Sternen und enthält 33 Prozent der sichtbaren Materie.

Halo Der galaktische Außenbereich besteht aus weit verstreuten, älteren Sternen und Kugelsternhaufen, welche die Galaxie langsam umkreisen. Der Halo beinhaltet 1 Prozent der sichtbaren Materie, aber 95 Prozent der Dunklen Materie.

Scheibe mit Spiralarmen Die dünne Scheibe (Thin Disk) erstreckt sich 700 Lichtjahre ober- und unterhalb der galaktischen Ebene, die viel Gas und neugebildete Sterne enthält.

Dicke Scheibe Sie erstreckt sich bis zu einem Abstand von etwa 2500 Lichtjahren ober- und unterhalb der galaktischen Ebene, die vorwiegend ältere Sterne enthält.

Dünne Scheibe Sie enthält 65 Prozent der sichtbaren Masse der Galaxie, die dicke Scheibe nur 5 Prozent

Schwarzes Loch Im Zentrum der Milchstraße befindet sich – wie in wohl jeder Galaxie – ein supermassives Schwarzes Loch.

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Erstellt:
19. Februar 2025, 17:12 Uhr

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