138 auf einem Streich
Forscher entdecken kleinste bekannte Asteroiden
Astronomen haben auf einen Schlag 138 zuvor unerkannte Asteroiden zwischen Mars und Jupiter entdeckt. Darunter sind erstmals auch Brocken von nur zehn bis einigen hundert Meter Durchmesser – die kleinsten bisher im Asteroidengürtel detektierten.
Von Markus Brauer
Unter den Millionen von Asteroiden im Hauptgürtel zwischen Mars und Jupiter haben Forscher erstmals mehr als 100 Objekte mit einem Durchmesser zwischen zehn und mehreren hundert Metern ausgemacht. Bislang waren die kleinsten bekannten Himmelskörper dort etwa einen Kilometer groß.
Über den Fund berichtet ein Forscherteam unter Leitung des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge (USA) in der Fachzeitschrift „Nature“. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die neue,für die Studie angewandte Methode nützlich sein kann, um Asteroiden zu identifizieren, die der Erde potenziell gefährlich werden können.
Schutz der Erde vor Einschlägen
„Bislang konnten wir Asteroiden in der Größenordnung von zehn Metern nur erkennen, wenn sie sehr nahe an der Erde vorbeiflogen“, sagt Artem Burdanov vom MIT. „Jetzt haben wir die Möglichkeit, solche kleinen Asteroiden auch in viel größeren Entfernungen zu erkennen.“ Das sei für den Schutz der Erde vor Einschlägen von entscheidender Bedeutung, da mögliche Gefahren früher entdeckt werden könnten.
Der Nachweis der kleinen Asteroiden im Asteroidengürtel war quasi ein Nebenprodukt der eigentlichen Arbeit. Die MIT-Forscher konzentrieren sich in erster Linie auf die Erforschung von Exoplaneten - also Planeten außerhalb unseres Sonnensystems.
Störendes Rauschen
Bei der Suche nach diesen fremden Welten müssen die Astronomen die Aufnahmen von Teleskopen häufig von störenden Signalen befreien, die etwa durch Gas, Staub oder größere Objekten verursacht werden, welche sich zwischen der Erde und dem Exoplaneten befinden. Zu dem Rauschen, das aussortiert wird, gehören auch vorbeiziehende Asteroiden.
„Für die meisten Astronomen sind Asteroiden eher lästig, da sie die Daten beeinträchtigen“, erklärt Julien de Wit vom MIT. Er und Burdanov fingen jedoch bereits vor einigen Jahren an, ihre Daten auch für die Suche nach Asteroiden in unserem eigenen Sonnensystem zu verwenden.
Daten vom James-Webb-Weltraumteleskop
Dazu bedienten sie sich einer Bildverarbeitungstechnik, die erstmals in den 1990er-Jahren entwickelt wurde. Bei diesem sogenannten Shift-and-Stack-Verfahren (englisch für: verschieben und stapeln) werden mehrere Bilder, die dasselbe Sichtfeld zeigen, verschoben und übereinandergelegt. Koppelt man dies mit modernen Computeralgorithmen zur Suche von beweglichen Objekten in den Bilddaten, werden kleine Himmelskörper sichtbar, die ansonsten im Rauschen untergehen.
Für ihre Analysen nutzten die Forscher Daten des weltweit leistungsstärksten Observatoriums, des James-Webb-Weltraumteleskops (JWST), das besonders empfindlich für Infrarotlicht ist. Ziel war es, insbesondere nach kleineren Asteroiden zu suchen. Da Asteroiden im infraroten Bereich heller leuchten als im sichtbaren Bereich des Spektrums, sind sie mit dem JWST leichter zu erkennen als mit optischen Teleskopen.
138 Mini-Asteroiden auf einen Schlag
Das Team wandte seinen Ansatz auf JWST-Aufnahmen des Sterns Trappist-1 an, der 40 Lichtjahre von der Erde entfernt ist und dessen Planetensystem de Wit erforscht. Die Daten – rund 10.000 Bilder des Sterns – wurden ursprünglich aufgenommen, um nach Anzeichen dafür zu suchen, dass die inneren Planeten des Systems eine Atmosphäre besitzen.
Nun analysierten die Himmelsforscher erneut mit dem Shift-and-Stack-Verfahren, um nach Objekten in unserem eigenen Sonnensystem zu suchen, die im Vordergrund der Bilder vorbeifliegen. Auf diese Weise fanden sie zunächst acht bereits bekannte Asteroiden.
Eine weitere Analyse förderte 138 neue Asteroiden zu Tage, viele mit einem Durchmesser zwischen zehn und hundert Metern. Es handelt sich um die kleinsten Asteroiden des Hauptgürtels, die bisher entdeckt wurden.
Zugang zu neuer Asteroiden-Population
Die Experten vermuten, dass die Bahnen einiger dieser Asteroiden instabil sind und sie demnächst in der näheren Umgebung der Erde auftauchen könnten. Bei einem anderen Objekt handelt es sich wahrscheinlich um einen sogenannten Trojaner – einen Asteroiden, der auf der gleichen Bahn um die Sonne kreist wie der Planet Jupiter.
„Wir haben viel mehr neue Objekte entdeckt als erwartet, vor allem kleine Asteroiden“, erläutert de Wit. Das sei ein Zeichen dafür, dass man Zugang zu einem ganz neuen Teil der Asteroiden-Population erhalten hätten. Die Forscher nehmen an, dass die kleinen Objekte durch Kaskaden von Kollisionen entstehen, die Asteroiden mit einer Größe von weniger als etwa hundert Metern in viele kleinere Fragmente zertrümmern.