Blick in die Vergangenheit

Größter Radio-Jet im frühen Universum entdeckt

Astronomen haben den längsten Radiojet des frühen Kosmos entdeckt – er könnte mehr als 200.000 Lichtjahre lang sein. Dies ist für das heutige Universum nicht viel, aber ein Rekord für die Zeit weniger als 1,2 Milliarden Jahre nach dem Urknall.

Die Illustration zeigt, wie der neu entdeckte Radiojet aus dem frühen Kosmos von Nahem aussehen könnte. Der paarige Ausstrom könnte mehr als 200.000 Lichtjahre lang sein.

© NOIRLab/NSF/AURA/M. Garlick

Die Illustration zeigt, wie der neu entdeckte Radiojet aus dem frühen Kosmos von Nahem aussehen könnte. Der paarige Ausstrom könnte mehr als 200.000 Lichtjahre lang sein.

Von Rainer Kayser (dpa)/Markus Brauer

Bereits im jungen Kosmos katapultierten große Schwarze Löcher Gas mit nahezu Lichtgeschwindigkeit in eng gebündelten Strahlen ins All. Das zeigen Beobachtungen eines internationalen Forschungsteams mit der über ganz Europa verteilten Antennenanlage LOFAR.

Kosmische Jets

Wenn ein aktives Schwarzes Loch Materie einsaugt, entstehen dabei oft Ausströme von Strahlung und schnellen Teilchen – sogenannte kosmische Jets. Weil sie vor allem im Radiowellenbereich gut sichtbar sind, werden sie auch als Radiojets bezeichnet.

Besonders energiereich sind solche Radiojets bei Quasaren. Als Quasare bezeichnen Astronomen hell leuchtende Kerne von Galaxien – also supermassereiche Schwarze Löcher in aktiven Galaxienkernen. Das längste bisher bekannte Paar solcher Ausströme ist 23 Millionen Lichtjahre lang – so lang wie 140 Milchstraßengalaxien nebeneinander.

Wie lang wurden die ersten Radiojets?

Doch seit wann gibt es solche Radiojets? Und wie sahen ihre frühen Versionen aus? Bisherige Beobachtungen haben in der Zeit kurz nach dem Urknall zwar zahlreiche Quasare gefunden, aber nur wenige, meist eher kurze Radiojets.

„Es gibt ein Defizit an längeren Radio-Ausströmen aus der Zeit vor mehr als 12,3 Milliarden Jahren“, berichten Anniek Gloudemans und ihr Team vom Gemini Observatory auf Hawaii im Fachblatt „The Astrophysical Journal Letters“. Der bisher längste Radiojet aus dem frühen Kosmos war nur knapp 120.000 Lichtjahre lang.

Fabricating images of space is a monstrously horrible practice less than 60 years old. IMAGE 1: "NSF’s NOIRLab shows an ARTIST'S ILLUSTRATION of the largest radio jet ever found in the early Universe." IMAGE 2: Actual image IN REALITY:https://t.co/00IOWohIgIpic.twitter.com/xfdeGhC7GZ — The Nietzsche Channel (@tnchann) February 7, 2025

Wie sich die ersten Radiojets bildeten

Das weckte die Vermutung, dass die Strahlungskegel damals aus physikalischen Gründen nicht länger werden konnten. Eine mögliche Erklärung: Die damals noch höhere Energiedichte der kosmischen Hintergrundstrahlung könnte die beschleunigten Elektronen im Radiojet gestreut haben.

Dadurch konnten sich die Ausströme nicht so weit ausbreiten wie im heutigen Universum. Ob das wirklich so war, haben nun Gloudemans und ihr Team näher untersucht.

200.000 Lichtjahre langer Radiojet

„Wir haben nach frühen Quasaren mit starken Radiojets gesucht, um zu verstehen, wie diese ersten Jets gebildet wurden“, erklärt Gloudemans. Dafür werteten die Astronomen Daten des europäischen LOFAR-Radioteleskopverbunds aus, der auch relativ niedrige Radiofrequenzen aus dem frühen Kosmos einfangen kann.

Über 200.000 Lichtjahre hinweg erstreckt sich ein von den Forschenden entdeckter Jet – zu einer Zeit, als das Universum erst 1,2 Milliarden Jahre alt war. Es handele sich um den längsten bislang im jungen Kosmos aufgespürten Materiestrahl, schreiben die Astronomen.

Großes Schwarzes Loch im Zentrum

Nahezu alle Galaxien beherbergen in ihrer Mitte große Schwarze Löcher mit der millionen- oder gar milliardenfachen Masse unserer Sonne. Die Galaxie J1601+3102, deren Licht etwa 12,6 Milliarden Jahre bis zur Erde benötigt, ist da keine Ausnahme: In ihrem Zentrum, so zeigen Messungen von Gloudemans und ihren Kollegen, befindet sich ein Schwarzes Loch mit der 450-millionenfachen Sonnenmasse.

Die Schwarzen Löcher ziehen mit ihrer starken Gravitation Gas aus der Umgebung an, das sich in schnell rotierenden Scheiben ansammelt und dort durch Reibung erhitzt – auf Temperaturen von bis zu 100.000 Grad Celsius. Die Akkretionsscheiben leuchten dann hell auf – und deshalb erstrahlen viele Galaxienkerne als Quasare.

Gigantische Materiestrahlen im All

Vom inneren Rand der Akkretionsscheibe strömt ständig Gas in das Schwarze Loch hinein. Aber keineswegs alles: Ein Teil des heißen Gases entweicht aus der Akkretionsscheibe, wird durch starke Magnetfelder abgelenkt, gebündelt, beschleunigt und schießt dann über den magnetischen Polen des Schwarzen Lochs als Materiestrahl ins All. Solche Jets beobachten Astronomen bei vielen leuchtenden Galaxienkernen – allerdings vor allem im heutigen Kosmos.

Bei Galaxien in großer Entfernung dagegen scheinen die Materiestrahlen seltener und auch kürzer zu sein. Die Beobachtung weit entfernter Galaxien ist für Astronomen eine Art Zeitreise: Wenn das Licht einer Galaxie – wie bei J1601+3102 – 12,6 Milliarden Jahre bis zur Erde benötigt, sehen die Himmelsforscher die Galaxie so, wie sie vor 12,6 Milliarden Jahren ausgesehen hat, also 1,2 Milliarden Jahre nach dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren.

Strahlungsecho des Urknalls

Gab es also damals, im jungen Kosmos weniger und kürzere Jets als heute? Das könnte ein Irrtum sein, wie die Beobachtungen des Teams um Gloudemans jetzt zeigen. Möglicherweise sind sie nur schwerer aufzuspüren. Denn die kosmische Hintergrundstrahlung, eine Art Strahlungsecho des Urknalls, schwächt die Radiostrahlung von solch weit entfernten Objekten ab, wie die Forschungsgruppe erläutert.

Die Antennenanlage LOFAR erwies sich jedoch als geeignetes Instrument, um die abgeschwächte Strahlung nachzuweisen. Mithilfe zusätzlicher Beobachtungen an anderen Teleskopen im Infrarot-Bereich bestätigten die Forschenden dann ihren Verdacht, es handele sich bei der mit LOFAR entdeckten Radioquelle um einen gigantischen Materiestrahl.

Überraschend ist dabei für das Team die Masse des Schwarzen Lochs: Verglichen mit Quasaren im heutigen Kosmos, die große Jets besitzen, ist die Masse von J1601+3102 klein. „Das zeigt uns“, so Gloudemans, „dass kein außergewöhnlich massereiches Schwarzes Loch nötig ist, um im jungen Universum kräftige Jets zu erzeugen.“

Zum Artikel

Erstellt:
10. Februar 2025, 15:36 Uhr
Aktualisiert:
10. Februar 2025, 15:42 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen