Neue Studie: Schädliches Saufen
Herz-Schmerz: Was Alkohol alles anrichten kann
Egal wie man es dreht und wendet: Alkohol ist ein Zellgift und kann verschiedene Organe schädigen. Auch das Herz kann etwas abbekommen, selbst bei jungen fitten Menschen, wie eine neue Studie aus München zeigt.
Von Markus Brauer/dpa
Wissenschaftler warnen seit langem: Übermäßiger Alkoholkonsum kann dem Herz schaden. Eine neue Münchner Studie zeigt nun, dass exzessives Trinken auch bei jungen gesunden Menschen eine bedenkliche Wirkung auf das Herz haben kann. Bei mehreren Partygängern wurden Herzrhythmusstörungen entdeckt.
Alarmierende Herzrhythmusstörungen nach Alkoholkonsum
„Klinisch relevante Arrhythmien traten bei über fünf Prozent der ansonsten gesunden Teilnehmer auf, und zwar überwiegend in der Erholungsphase“, fasst Moritz Sinner vom Forscherteam der Medizinischen Klinik und Poliklinik I des LMU Klinikums die Ergebnisse zusammen. „Unsere Studie liefert aus kardiologischer Sicht einen weiteren negativen Effekt von akutem exzessivem Alkoholkonsum auf die Gesundheit.“
Die Forscher werteten die Daten von mehr als 200 jungen Männern und Frauen aus, die regelmäßig ausgehen, um mehrere alkoholische Getränke zu konsumieren. Während der Studie wiesen sie Spitzenblutalkoholwerte von bis zu 2,5 Promille auf. Die Ergebnisse der MunichBREW-II-Studie sind im Fachmagazin „European Heart Journal“ veröffentlicht.
Die „MunichBREW II-Studie“ zeigt: Exzessiver Alkoholkonsum kann selbst bei jungen, gesunden Menschen zu gefährlichen #Herzrhythmusstörungen führen. Ergebnisse jetzt im European Heart Journal veröffentlicht. #lmumedizin#ehjhttps://t.co/90oQup4XoDpic.twitter.com/mZvkPAdRSY — LMU Klinikum München (@LMU_Uniklinikum) October 4, 2024
Langfristige Risiken bleiben unklar
Bei den Studienteilnehmern wurde 48 Stunden lang mit EKG der Herzrhythmus überwacht. Dabei unterschieden die Forscher unter anderem zwischen dem Ausgangswert vor dem Trinken, der Trinkphase und der Erholungsphase. Außerdem gab es zwei Kontrollphasen. Die Alkoholzufuhr in der Trinkphase führte dabei zu einem immer schneller werdenden Puls mit mehr als 100 Schlägen pro Minute.
Alkohol, so scheint es, könne profund in die Prozesse des Herzens einzugreifen, folgern die Forscher. Welche langfristigen schädlichen Effekte die alkoholbedingten Rhythmusstörungen auf die Herzgesundheit haben, bleibe Gegenstand weiterer Forschung.
Erste LMU Studie zum exzessiven Alkoholkonsum auf dem Oktoberfest
Schon 2015 hatte das Team der Medizinischen Klinik und Poliklinik I des LMU Klinikums beim Münchner Oktoberfest die MunichBREW-I-Studie gestartet. Damals hatten die Ärzte um Sinner und Stefan Brunner exzessiven Alkoholkonsum bereits in Verbindung mit Herzrhythmusstörungen gebracht – aber nur eine Momentaufnahme im Elektrokardiogramm (EKG) untersucht.
Jeder Tropfen Prozentiges schadet
Wie das geht? Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat einen einfachen und für Liebhaber eines „guten Tropfens“ wohl unzumutbaren Ratschlag parat: Trinken Sie überhaupt keinen Alkohol! Jeder Tropfen C2H6O – das ist die chemische Formel für Ethanol oder Äthylalkohol, gemeinsprachlich auch Alkohol genannt – schadet!
Neues #DGE_Positionspapier Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. hat ein neues Positionspapier zu Alkohol veröffentlicht. Es ersetzt den bisher herausgegebenen Referenzwert für die #Alkoholzufuhr. https://t.co/SzGEVJnEgd#DGE#Wissenschaft#Ernährung#Gesundheit — Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) (@dge_wissen) August 15, 2024
Unter dem Motto „Am besten null Promille“ hat die DGE damit frühere Einschätzungen modifiziert. Auch in Maßen sei Alkohol nicht gesund, lautet nun das Credo. Es gebe keine potenziell gesundheitsfördernde und sichere Alkoholmenge für einen unbedenklichen Konsum, schreibt die Fachgesellschaft in ihrem neuen Positionspapier.
„Alkohol ist eine psychoaktive Droge“, die als Ursache von mehr als 200 negativen gesundheitlichen Folgen wie Krankheiten und Unfällen identifiziert worden sei, heißt es dort. Das Papier ersetzt den bisherigen Referenzwert für den empfohlenen Alkoholkonsum: von ein wenig auf gar nichts mehr.
Wenigstens große Mengen vermeiden
Wer trotzdem Alkohol trinken wolle, sollte vor allem größere Mengen vermeiden, rät die Fachgesellschaft. Das gelte insbesondere für junge Menschen. Kinder, Jugendliche, Schwangere und Frauen, die stillen, sollten gar keinen Alkohol trinken.
Zu diesem Ergebnis war jüngst auch eine Analyse verschiedener Studien zum Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Gesundheit gekommen. Der Grund dafür, dass Studien Gesundheitsvorteile bei mäßigem Alkoholkonsum ermittelt hätten, liegt in „Verzerrungen wegen Mängeln im Studiendesign“, wie Forscher der kanadischen Universität Victoria um den Psychologen Tim Stockwell herausfanden.
Here's the link to the study in question "Why Do Only Some Cohort Studies Find Health Benefits From Low-Volume Alcohol Use? A Systematic Review and Meta-Analysis of Study Characteristics That May Bias Mortality Risk Estimates"https://t.co/KsBW6fEtxR — Pivní Filosof® (@Pivnifilosof) July 25, 2024
Sie hatten 107 Langzeituntersuchungen zum Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Mortalität ausgewertet. Daran hatten gut 4,8 Millionen Menschen teilgenommen. Im Verlauf der Untersuchungen gab es mehr als 420 000 Todesfälle.
Schützt mäßiger Alkohol-Genuss vor Krankheiten?
„Annahmen über gesundheitliche Vorteile von Alkohol beeinflussen die Schätzungen der globalen Krankheitslast und die Richtlinien zum Trinken erheblich“, schreiben die Autoren in dieser Studie, die Ende Juli 2024 im Fachjournal „Journal of Studies on Alcohol and Drugs“ erschienen war. Sie prüften darin, warum einige Studien dem mäßigen Konsum von Alkohol eine gesundheitsfördernde Wirkung zuschreiben, andere hingegen nicht.
Als mäßigen Konsum nahmen die Experten eine Menge bis 25 Gramm Alkohol pro Tag an. Das entspricht 0,25 Litern Wein mit zwölf Prozent Alkohol oder 0,6 Litern Bier mit fünf Prozent Alkohol. Moderater Alkoholgenuss soll Studien zufolge unter anderem vor bestimmten Formen von Herzinfarkten und Schlaganfällen sowie Diabetes Typ 2 schützen.
Qualitativ höherwertige Studien zeigen keinen Unterschied
Als wichtiges Kriterium für die Qualität einer Studie nahm das Team um Stockwell die Messung des Alkoholkonsums: Wurde er über mehr als 30 Tage gemessen, waren die Messwerte aussagekräftiger als wenn dies in einem kleineren Zeitraum geschah. Es zeigte sich: Bei den qualitativ höherwertigen Studien lag das Sterberisiko bei moderatem Konsum gleichauf mit dem von Abstinenz.
Krankheitslast durch Alkohol insbesondere in Europa erheblich
Der Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Gesundheit ist laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung äußerst komplex. Bei einigen wenigen chronischen Krankheiten seien risikosenkende Assoziationen mit dem Alkoholkonsum beobachtet worden.
Insgesamt sei die durch Alkohol verursachte Krankheits- und Sterbelast weltweit und insbesondere in Europa erheblich. Der durchschnittliche Alkoholkonsum sei 2019 in Deutschland mehr als doppelt so hoch gewesen wie im weltweiten Durchschnitt.
Alkoholkonsum beeinträchtigt soziales Umfeld
Alkoholkonsum werde unter anderem mit Entwicklungsstörungen bei ungeborenen Kindern, Unfällen, Verletzungen, Gewalt und „psychosozialen Beeinträchtigungen von Menschen, die Alkohol trinken, sowie ihrem sozialen Umfeld“ in Verbindung gebracht, schreibt die Gesellschaft weiter. Zu den kurzfristigen Folgen gehörten Beeinträchtigungen der Koordination, der Aufmerksamkeit und der Reaktionszeit.
Langfristig birgt Alkohol nicht nur eine Suchtgefahr. Alkohol bedingt nach Ansicht der Experten auch Krankheiten mit: Krebs (vor allem Brust- und Dickdarmkrebs), Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Magen- und Darm-Erkrankungen, Diabetes mellitus sowie den Abbau der kognitiven Leistungen, Alzheimer und andere Demenzerkrankungen.
Info: Trinken Sie zu viel? Ein Selbsttest
Alkoholsucht Trinken Sie zu viel? Greifen Sie zu oft zur Flasche? Testen Sie Ihren persönlichen Alkoholkonsum. Die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation, WHO) hat einen Selbsttest – den Audit-Screen „Alcohol Use Disorders Identification Test“ –, um genau diese Fragen zu beantworten. Wenn Sie mehrere der folgenden Testfragen mit „Ja“ beantworten können, sollten Sie nachdenklich werden:
Acht Fragen zum persönlichen Alkoholkonsum
1. Trinken Sie mehrmals pro Monat oder sogar pro Woche Alkohol?
2. Wie viel Alkohol trinken Sie typischerweise an einem Tag?
3. Trinken Sie fünf oder mehr alkoholische Getränke bei einer Gelegenheit?
4. Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten erlebt, dass Sie mit dem Trinken nicht mehr aufhören konnten?
5. Konnten Sie aufgrund Ihres Alkoholkonsums normale Erwartungen an Sie nicht mehr erfüllen?
6. Müssen Sie am Morgen nach einer durchzechten Nacht öfter Alkohol trinken, um sich wieder fit zu fühlen?
7. Hatten Sie während der letzten zwölf Monate öfters Schuldgefühle wegen Ihres Trinkverhaltens?
8. Können Sie sich während der letzten zwölf Monate nicht mehr an den vorangegangenen Abend erinnern, weil Sie zu viel getrunken haben?
Vorsicht, Alkoholabhängigkeit! Je mehr dieser zehn Punkte auf Sie zutreffen, desto eher sollten Sie Ihr Trinkverhalten hinsichtlich Alkohol überdenken und sich professionelle Hilfe bei einer Beratungsstelle, einem Facharzt oder Therapeuten holen.