Taylor Swift in Deutschland
An diesen Outfits erkennen Sie Swifties
„Folklore“ oder „1989“? „Red“ oder „Midnights“? Was Fans zu Taylor Swifts Konzerten anziehen, sagt viel darüber aus, was für Swifties sie sind. Der Versuch einer Erklärung.
Von Theresa Schäfer
Taylor Swift macht es ihren Fans nicht ganz leicht. Erst beschäftigte Swifties Tag und Nacht die Frage: Wie bloß komme ich an Tickets? Die, die tatsächlich eine der begehrten Konzertkarten für Swifts Eras Tour ergattern konnten, zerbrechen sich nun den Kopf: Was ziehe ich bloß an?
Denn wer zum Konzert geht – im Juli spielt die 34-jährige Sängerin drei Konzerte in Gelsenkirchen, zwei in Hamburg und zwei in München – muss vorher die entscheidende Frage klären: Welches Swift-Album ist meins? Mit welchem der elf musikalisch teilweise ganz schön unterschiedlichen Werke identifiziere ich mich am meisten? Welche Swift-Ära hätten’s denn gern? „Folklore“ oder „1989“? „Red“ oder „Midnights“?
Vorbild für die Fans ist natürlich die Frau auf der Bühne: Taylor Swift wechselt bei jedem Konzert bestimmt 16-mal ihr Outfit. Jedes einzelne steht für eine andere Zeit in ihrem Leben, wie die Alben, die sie in den vergangenen 18 Jahren geschrieben hat. Geschneidert werden Swifts Paillettenjacketts oder Glitzerbodysuits nicht von irgendwem: Sie kommen aus weltberühmten Modehäusern wie Versace, Roberto Cavalli oder Oscar de la Renta. Das passende Schuhwerk steuert Christian Louboutin bei. „The Eras Wardrobe“, die Eras-Garderobe, ist inzwischen ein Phänomen für sich.
Es gibt Internetseiten, die sich nur mit der perfekten Eras-Garderobe beschäftigen. Auf Tiktok findet man Anleitungen, wie man sich die Swift’schen Bodysuits mit Paillettengeglitzer nachschneidern kann. Mit viel Bling-Bling liegt man bei den Konzerten auf keinen Fall falsch – Ära-übergreifend. Als Prinzessin Charlotte mit ihrem Vater Prinz William und ihrem Bruder Prinz George das Swift-Konzert im Londoner Wembley-Stadion besuchte, trug auch sie ganz stilecht ein Paillettenoberteil – ziemlich cool für eine Neunjährige.
Nicht nur die britischen Royals, auch die Zwillingsschwestern Lisa und Julia aus Stuttgart waren an diesem Abend in Wembley. Die 33-Jährigen tauschen sich regelmäßig via Instagram mit anderen Swifties aus. Natürlich hätten auch sie sich vorab über ihr Konzert-Outfit Gedanken gemacht, sagt Lisa. „Jedes Album hat seinen eigenen Look, sein eigenes Farbschema. Das kreiert dann auch ein Zugehörigkeitsgefühl, weil man bei anderen gleich erkennt: Ah, die finden auch das und das Album gut.“ Sie und ihre Schwester entschieden sich für den „Midnights“-Look. Ihre Paillettenkleider in Dunkelgrün und Blau haben sie gekauft. „Es gibt ja Swifties, die 50 Stunden damit beschäftigt sind, Pailletten auf ihr Kleid zu nähen – die Zeit haben wir einfach nicht.“ Lisa arbeitet als Qualitätsmanagerin, ihre Schwester Julia ist Juristin.
Kein Outfit, und sei es noch so abgefahren, werde bei den Konzerten komisch beäugt, sagt Lisa. „Niemand muss sich unwohl fühlen. Es ist wirklich eine richtig schöne Stimmung, man bekommt ganz viele Komplimente und sagt anderen, dass man ihr Outfit mag.“ Auf ein Taylor-Swift-Konzert gehen, das sei „wie die inneren Mädchenjahre nachholen und niemand sagt: Wie uncool!“.
Und was bitteschön tragen männliche Konzertbesucher, die es ja auch geben soll? Vielleicht ein Trikot der Kansas City Chiefs. Deren Vereinsfarben sind Rot und Weiß und bekanntermaßen spielt Taylor Swifts Freund Travis Kelce für das NFL-Team.
Die reine Lehre, betont auch die Stuttgarterin Lisa, gibt es beim „The Eras Wardrobe“ nicht – „die Übergänge sind fließend“. Wir versuchen trotzdem eine Kategorisierung:
Taylor Swift
Das Album: Wir schreiben das Jahr 2006 und eine blond gelockte 16-Jährige veröffentlicht ihre Debütsingle: Die heißt „Tim McGraw“, ist eine typische Countryballade und Taylor mahnt ihren Ex darin, an sie zu denken, wenn er ihren Lieblingssong von, ja genau, Tim McGraw im Radio hört. Es ist die erste Singleauskopplung von „Taylor Swift“, das Album, das so heißt wie diese junge Musikerin aus Wyomissing, Pennsylvania, die ihre Eltern so nannten, weil sie die Lieder des Singer-Songwriters James Taylor liebten. „Teardrops on My Guitar“ und „Our Song“ beweisen: Hier ist ein Country-Wunderkind am Werk.
Der „Taylor Swift“-Look: Taylor Swift hat sich nie für ihre Country-Wurzeln geschämt – auch wenn sie längst im Mainstream-Pop angekommen ist. Wer sich für diese frühe Swift-Ära entscheidet, darf voll auf Cowgirl gehen: Blusen mit Puffärmeln, Stufenröcke, bestickte Jeansjacken und, klar, Cowboystiefel und – hüte.
Fearless
Das Album: Zwei Jahre nach ihrem Debütalbum bringt Taylor Swift 2008 „Fearless“ heraus – und 2021 dann ein zweites Mal. Denn in den vergangenen Jahren hat sie vier ihrer frühen Alben neu aufgenommen, um nach einem Streit mit ihrem alten Label die Rechte daran zurückzugewinnen. „Taylor’s Version“ lautet der Zusatz dabei jetzt immer. „Fearless“ ist ihr Durchbruch, klingt nach Country, aber riecht schon ein bisschen nach Pop. Darauf: „Fifteen“ zum Beispiel, das vom Erwachsenwerden erzählt.
Der „Fearless“-Look: Hier ist alles Gold, was glänzt – wer das „Fearless“-Thema zur Grundlage seines Looks machen will, sollte eigentlich auf fließende, goldene Prinzessinnenkleider im Rokoko-Stil setzen. So wie Taylor Swift im Video zu „Love Story“. Weil solche bodenlange Abschlussballroben aber nicht besonders tauglich sind, darin zu „Shake it off“ im Takt zu hüpfen, darf’s auch das „kleine Goldene“ sein – so macht’s Taylor schließlich auch.
Speak Now
Das Album: Der Titel des dritten Swift-Album aus dem Jahr 2010 lässt sich frei mit „Mach den Mund auf“ übersetzen. Und das macht die damals 20-Jährige auf „Speak Now“ auch. Zum Beispiel im Song „Mean“, den sie allen Fieslingen widmet, die nur darauf aus sind, andere klein zu machen. Eines Tages wird der Underdog oben sein – und die Bullies, die in den Gängen jeder Highschool gefürchtet sind, bleiben zurück. Auch auf dem Album: „Back To December“ und das Liebeslied „Mine“ mit der schönen Zeile: „You made a rebel of a careless man’s careful daughter“.
Der „Speak Now“-Look: Einfach! Veilchen, Flieder, Iris – Lila von Kopf bis Fuß tragen die, für die „Speak Now“ der Swift-Soundtrack der Wahl ist. Warum? Schlicht und ergreifend weil Taylor auf dem Cover in violetten Tüll gehüllt ist.
Red
Das Album: „Red“ aus dem Jahr 2012 ist ein Übergangsalbum – es vereint von allem ein bisschen. Die ultimative Hymne über On-off-Beziehungen, das poppige „We Are Never Ever Getting Back Together“. „Everything Has Changed“, ein Singer-Songwriter-Duett mit Ed Sheeran. Und „All Too Well“, eine klassische Country-Nummer, von der es heißt, Taylor Swift habe sie für ihren Ex, den Schauspieler Jake Gyllenhaal, geschrieben.
Der „Red“-Look: Das wird jetzt niemanden überraschen – mit Rot liegt man nicht falsch, wenn man sich zu diesem Album bekennen will. Tay-Tay, wie Swifties ihr Idol gerne nennen, trägt im „Red“-Teil ihrer Konzerte meist mit Songzeilen („We Are Never Ever Getting Back Together. Like Ever.“) bedruckte schlichte weiße T-Shirts und einen schwarzen Hut.
1989
Das Album: „1989“ ist Taylor Swifts Geburtsjahr – und der Name des Albums, mit dem sich die US-Musikerin 2014 endgültig vom Country verabschiedete und sich im Mainstream-Pop etablierte. „1989“ vereint einige von Swifts größten Hits: „Shake It Off“ natürlich, die trotzig-fröhliche Fortschreibung von „Mean“, aber auch „Blank Space“ oder „Bad Blood“.
Der „1989“-Look: Dieser Style ist der, den man auf der Eras-Tour vielleicht am häufigsten sieht. Miniröcke, Corsagentops – so wie Taylor im Video zu „Bad Blood“ – aber auch Collegejacken, gerne glitzernd.
Reputation
Das Album: „Reputation“ aus dem Jahr 2017 ist vielleicht das edgyste, widerspenstigste der Swift-Alben – eine Abrechnung mit all den Haters, die es bei „Shake It Off“ noch nicht kapiert hatten. Drauf ist zum Beispiel die harte Dance-Nummer „Look What You Made Me Do“ oder das düstere „…Ready For It?“, das so gar nichts mehr zu tun hat mit dem netten Countrygirl-Image.
Der „Reputation“-Look: Nix mit niedlich! Wer auf den „Reputation“-Style setzen will, braucht nicht viel: Schwarzes Top oder Corsage, schwarzer Lederminirock und dazu gerne derbe Military-Stiefel. Wer mag, nimmt schwarzen Lippenstift – fertig ist der Bad-Girl-Look.
Lover
Das Album: Zwei Jahre später war Taylor Swift offenbar wieder freundlicherer Stimmung – „Lover“ aus dem Jahr 2019 ist bei weitem gefälliger als sein Vorgängeralbum. Das Album ist vollgepackt mit gut gelauntem Zuckerwatte-Pop. Zum Beispiel dem sehr tanzbaren „You Need To Calm Down“ oder „Me“, in dem Taylor einem ihrer vielen Exen zuruft, dass er nie eine Frau wie sie finden wird.
Der „Lover“-Look: Wer verliebt ist, schwebt auf rosaroten Wölkchen. So rosarot wie auf dem „Lover“-Cover. Der Look zum Album besteht aus pastelligen Tönen: Rosa (klar), Pistazie, Babyblau, Apricot – wie die Anzüge in Softeisfarben, die Swift und ihre Tänzerinnen im Musikvideo zu „Me“ tragen.
Folklore
Das Album: Mit „Folklore“ entdeckte Taylor Swift 2020 die Indie-Musikerin in sich. Wie einst Henry David Thoreau zieht Taylor in den Wald, um sich neu zu finden – zumindest metaphorisch. Zurück bringt sie schwebend-schöne, ganz zarte Lieder wie „Cardigan“ oder „Exile“, für das sie sich Bon Iver an die Seite geholt hatte.
Der „Folklore“-Look: Ätherisch wie eine Elfe steht Taylor im Musikvideo zu „Cardigan“ im Wald. Genau so geht der „Folklore“-Look. Bodenlange, vielleicht elfenbeinfarbene Spitzenkleider, Angorastrickjäckchen, Blumenkranz im Haar – fertig ist das Styling, das verrät: „Folklore“ ist genau mein Ding.
Evermore
Das Album: Nicht umsonst wird „Evermore“ gerne als Schwesternalbum von „Folklore“ bezeichnet. Es kam nicht nur wenige Monate danach heraus, auf „Evermore“ treibt Swift das Folk-Thema auch noch weiter. Ist „Folklore“ der Soundtrack für Mittsommernächte, passt dieses Album mit Songs wie „Willow“ oder „Coney Island“ zu goldenen Oktobernachmittagen, wenn die Sonne schwindet und die Luft langsam kühl wird.
Der „Evermore“-Look: Wo „Folklore“ aufhört und „Evermore“ anfängt – das ist auch modisch schwer zu sagen. Der „Evermore“-Look ist noch etwas erdiger, mit kräftigen Ocker- und Orangetönen. Ideal wäre vielleicht ein Holzfällerhemd aus Flanell mit einem dicken selbstgestrickten Wollschal um den Hals. Aber wer will das im Sommer schon tragen?
Midnights
Das Album: Und noch eine 180-Grad-Wende – raus aus dem Wald: „Midnights“ markiert 2022 das Ende von Folksy-Taylor. Zurück ist der verführerisch eingängige Synthie-Pop – mit selbstkritischen Persönlichkeitsbetrachtungen wie „Anti-Hero“ oder dem kämpferischen „Lavender Haze“, in dem sie allen Erwartungen von außen eine Absage erteilt.
Der „Midnights“-Look: Was repräsentiert dieses Album besser als die Farbe Mitternachtsblau? Taylor Swift trägt für diesen Teil ihrer Schaffensperiode einen glitzernden Bodysuit in dunklem Blau, der ihr vom Modehaus Oscar de la Renta auf den Leib geschneidert wurde. Eingefleischte Swifties mit einem geschickten Händchen für die Nähnadel schneidern diesen Body auch gerne nach.
The Tortured Poets Department
Das Album: Keine Neuerscheinung wurde in diesem Jahr mit mehr Spannung erwartet als Taylor Swifts „The Tortured Poets Department“. Was würde sie diesmal auspacken? Eine bissige, knallharte Abrechnung mit all den Verflossenen, die ihren Weg pflastern – in 16 Songs und 15 Bonus-Tracks. „Who’s Afraid of Little Old Me?“ Die Kerle, die Taylors Herz gebrochen haben, wahrscheinlich. Aber keine Sorge, singt sie: „I Can Do With A Broken Heart“.
Der „The Tortured Poets Department“-Look: Rüschenblusen mit Stehkragen, Handschuhe aus schwarzer oder weißer Spitze – der Style, der für Taylor Swifts jüngstes Album steht, ist irgendwo zwischen Mary Shelley und Virginia Woolf angelegt. Lässt man sich von Swifts Gothic-Look im Musikvideo zu „Fortnight“ leiten, kann eigentlich nichts schief gehen.