Leidenschaft für Töne
Ist Musikgenuss in den Genen verankert?
Forscher aus den Nijmegen und Frankfurt haben untersucht, wie genetische und umweltbedingte Faktoren unsere Freude an Musik beeinflussen. Dafür wurden Daten von Zwillingen genutzt.

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Die Fähigkeit, Freude an Musik zu empfinden, wird teilweise vererbt und ist zudem von Umweltfaktoren beeinflusst.
Von Markus Brauer
Hat die Fähigkeit Musik zu genießen eine biologische Grundlage? Eine im Fachmagazin „Nature Communications“ veröffentlichte Studie zeigt, dass Musikgenuss teilweise vererbbar ist. Ein Forscherteam unter Leitung von Wissenschaftlern der Max-Planck-Institute für Psycholinguistik in Nijmegen, Niederlande, und für empirische Ästhetik (MPIEA) in Frankfurt am Main hat untersucht, wie genetische und umweltbedingte Faktoren unsere Freude am Musikerleben beeinflussen.
“Twin modelling reveals partly distinct genetic pathways to music enjoyment” by Giacomo Bignardi et al. Nature Communicationshttps://t.co/lUqEUh3njQ — Neuroscience News (@NeuroscienceNew) March 31, 2025
Warum genießen manche Menschen Musik mehr als andere?
Musik spielt eine wichtige Rolle für menschliche Emotionen, soziale Bindungen und den kulturellen Umgang. Doch nicht alle empfinden dies gleichermaßen. Warum genießen manche Menschen Musik zum Beispiel mehr als andere?
„Die Antwort auf diese Frage kann uns einen Einblick in allgemeinere Aspekte des menschlichen Geistes geben. Zum Beispiel dahingehend, wie Erfahrungen zu Vergnügen werden“, erklärt Erstautor Giacomo Bignardi vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik. „Wir wollten verstehen, ob genetische Unterschiede zwischen Individuen zu Unterschieden im Musikgenuss führen und was uns diese Unterschiede über die Musikalität im Allgemeinen sagen können.“
Daten von Zwillingen genutzt
Um herauszufinden, ob genetische Faktoren den Musikgenuss oder das Belohnungsempfinden durch Musik beeinflussen, verwendeten die Forscher ein Forschungsdesign, bei dem die Ähnlichkeit zwischen eineiigen und zweieiigen Zwillingen verglichen wird.
Wenn sich eineiige Zwillinge ähnlicher sind als zweieiige, spielt die Genetik vermutlich eine Rolle. In Zusammenarbeit mit dem Karolinska-Institut in Schweden konnten die Forscher Daten von mehr als 9000 Zwillingen nutzen, darunter unter anderem Informationen zum Belohnungsempfinden durch Musik sowie zur Fähigkeit, musikalische Merkmale wie Tonhöhe, Melodie und Rhythmus wahrzunehmen.
Freude an Musik wird teilweise vererbt
Die Ergebnisse zeigen, dass die Fähigkeit, Freude an Musik zu empfinden, teilweise vererbt wird. Mit Hilfe des Zwillingsdesigns konnten die Forscher ermitteln, dass die Unterschiede in der schwedischen Stichprobe zu 54 Prozent genetisch bedingt sind.
Das Team fand auch heraus, dass die genetischen Einflüsse auf das musikalische Belohnungsempfinden teilweise unabhängig von musikalischen Wahrnehmungsfähigkeiten und dem allgemeinen (nicht-musikalischen) Belohnungsempfinden sind.
Das heißt, dass Unterschiede darin, wie lohnend wir persönlich Musikgenuss wahrnehmen, zum Teil auch genetisch bedingt sind und nicht nur durch individuelle Unterschiede in unserem generellen menschlichen Belohnungssystem erklärt werden können.
Darüber hinaus entdeckten die Forscher, dass verschiedene Facetten des Musikgenusses teilweise durch unterschiedliche Gene beeinflusst werden, so zum Beispiel die Emotionsregulation, das Tanzen im Takt oder das Musizieren mit anderen.
Spezifische genetische und umweltbedingte Faktoren
„Diese Ergebnisse zeichnen ein komplexes Bild. Sie zeigen, dass unsere Freude an Musik nicht ausschließlich von unseren Fähigkeiten abhängt, musikalische Klänge wahrzunehmen oder generell Freude zu empfinden“, berichtet Seniorautorin Miriam Mosing vom MPIEA. „Vielmehr scheint es, als gäbe es spezifische genetische und umweltbedingte Faktoren, die Einfluss auf unser musikalisches Empfinden haben.“