Kein Erbarmen mit dem Bagger-Groover
Murreder Henderwäldler sagen dem Bürgermeister die Meinung und erkämpfen sich den Murrhardter Regierungssitz
Die Zielmarke war klar gesetzt: Die Murreder Henderwäldler sind am Donnerstagabend angetreten, um sich den Rathausschlüssel und somit die Herrschaft über den Verwaltungssitz der Walterichstadt zu erobern. Beim gut gelaunten Ritualkampf erfuhren die Zuschauer, wie die Uhren in Murrhardt gehen und wo Bürgermeister und Pfarrer den nicht alltäglichen Schulterschluss üben.
Von Christine Schick
MURRHARDT.Für den Sturm auf den Regierungssitz haben sich die Murreder Henderwäldler jede Menge närrische Unterstützung geholt. Selbst in weißer, schlafmütziger Montur à la Hemdglonker, ziehen sie mit dem Narrenbaum im Gepäck über die Hauptstraße zum Marktplatz – begleitet von den Backnanger Lohkäs-Tramplern, den Reichenberger Burghexen, den Batzenschmeißern aus Unterweissach, den Spiegelberger Wetzstoi-Hexa, der ersten Narrenzunft Auenwald sowie den Heuler Hexen aus Filderstadt-Sielmingen.
Während sich die Kräftigen unter den Henderwäldlern daran machen, den Baum schon mal in Position zum Aufrichten zu bringen, sorgen die Backnanger Guggenmusiker für die richtige Einstimmung auf die närrisch-freundliche Übernahme.
Dann fordert das Zunftmeisterduo Diana Spreu und Matthias Schlichenmaier, von der Arbeitswut der Verwaltung nicht übermäßig beeindruckt, ohne Umschweife den Schlüssel. Eine schnelle Kapitulation ist aus ihrer Sicht die klügste Variante, denn Klagen gebe es genug. Doch Bürgermeister Armin Mößner gibt sich selbstbewusst, macht gar den Vorschlag, die Narren könnten sich doch einen Wirkungsort jenseits der Walterichstadt suchen – ob nun im Lautertal oder in Backnang. Hier sei man „fleißig am schaffa, baua und investiera“ und wolle sich auf seine Weise ungestört mit Fasnetsküchle und Most die närrische Zeit versüßen.
Grund genug für die Speerspitze der Übernahmewilligen, die Klagen auf den Tisch zu packen: Nicht nur im übertragenen Sinne ein Problem mit der Zeit hat die Rathausuhr, taugt denn auch nicht zur alltäglichen Orientierung, was Diana Spreu und Matthias Schlichenmaier schon in arge Kalamitäten gebracht hat. Doch der Bürgermeister stellt sich hinter beziehungsweise vor das gute alte Stück und philosophiert über verronnene Zeit, alte Technik und die Frage, ob ein anderer Zeitenlauf in Murrhardt vielleicht sogar genau der richtige sei.
Die Antwort des Zunftmeisterteams fällt handfest aus. Sie blasen zum Sturm aufs Rathaus, den die Angegriffenen mit einem Regen an Süßigkeiten kontern und so die Kinder unter den Zuschauern auf ihre Kosten kommen.
Also ziehen Diana Spreu und Matthias Schlichenmaier ihren Trumpf. Sie erinnern daran, dass sich der Bürgermeister beim Baggerbiss anlässlich des Kindergartenneubaus im Klosterhof doch etwas weit vorgewagt hat. Gemeinsam mit Pfarrer Hans Joachim Stein nahm er nicht nur im Gefährt Platz, sondern bildete mit ihm auch ein unkonventionelles, nicht ganz professionelles Aktionsteam. Für die Narren ist es natürlich ein gefundenes Fressen, wenn der Bürgermeister „statt Akten zu stapeln, mit dem Pfarrer auf dem Bagger Karussell fährt“.
Die Tatsache, dass es mit der Steuerung des klassischen Baugefährts nicht so geklappt hat, verpackt Mößner in ein medial-ansprechendes Bild. Seine Lesart: Er hat mit dem Pfarrer einen Bagger-Groove hingelegt. Aber es nützt ihm nichts, die Murreder Henderwäldler machen sich jetzt mehr als entschlossen auf den Weg und entern Rathaus und Amtsstube. Die Fahne der Murrhardter Narrenzunft findet ihren Platz auf dem Balkon, Bürgermeister samt Mitarbeiter- und Stadtratsschar werden nach draußen in ihren Käfig gebracht und unter genüsslich-schrägen Klängen stellen die Henderwäldler ihren Narrenbaum auf.
Die Herrschaft wird mit einer Polonaise inklusive vieler junger Narren besiegelt. Für Letztere muss der Bürgermeister zum Kinderumzug am Montag (13.30 Uhr) als Strafe nun Fasnetsküchle besorgen. Der heutige Samstag ist für den großen Nachtumzug (19.11 Uhr) reserviert.