Klare Ansagen – jede Sekunde zählt
Bei der Feuerwehr in Murrhardt läuft die Grundausbildung nach coronabedingter Pause nun weiter. Die Lernenden und Ausbilder sind mit Herzblut bei der Sache. Noch dürfen Fehler passieren, sind sogar erwünscht, damit sie eben nicht im Einsatz geschehen.

© Jörg Fiedler
Schweres Geschäft: Dieses Quartett ist gerade dabei, eine Wasserversorgung aus der Murr aufzubauen, die am Murrhardter Feuerwehrhaus vorbeifließt. Fotos: J. Fiedler
Von Ute Gruber
MURRHARDT. „Wasserentnahme offenes Gewässer“ – „Verteiler eine B-Länge von Pumpe“ – „Angriffstrupp mit erstem Rohr zur Brandbekämpfung über die linke Hofseite vor!“, ruft Ausbilder Stefan Burr als Truppführer den sechs angehenden Feuerwehrleuten zu, die nach den üblichen Basishandgriffen hinter dem laufenden Einsatzfahrzeug Aufstellung genommen haben – in ordnungsgemäßem Coronaabstand natürlich. Kein „Bitte“ und „Danke“, nicht einmal vollständige Sätze. Klar, im Ernstfall zählt jede Sekunde – die Kommunikation ist eindeutig und auf das Wesentliche beschränkt.
Der Trupp löst sich rasch auf, jeder weiß mit den Anweisungen, was er jetzt zu tun hat. Vier stecken zügig die dicken Saugrohre zusammen, mit denen aus der vorbeifließenden Murr das Löschwasser geholt werden soll: „Leitung auf!“, kommandiert einer der beiden Kameraden an der Kupplung das Anheben der schweren Meterstücke, „Leitung ab!“, als der Zusammenschluss geglückt ist. Nächstes Teilstück: „Leitung auf!“, kuppeln, „Leitung ab!“, und so weiter, bis die richtige Länge erreicht ist. „Die machen ihr Geschäft schon recht gut“, stellt Martin Seke lobend fest, der von der Sulzbacher Wehr als Ausbilder vor Ort ist und die hoch motivierte Mannschaft bei ihrer schweißtreibenden Arbeit beobachtet. „Und Fehler dürfen und sollen passieren – besser jetzt, wo sie korrigiert werden können, als später im Einsatz, wo sie unter Umständen lebensgefährlich sind.“
„Das war am Anfang für mich schon komisch, dieser Befehlston“, räumt Gabriel Jocher ein, der im Kindergarten in Großerlach als Erzieher tätig ist. „Wenn man in einem Sozialberuf arbeitet wie ich, ist das ja sonst verpönt.“ Im Gespräch mit Eltern seiner Schützlinge hatte sich der 22-Jährige dazu gewinnen lassen, bei der Feuerwehr mitzumachen. Als Belohnung gab’s vom Großerlacher Kommandanten einen vorschriftsmäßigen Coronamundschutz mit Feuerwehrlogo. Dem wertschätzenden Umgang in der Truppe tut diese reduzierte Art der Kommunikation offenbar keinen Abbruch.
Für Pascal Wohlfarth ist dieser Umgangston ohnehin nichts Ungewöhnliches: Er ist Polizeibeamter. Eben kommt er aus dem Nachtdienst und wird nun seinen freien Samstag mit Feuerwehrübungen verbringen: „Kurz ein Müsli eingeworfen und weiter geht’s!“ Bei den täglichen Einsätzen habe er immer wieder mit den freiwilligen Helfern von der Feuerwehr zu tun, „mich hat immer wieder beeindruckt, mit welcher Begeisterung die im Einsatz sind“. Daher will er seine Freizeit jetzt der Feuerwehr widmen, denn eines ist klar: „Der Polizeidienst hat Vorrang.“
Das ist anders bei Johannes Meißen, der bei der Firma Bosch in Murrhardt für die Gebäudeinstandhaltung zuständig ist und nach bestandener Prüfung der werkseigenen Feuerwehr angehören wird: „Wenn ein Einsatz reinkommt, dürfen wir den Arbeitsplatz verlassen – sofern das vertretbar ist.“ Das Lernen im Anschluss an die Arbeit ist für den 30-Jährigen freilich anstrengend, „aber es macht auch Spaß. Ich wollte das schon immer machen.“ Nach Feierabend ist er dann in seinem Heimatort Obersontheim für die örtliche Feuerwehr in Rufbereitschaft.
Anders als die Quereinsteiger ist der 18-jährige Raphael Horwath schon als Jungspund zur Sulzbacher Jugendabteilung gekommen: „Meine Patentante hat mich da überredet.“ Jetzt hat er den älteren Teilnehmern an fachlichen Fertigkeiten einiges voraus, was er gerne weitergibt und ihn natürlich mit Stolz erfüllt. Bei überörtlichen Einsätzen wird man sich später immer mal wieder begegnen.
Stefan Krehan aus Murrhardt ist Koordinator des Ausbildungsverbunds 2, einem der fünf Ausbildungsverbünde im Rems-Murr-Kreis. Er sammelt die Anmeldungen, macht die Termine aus und steht mit den Ausbildern in engem Kontakt, um den Teilnehmern aus den Feuerwehren von Allmersbach im Tal, Auenwald, Großerlach, Murrhardt, Spiegelberg und Sulzbach an der Murr Schulungen zu ermöglichen. Vier Wochen vor dem Kurs schickt er den Aspiranten den Stundenplan zu, damit sich diese die Termine freihalten können. Neben der aktuellen Grundausbildung zum Truppmann Teil I gibt es den Truppmann Teil II, den Lehrgang zum Truppführer, zum Atemschutzträger und zum Maschinisten. „Man kann sich hier immer weiterbilden, es gibt immer wieder etwas Neues“, sagt Krehan. Heute gibt der Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Murrhardt, Abteilung Stadt, den Smutje: Er kocht für die fleißigen Mannen das Mittagessen. „Das ist natürlich ein Super-Service, sonst muss halt einer von uns Döner oder Pizza holen gehen.“
Vier Wochen lang gibt es in der Grundausbildung dienstag- und donnerstagabends Theorie, samstags ganztägig Praxis. In einer fünften Woche ist Erste Hilfe dran. Üblicherweise findet der Grundkurs zwischen Fastnacht und Ostern statt. Nicht als entbehrungsreiches Programm für die Fastenzeit, sondern wegen der zahlreichen Landwirte: „Um die Zeit ist draußen noch nix los.“
Dieses Jahr ist alles anders. In der zweiten Lehrgangswoche kam der Lockdown, auch der Feuerwehrkurs musste auf Eis gelegt werden. Seit Anfang Juli trainiert man nun wieder für die Leistungsnachweise am Dienstag (Theorie) und Donnerstag (Praxis) dieser Woche. Leider ohne die vier Landwirte – die sind jetzt mitten in der Ernte.
Auch der Frauenanteil ist dieses Jahr ungewöhnlich niedrig: Nämlich null. „Sonst haben wir eigentlich immer so ein Drittel Frauen dabei“, wundert sich Ausbilder Seke, „meist direkt aus den Jugendfeuerwehren.“ Aber auch Quereinsteigerinnen stellten sich der anstrengenden Aufgabe im Dienste der Allgemeinheit: „Einmal hat sich eine ganze Gruppe von fünf Frauen zusammen angemeldet.“
Entgegen dem allgemeinen Trend weg vom Ehrenamt sind die Kurse in Murrhardt mit rund 20 Teilnehmern Jahr für Jahr meist annähernd ausgebucht, was sicherlich neben den motivierten Ausbildern – „die haben Feuer im Blut“ – auch an den guten Übungsmöglichkeiten liegt: Der fünfstöckige Schlauchtrocknungsturm wurde mit strapazierfähigen Balkonen, Fenstern und Dachterrasse als Übungsgebäude gestaltet, in der Schlauchwaschanlage nebenan wird die Pflege des Materials gelernt und außer vom Hydranten kann am vorbeirauschenden Bach wirklichkeitsgetreu die Löschwasserentnahme trainiert werden.
Wie es mit Kursen in diesem Ausnahmejahr überhaupt weitergeht, wird nach den Sommerferien entschieden. „Auf jeden Fall werden die laufenden Grundlehrgänge abgeschlossen“, versichert Ausbilder Burr. Kurs-Opa ist dieses Jahr übrigens Jörg Fiedler, Fotograf bei der Murrhardter Zeitung und Backnanger Kreiszeitung, mit seinen 64 Jahren. Als angehender Pressesprecher der Sulzbacher Feuerwehr will er sich „wenigstens ein bisschen Ahnung von der Praxis aneignen“. Na dann: Wasser marsch!

© Jörg Fiedler
Der Schlauch- und Übungsturm kann für die Ausbildung und die verschiedenen Szenarien, die sich erproben lassen, sehr gut genutzt werden.