Kunsthalle Baden-Baden: „Sea and Fog“

Kunst im Dienst vernebelter Thesen

Gibt es richtige und falsche Erinnerungen an den Krieg? Die Direktorin der Kunsthalle Baden-Baden kann mit ihrer Abschiedsausstellung nicht überzeugen.

Ouassila Arras arbeitet immer wieder mit dem Thema der Mauer.

© FRAC/Martin Argyroglo

Ouassila Arras arbeitet immer wieder mit dem Thema der Mauer.

Von Adrienne Braun

Vermutlich fielen Bomben und mussten Menschen fliehen. Nun steht die Mauer, die doch eigentlich Schutz bieten soll, in der Kunsthalle Baden-Baden. Steine sind herausgebrochen, der Boden ist mit Lehm verschmiert – und man stellt sich unweigerlich die Gewalt vor, die hier verübt worden sein könnte. Auch wer selbst einen Krieg nie erleben musste, hat eine Vorstellungen von ihm, sei es durch Fotos, Filme oder durch Erinnerungen, die im kollektiven Gedächtnis verankert sind. Bilder, die aus Sicht von Cagla Ilk einseitig sind: Erster und Zweiter Weltkrieg würden, so die These der Direktorin der Kunsthalle Baden-Baden, meist aus westlicher Perspektive erzählt, während andere Blicke und Schicksale dabei unterschlagen würden.

Die Gruppenausstellung „Sea and Fog“ evoziert beim Besuch nun ein Gefühl von Unsicherheit und Irritation. Denn nur wenige Arbeiten sprechen eine direkte Sprache wie die Steinmauer der Künstlerin Ouassila Arras. Sie erinnert unmittelbar an Zerstörung und Grenzen, die hier gezogen, dort niedergerissen werden sollen. In Algerien, der Heimat der Künstlerin, sind solche Mauern allgegenwärtig.

Die Kunst soll die Gedanken der Kuratorin illustrieren

„Sea and Fog“ ist eine typische Kuratorenausstellung, die die eigenen Gedanken ins Zentrum rücken, illustriert dann durch die künstlerischen Arbeiten. Cagla Ilk hat sich inspirieren lassen von einem Buch der vor drei Jahren verstorbenen Künstlerin Etel Adnan, von der auch der Titel „Sea and Fog“ stammt. Der Nebel, so Ilk, sei ein Symbol für die „emotionale Ungewissheit“, da wir uns „in einem ständigen Provisorium zwischen den Kräften der Natur und der unaufhaltsamen Dynamik der Zeit“ bewegten.

Auf einem Stück Fels scheint der Nebel ganz konkret zu wabern. Er wirkt wie ein Krater en miniature, weil der Künstler Ali M. Demirel auf den Stein eine schillernde Wasserfläche projiziert. Das Felsstück stammt aus dem Besparmak-Gebirge in Zypern, in dem 8000 Jahre alte Felsmalereien entdeckt wurden. Gleichzeitig wird dem Gebirge zugesetzt durch den Abbau von Mineralen.

Wie das mit dem Thema Krieg zusammenhängt, erschließt sich nicht so einfach. Leichter machen es zwischen den Fotografien, Skulpturen, Gemälden und Video-Installationen die vereinzelten klassischen Positionen zum Krieg: Radierungen von Otto Dix, der selbst als Soldat im Ersten Weltkrieg war und die Erlebnisse in drastischen Zeichnungen festhielt. Käthe Kollwitz, deren Sohn 1914 fiel, ist mit einem ihrer wichtigsten Themen vertreten, dem Motiv der trauernden Mutter. Zwei Positionen, die klar für die deutsche Erzählung des Kriegs stehen.

Der Erste Weltkrieg hat die Fotografie voran gebracht

Gewalt kann man assoziieren bei den riesigen Fotografien von Marco Fusinato – der hier eine Waffe zeigt, dort eine Mohnkapsel, die für den Ursprung für Auseinandersetzungen mit Drogenkartellen stehen könnte. Im Begleitheft erfährt man, warum die Fotografien in der Kunsthalle Baden-Baden gezeigt werden: Das Erste Weltkrieg habe diverse technologische Entwicklungen voran gebracht – unter anderem auch die Fotografie, mit der das Grauen an den Fronten dokumentiert worden sei.

Letztlich hängt alles mit allem irgendwie zusammen, behauptet „Sea and Fog“. Inhaltlich ist die Ausstellung aber extrem unpräzise. Ihr gelingt es auch nicht annähernd, die Arbeiten selbst zum Sprechen zu bringen und das Publikum einzuladen, sich auf sie einzulassen. Stattdessen verbringt man den Rundgang lesend und versucht nachzuvollziehen, wie in den ausführlichen Texten versucht wird, die Kluft zwischen den Werken und den kuratorischen Ideen irgendwie zu überbrücken.

Letztlich bestätigt diese letzte Ausstellung noch einmal, dass Cagla Ilk eben keine Kuratorin und die Rechnung des Kunstministeriums nicht aufgegangen ist, die Kunsthalle Baden-Baden einer Architektin und Theaterdramaturgin anzuvertrauen. Wie berichtet stellt das Land deshalb nun den Betrieb der Kunsthalle gleich ganz ein, damit das Badische Landesmuseum von Karlsruhe hierher umziehen kann, wenn in Karlsruhe wiederum das Schloss saniert wird. Cagla Ilk kehrt dagegen zurück ans Theater; sie wird 2026 Intendantin des Maxim Gorki Theaters in Berlin.

Ausstellung Bis 26. Januar 2025, geöffnet Di bis So 10 bis 18 Uhr. Lichtentaler Allee 8a, direkt neben dem Museum Frieder Burda.

Keine Kunst mehr in der Kunsthalle Baden-Baden

WechselTrotz Protesten werden in der Kunsthalle Baden-Baden in den kommenden Jahren keine Kunstausstellungen mehr stattfinden. Das verbleibende Team wird dem Badischen Landesmuseum zuarbeiten und die Kunsthalle selbst nutzen. Das zuständige Ministerium will die Zeit nutzen, ein Konzept zu entwickeln, wie es danach mit der Staatlichen Kunsthalle weitergeht.

AusstellungBis 26. Januar 2025, geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr. adr

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Erstellt:
6. Januar 2025, 15:08 Uhr

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