Kurze Wege, eingespielte Teams

Der Tourstart des Impftrucks in der Walterichstadt läuft gut an. Land, Kreis, Stadt, Fachkräfte und ehrenamtliche Helfer ziehen an einem Strang, um am Dienstag 120 Murrhardter, die 80 Jahre und älter sind, mit ihrer ersten Dosis Biontech zu versorgen.

Michéle Hartmann (rechts) hat in der mobilen Arztpraxis des Trucks Platz genommen. Die 81-jährige Murrhardterin ist froh, dass sie die Impfung vor Ort machen kann. Julian Zerrer (Mitte) misst die Temperatur und Ärztin Gryta Alscher (links) beginnt mit der Aufklärung und Beratung. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Michéle Hartmann (rechts) hat in der mobilen Arztpraxis des Trucks Platz genommen. Die 81-jährige Murrhardterin ist froh, dass sie die Impfung vor Ort machen kann. Julian Zerrer (Mitte) misst die Temperatur und Ärztin Gryta Alscher (links) beginnt mit der Aufklärung und Beratung. Foto: J. Fiedler

Von Christine Schick

MURRHARDT. Zuerst wird Temperatur gemessen, dann geht Emma Schmidt-Lawrenz mit Unterstützung ihrer Nachbarin die Treppen des Impftrucks nach oben. Eine Glastür zieht auf, und Krankenschwester Christa Tast vom mobilen Impfteam des Robert-Bosch-Krankenhauses in Stuttgart begrüßt die 80-Jährige. Sie zeigt ihr den Stuhl im überschaubaren Behandlungszimmerchen, in dem Julian Zerrer von den Maltesern und die Ärztin Gryta Alscher auf sie warten. Die Medizinerin macht eine kurze Anamnese und berät zur Impfung. Nach der Einwilligung der Seniorin verabreicht Christa Tast die Dosis. Man geht davon aus, dass der Impfschutz nach vier Wochen voll greift – die zweite Impfung erfolgt in drei Wochen und dann rechnet man noch mal eine Woche. Das Team bittet die Geimpfte aber die AHA-Regeln weiter zu beachten und den Mund-Nasen-Schutz zu tragen, weil nicht klar ist, ob Geimpfte den Virus noch weitergeben können. Die Teammitglieder sind freundlich und entspannt trotz des zügigen Takts, die Routine ist ihnen anzumerken. „Wir sind seit dem 27. Dezember 2020 unterwegs. Ich denke, wenn mich jemand nachts aufwecken würde, könnte ich vermutlich sofort die Stichworte für die Impfaufklärung geben“, sagt Gryta Alscher mit einem Lächeln. Für die Zusammenarbeit und Vorbereitung vor Ort gibt es Lob, einzig die Stufen nach oben zum Truck seien für manchen Senior doch etwas schwierig zu bewältigen.

Für Emma Schmidt-Lawrenz geht es nun mit ihrer guten Seele in die benachbarte Festhalle, wo sie noch 15 Minuten bleiben soll, damit auf mögliche Nebenwirkungen reagiert werden kann. Auch ihr Mann Elmar hat schon seine Impfung erhalten, er ist mit einer Betreuerin vor Ort, da er praktisch nicht mehr sieht, erzählt sie. Es sei für sie sehr gut, die Impfung in Murrhardt machen zu können, auch wenn sie diesen Donnerstag einen Termin in Rot am See hätten wahrnehmen können. Vor Ort sei das viel einfacher. „Die Impfung bedeutet für mich eine gewisse Sicherheit“, sagt sie und dass Besuche nun wieder unbeschwert möglich seien. Das sieht Michéle Hartmann genauso. Die ehemalige Murrhardter Stadträtin findet die Impftrucktour eine „ganz tolle Sache“ und hofft darauf, später wieder in der Volkshochschule Murrhardt Französisch unterrichten, vielleicht sogar auch reisen zu können – in ihre französische Heimat. Eine liebe Person habe sie auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht und so konnte sie sich auf dem Online-Portal für die Impfung anmelden, erzählt die 81-Jährige. Bei Lieselotte und Horst Krüger, ebenfalls in den 80ern, war es die Tochter, die den Termin vereinbart hat und nun den im Waiblinger Impfzentrum absagen wird.

„Meine Söhne waren da hinterher, dass ich mich impfen lasse“, erzählt Dieter Lung aus Fornsbach. Mitarbeiter der Diakonie ambulant haben den 89-Jährigen dann darüber informiert, dass der Impftruck nach Murrhardt kommt, und ihm einen Termin besorgt. Insofern ist die Strategie der Stadtverwaltung aufgegangen. Sie hat vergangenen Freitag die Information breit gestreut – über soziale Netzwerke, die städtische Homepage, Banner, Briefe sowie die Mitarbeiter des besagten ambulanten Pflegedienstes, sodass die Impfberechtigten online über eine Plattform des Kreises (180 Stück) oder Telefon bei der Stadt Murrhardt (60 Stück) einen Termin buchen konnten.

Bürgermeister Armin Mößner freut es, dass die Tour nun mit dem Zwei-Tage-Halt in Murrhardt starten kann. 240 Termine in zwei Tagen bedeuteten einen flotten Zeitplan, alle drei Minuten eine Impfung. Gleichzeitig sei das Verwaltungsteam damit konfrontiert gewesen, dass viele enttäuscht waren, die eben keinen Termin ergattern konnten. Angesichts der ungefähr 900 Murrhardter Impfberechtigten, sprich Senioren im Alter von 80 Jahren und darüber, die nicht im Heim leben, wird deutlich, dass auch nur etwas mehr als ein Viertel nun vor Ort zum Zuge gekommen wird.

Der Landrat sieht die Chance,
das Modellprojekt zu erweitern.

Nach Landrat Richard Sigel sind es im Rems-Murr-Kreis insgesamt rund 30000 Senioren, die 80 Jahre und älter sind, abzüglich der rund 4200 Menschen, die in Heimen leben. Insofern liegt ihm sehr daran, den Impfstoff vor Ort und in die Fläche zu bringen, auch da alte Menschen nicht mehr so mobil sind. So entstand die Idee, solch einen Truck – vier Exemplare gibt es insgesamt in der Bundesrepublik – einzusetzen. Die als mobile Arztpraxis ausgerüsteten Lastwagen waren ursprünglich alle im Land Sachsen gebunden. „Aber wir konnten dann eines der Fahrzeuge loseisen“, sagt Sigel. Nun habe man ihn bis Ende Juni unter Vertrag, mit der Option zu verlängern, wenn das Modellprojekt sich als effektiv und hilfreich erweist.

Der Landrat macht deutlich, dass er ähnlich wie bei der Organisation für eine Infrastruktur in Sachen Schnelltest auch bei der Impfung auf eine gute Vernetzung von Land, Kreis und Kommunen sowie weiterer Partner wie Ärzte und Helfer setzt. Das Ziel: So viele Impfungen auch vor Ort hinzubekommen, wie nur irgend möglich.

Bereits am Wochenende hat Sigel dem Sozialministerium vorgeschlagen, das Modellprojekt Impftruck zu erweitern und auch zusätzliche Impfungen mit dem Impfstoff von AstraZeneca für Menschen unter 65 Jahren zu ermöglichen. „Das Modellprojekt zeigt schon jetzt, wir können vor Ort auf gut funktionierende Strukturen zurückgreifen und wären sofort in der Lage, jeden Tag auch noch weitere Impfungen mit dem Impfstoff von Astrazeneca zu ermöglichen“, sagt Sigel. „Angesichts der zahlreichen Presseberichte am Wochenende, dass wir in Kürze bundesweit mit dem Problem kämpfen werden, dass zwar Impfstoff da ist, wir aber mangels Terminen einen Impfstau bekommen, wollen wir schon jetzt unser Modellprojekt ausbauen. Bis die Arztpraxen diese Aufgabe übernehmen, würden wir das Modellprojekt erweitern und auch AstraZeneca vor Ort verimpfen“, erklärt der Landrat. „Damit könnten wir auch einem der Hauptprobleme, dem Flaschenhals der zentralen Terminvergabe, begegnen, der viele zum Verzweifeln bringt.“

Kilian Rapp, Leiter des zentralen Impfzentrums des Robert-Bosch-Krankenhauses, freut sich, dass die mobilen Teams nun ihre Erfahrung nach den Impfungen in den Heimen weiter einbringen können. „Die Vorbereitung durch die Kommune war super“, sagt er. „Die Unterlagen sind alle da, liegen ausgedruckt vor“, das helfe natürlich auch. Im Kreis der Verantwortlichen und Planer ist man sich einig, dass es wichtig ist, bei den Impfungen Gas zu geben. Jens Steinat, Pandemiebeauftragter der Kreisärzteschaft, lässt keinen Zweifel daran, dass auch die Ärzte entsprechend unterstützen wollen. Sven Knödler, Geschäftsführer des DRK Rems-Murr-Kreis, sagt: „Wir müssen uns auf die Lösung der Probleme konzentrieren.“ Der Impftruck steht für diese Lösungsorientierung, da er dazu beiträgt, mehr Impfungen vor Ort leisten zu können. „Der Impfstoff kann Leben retten.“

Insofern ist der Kreis auch dankbar, dass es vom Land für den Einsatz im Impftruck die Biontech-Dosen zusätzlich gibt. Jetzt heißt es nach den schon festgelegten Stationen in Welzheim, Schorndorf und Backnang, die Tour weiter zu planen. Am 24. Mai könnte man dann einmal durch alle Städte und Gemeinden des Kreises durch sein.

Termine für Senioren ab 80 Jahre gibt es auch im Kreisimpfzentrum

Nach der jetzigen Planung ist der Impftruck 39 Tage unterwegs, somit können 4680 Impfungen erfolgen. Falls die Teams noch schneller werden, ließe sich noch etwas zulegen, sodass ungefähr 5000 Impfungen möglich wären.

Das Landratsamt unterstützt die Kommunen bei Organisation und Vergabe der Impftermine. Die Städte und Gemeinden entscheiden aber selbst, auf welchem Weg sie die Termine vergeben. Die Rathäuser informieren rechtzeitig, sobald die Termine buchbar sind. Bürger sollten sich erst dann beim Rathaus melden, wenn dazu aufgefordert wurde. Das Landratsamt stellt den Kommunen ein Online-Portal zur Verfügung.

In der mobilen Praxis lassen sich zurzeit pro Tag 120 Impfungen realisieren. Pro Wochenende können derzeit nur 235 Dosen Biontech im Kreisimpfzentrum an über 80-Jährige verimpft werden. Für diese Termine kann man sich nur über die 116 117 und die Online-Plattform www.impfterminservice.de anmelden. Inzwischen kann man sich dort für einen Rückruf registrieren lassen – für den Fall, dass wieder Termine frei sind.

Unter der Woche werden im Kreisimpfzentrum inzwischen im Schnitt 1600 Dosen Astrazeneca pro Woche verimpft, unter anderem an Lehrer und Erzieher. Dafür werden unter der Woche täglich neue Termine unter www.impfterminservice.de eingestellt. Erfahrungsgemäß klappt die Buchung direkt nach Mitternacht am einfachsten: Jeweils für denselben Wochentag drei Wochen später. Die Kreisverwaltung hat jedoch keinen Einfluss auf die Terminvergabe.

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Erstellt:
3. März 2021, 06:00 Uhr

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