Heller, Putzmeister, Index & Co.

Maschinenbau in der Region auf der Kippe

Dem Maschinenbau, nach dem Automobilbereich zweitwichtigste Industriebranche der Region, macht der Strukturwandel schwer zu schaffen. Eine Krisentour mit dem IG-Metall-Geschäftsführer Alessandro Lieb zu Unternehmen, die nach neuen Wegen in die Zukunft suchen.

Der IG-Metall-Geschäftsführer Alessandro Lieb (links) und Jörg Löffler, der Betriebsratsvorsitzende bei Putzmeister, vor einer neuen Autobetonpumpe M47-5.

© Matthias Schiermeyer//Redaktion

Der IG-Metall-Geschäftsführer Alessandro Lieb (links) und Jörg Löffler, der Betriebsratsvorsitzende bei Putzmeister, vor einer neuen Autobetonpumpe M47-5.

Von Matthias Schiermeyer

Historische Führungen seien „der Klassiker“, berichtet der Marketingchef auf dem Weg Richtung Ausgang. Vor 131 Jahren wurde das „Handelsgeschäft und Fabrikation“ Heller in Nürtingen gegründet. Noch immer atmet das Gelände mit seinem altehrwürdigen Gebäudemix den Geist einer lebhaften Vergangenheit. Aber wie gut ist das Unternehmen für die Zukunft gerüstet?

Derzeit ist es ruhig – wegen Kurzarbeit und Ferien ist wenig Personal da. Das Gespräch mit dem Betriebsrat findet in einem alten Schulungsraum statt. Auch hier keine Spur von Industrie 4.0, doch die Arbeitnehmervertreter versichern, dass dies in manchen Hallen anders sei. Vor drei Wochen wurde bekannt, dass Heller 224 Stellen abbauen will. Allen hier scheint klar zu sein: Das Unternehmen muss sich verändern. Die Strategie ist nun, die Abhängigkeit vom Auto zu verringern und mehr Universalmaschinen auf gehobenem Preisniveau zu verkaufen.

Das Management soll Perspektiven schaffen

Der Betriebsrat und sein Vorsitzender Stefan Haag zeigen sich überzeugt davon, dass Heller mit seinen hochwertigen Werkzeugmaschinen eine Zukunft hat. Doch die Belegschaft scheint hochgradig verunsichert zu sein. „Viele fragen sich, wie die Zukunft aussieht“, sagt er. Es sei nicht klar, wann das Tal durchschritten sei – und „auf welchem Niveau wir herauskommen“. Etliche Beschäftigte müssten gehen; für sie sei versucht worden, zu retten, was zu retten war. Den Verbleibenden müsse das Management Perspektiven bieten; die Belegschaft solle in der Veränderung eingebunden werden.

„Die bestehenden Prozesse passen noch nicht zur neuen Zielsetzung“, mahnt der IG-Metall-Bevollmächtigte Alessandro Lieb mehr Entscheidungsfreude an. Der 33-Jährige ist oberster Krisenmanager der Gewerkschaft im Landkreis Esslingen, für den der Maschinen- und Anlagenbau mit mehr als 24 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten eine hohe Priorität hat. Lieb ist immer dort unterwegs, wo es brennt, um die Betriebsräte im Verteidigungskampf zu unterstützen.

Derzeit brennt es an vielen Ecken und Enden. In der Region gebe es viele strukturelle Probleme, auch wegen der unternehmerischen Untätigkeit in der Vergangenheit, sagt er. Und nicht nur für Heller gilt seine Devise: „Wir verwehren nicht den Wandel.“ Es gebe vielmehr einiges, was sich verändern müsse.

Bei Putzmeister droht ein Sparprogramm

Schon oft der IG-Metall-Geschäftsführer den Betriebsratsvorsitzenden von Putzmeister, Jörg Löffler, in Aichtal aufgesucht. Es gibt dort viel zu besprechen. Nachdem 2023 noch ein Umsatzrekord verkündet wurde, haben im vorigen Jahr Personalabbau und Arbeitskämpfe den Betonpumpenspezialisten erschüttert. Heute befindet sich der Standort Gründau in der Abwicklung; dort sind nur noch 100 Leute bis Ende März beschäftigt. Und der Betrieb in Heimertingen wurde Ende Februar eingestellt. Es gab Mahnwachen am Hauptsitz. Dennoch wird die Produktion trotz Qualitätsnachteilen sowohl in die Türkei als auch nach Slowenien verlagert. Insgesamt 285 Beschäftigte verlieren ihren Job und gehen – ähnlich wie bei Heller – großteils in eine Transfergesellschaft.

Wegen des Einbruchs im Baugewerbe wird Aichtal nicht verschont: Schon jetzt wird – längstens bis November – Kurzarbeit praktiziert. Und es droht ein Sparprogramm. Was genau, sei „noch nicht greifbar“, sagt Löffler. Ein bunter Strauß von Gerüchten sei im Umlauf. Bisher spreche das Management von einer „Findungsphase“; man wolle aber mit der Arbeitnehmerseite kooperieren.

Auch Betriebsrat und IG Metall sind gesprächsbereit. „Wir wissen nicht, mit was die kommen, bereiten uns aber schon darauf vor“, sagt Löffler. Mit externem Sachverstand werden Alternativkonzepte erarbeitet. Zwei Wochen zuvor hat Lieb beim Betriebsrundgang gehört: „Die Beschäftigten verlassen sich auf den Betriebsrat und uns.“

Der 54-jährige Löffler ist seit 1991 bei Putzmeister, seit zwölf Jahren Vorsitzender des Betriebsrats. Da hat er einige Krisen des Unternehmens miterlebt; aktuell ist es die fünfte. Was sich seither geändert habe, sei die Konkurrenz, sagt er. Günstigere Mitbewerber aus Asien machen dem Weltmarktführer für Betonpumpen, der in der Hand der chinesischen Sany-Gruppe ist, verstärkt zu schaffen. „Technologisch sind wir den Chinesen voraus – aber ist der Kunde bereit, das zu bezahlen?“ Eine Hoffnung nicht nur bei Putzmeister gilt den Milliardenpaketen der künftigen Bundesregierung. „Die deutschen Unternehmen müssen davon profitieren“, fordert Lieb. „Jede Maschine, die mehr herausgeht, hilft.“

Etwas positiver gestimmt zeigt sich Mario Taccogna, der Betriebsratsvorsitzende von Index in Esslingen. Infolge schwacher Auftragseingänge habe sich die Belegschaft mit Kurzarbeit und dem Abbau von Arbeitszeitkonten „durchgekämpft“. Generell habe er eine Krise mit solcher Unberechenbarkeit noch nicht erlebt. Hinzu komme der Missstand, „dass auch im Maschinenbau die eine oder andere Entwicklung verschlafen wurde“. Unter Druck hat Index die große Abhängigkeit von der Automobilindustrie reduziert. Nun „wartet alles auf die Kunden, die sich im vorigen Jahr zurückgehalten haben“. Die Hoffnung auf eine Wende ist fragil.

Am Personal hält Index bisher fest

Die Stimmung, berichtet Taccagno, sei von Unsicherheit geprägt. „Die Leute fragen uns fast täglich, wann die Kurzarbeit aufhört.“ Gerade die Fertigung sei davon hart getroffen. Am Personal werde festgehalten, lobt er, sorgt sich auch, dass zu wenig ausgebildet wird, um den Abgang der Babyboomer rechtzeitig auszugleichen.

Für den IG-Metaller Lieb gibt es auch das: reine Wohlfühltermine, ohne Konfrontation mit einer Talfahrt – bei Belden in Neckartenzlingen etwa, einem Spezialisten für netzwerktechnische Lösungen. Dort läuft es. Bekannt ist der Standort als Werk des Esslinger Antennenspezialisten Hirschmann, der 2007 an Belden verkauft wurde. Vor einem Jahr wurde hier 100-Jähriges gefeiert. Die Transformationsschocks liegen länger zurück, nun wird an der Zukunft gearbeitet.

An der langen Leine der Amerikaner

Das Sagen haben somit Amerikaner, die aber eine lange Leine lassen. Nach den Worten der Betriebsratsvorsitzenden Anastasia Papadopoulou scheint es ohne Reibungen abzugehen. „Wenn ich mich umhöre, was in der Region so los ist, kann ich nichts Negatives sagen.“ Bei Hirschmann hat sie vor 35 Jahren ihre Ausbildung gemacht, seit 2014 ist sie Betriebsratsvorsitzende. „Meine Leute sagen: Gott sei Dank geht es uns noch gut.“ Etwa 700 arbeiten hier – eine Multi-Kulti-Belegschaft. „Wir wachsen“, sagt sie. Gesucht würden vor allem Ingenieure, denn Neckartenzlingen ist ein wichtiger Entwicklungsstandort von Belden – auf der Spur des „Megatrends“ Industrie 4.0. Auch Monteure sind gefragt, etwa von Firmen, in denen die Zeichen auf Abbau stehen – wie Heller.

Sogar die IG Metall fühlt sich als Tarifpartner voll anerkannt. So gestärkt setzt der junge Krisenmanager Lieb auf mehr Zuversicht im Land: „Wir fordern eine nachhaltige Industriepolitik ein“, sagt er. „Wir brauchen aber Arbeitgeber, die das genauso wollen.“Alles werde heute vornehmlich schwarz gemalt, „doch wir haben noch die Chance, weiterhin die Nummer eins zu sein“.

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Erstellt:
14. März 2025, 19:14 Uhr

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