CDU und CSU im Bundestagswahlkampf
Merz und sein Söder-Problem
Friedrich Merz ist der Favorit im Kampf um das Kanzleramt. Den optimalen Start hatte er nicht. Das liegt nicht zuletzt an CSU-Chef Markus Söder.
Von Tobias Peter
Markus Söder weiß, wie man zeigt, dass einen etwas nicht interessiert. Der bayerische Ministerpräsident tippt demonstrativ auf seinem Handy, während Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann im Bundestag auf seine Rede – die erste, die der CSU-Chef dort je gehalten hat – antwortet.
CDU-Chef Friedrich Merz dürfte Haßelmann dafür umso genauer gehört haben. Es sind vor allem zwei Worte, die ihn umtreiben dürften. Sie habe sich gefragt, warum Söder sich auf den weiten Weg aus München aufgemacht habe, um der Regierungserklärung des Kanzlers nach dem Ende der Ampelkoalition zu folgen, sagt Haßelmann. Söder sei eigentlich nach Berlin gekommen, „weil es der Auftakt einer betreuten Kanzlerkandidatur sein soll“, sagt die Grünen-Fraktionschefin schließlich. Gelächter im Plenum.
Eine „betreute Kanzlerkandidatur“
Eine „betreute Kanzlerkandidatur“ durch Markus Söder: das ist genau der Eindruck, der Friedrich Merz auf keinen Fall Recht sein kann. Dennoch ist es einer, den Söder in den vergangenen Wochen mehrfach verstärkt hat. CDU-Chef Merz ist nach dem Scheitern der Ampel der eindeutige Favorit im Rennen um die Kanzlerschaft. Doch auch in der eigenen Partei sind einige der Auffassung, dass der Start nicht optimal gewesen ist.
Das Beispiel Merkel
Merz hat drei Probleme. Erstens geht es um eine Frage, die sich vor allem an ihn selbst richtet: Wie scharfkantig will er auftreten? Seine wichtigsten Unterstützer in der CDU sind die Konservativen und Wirtschaftsliberalen. Doch er war dabei, als Angela Merkel 2005 einen sicher geglaubten Wahlsieg fast aus der Hand gegeben hätte – mit einem ökonomischen Reformprogramm. Danach ist sie zu einem vorsichtigen, oft tastenden Politikstil gewechselt. Auch Merz bleibt eher vage. Hat er womöglich rechtzeitig zum Wahlkampf eine Angela-Merkel-Karnevalsmaske im Schrank entdeckt?
Viele, die Merz auch aus dem kleineren Kreis kennen, sagen, dass er gerade dann seine Stärke entwickelt, wenn er in einen echten Austausch geht. Wenn der 69-Jährige aus dem Sauerland inhaltlich klar Stellung bezieht und zugleich zeigt, dass er zuhören kann. Unterm Strich ist es eine schwierige strategische Frage, wie viel Weichzeichner im Wahlkampf für Merz die richtige Dosis ist. Dafür kann die CSU nichts. Sie macht es aber noch schwieriger für den Unionskanzlerkandidaten, seinen Weg zu finden – eben, weil Söder im Zweifel immer macht, was er will.
Das wird am deutlichsten, wenn es um den zweiten Punkt geht, der Merz vor Probleme stellt: die Frage nach Koalitionen, vor allem mit den Grünen. Die CSU wettert gegen Schwarz-Grün. Für Merz ist klar, dass die Möglichkeit eines solchen Bündnisses mindestens offengehalten werden muss – schon, weil die Union sich nach der Wahl sonst gegenüber der SPD in einer schlechten Verhandlungsposition befinden würde.
Söder setzt sich von Merz ab
In der Talkshow „Maischberger“ sprach Merz eine Selbstverständlichkeit aus. Er schloss nicht aus, dass der bisherige Vize-Kanzler Robert Habeck von den Grünen auch unter ihm als Kanzler Wirtschaftsminister werden könnte. Das ist logisch. In einer Koalition bestimmt jeder Partner seine Minister selbst. CSU-Chef Söder bewies daraufhin vom Rücksitz seines Dienstwagens aus, dass er selbst das dritte – und keinesfalls kleinste – Problem von Merz ist. „Robert Habeck kann keine Wirtschaftspolitik“, sagte Söder in die Handykamera. „Warum sollen die Grünen, warum soll Robert Habeck weiter in der Regierung bleiben?“ Mit der CSU gebe es kein Schwarz-Grün und keinen Habeck als Wirtschaftsminister, so Söder. Deutlicher hätte er sich von Merz kaum absetzen können.
Konter aus dem Dienstwagen
Der CSU-Chef hat gesagt, er sei „fein“ mit der Kanzlerkandidatur von Friedrich Merz. Dass Söder sich selbst für einen guten Kanzler hielte, weiß jeder. Merz ist kürzlich in die Ukraine und nach Polen gereist, auch Söder war gerade erst in Polen. Vor wenigen Tagen kniete der bayerische Ministerpräsident vor dem Denkmal der Helden des Warschauer Gettos. Fast auf den Tag genau 54 Jahre, nachdem Willy Brandt es getan hat.