Österreich-Graffiti in Heiliger Stätte entdeckt

Mittelalterliche Inschriften im Jerusalemer Abendmahlssaal entschlüsselt

Forscher haben mittels digitaler Fotografie mehrere jahrhundertealte Inschriften im Saal des letzten Abendmahls Jesu in Jerusalem entziffert, darunter auch ein steirisches Familienwappen. Die Funde werfen ein neues Licht auf das vielfältige Pilgerwesen des Mittelalters.

Geschnitztes Wappen mit der Unterschrift „Altbach“. Dieses Bild ist nahezu identisch mit dem Wappen der gleichnamigen modernen Stadt in Süddeutschlnd

© Shai HaleviIsrael Antiquities Authority

Geschnitztes Wappen mit der Unterschrift „Altbach“. Dieses Bild ist nahezu identisch mit dem Wappen der gleichnamigen modernen Stadt in Süddeutschlnd

Von Markus Brauer

Einer der heiligsten Orte Jerusalems liegt auf dem Gipfel des Berg Zions. Juden und Muslime gleichermaßen ehren diese Stelle als das Grab des biblischen Königs David. Laut christlicher Überlieferung hat Jesus mit den Aposteln hier sein letztes Abendmahl gehalten. Der von den Kreuzrittern gebaute Saal – bekannt auch als Coenaculum – zieht bis heute Pilger aus aller Welt an.

Im Jahr 1436 pilgerte der Erzherzog und spätere heilige römische Kaiser Friedrich von Habsburg mit Begleitung von 100 österreichischen Adeligen nach Jerusalem. Einer seiner Begleiter war der Steirer Tristram von Teuffenbach. Elemente aus seinem Familienwappen konnten an der Wand des Coenaculums identifiziert werden.

Nun konnte ein internationales Forscherteam unter Beteiligung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der israelischen Behörde für Altertümer (IAA) bislang großteils unbekannte Inschriften, Wappen und Zeichnungen auf den Wänden des Coenaculums dokumentieren und entschlüsseln.

Die Ergebnisse sind im Fachjournal „Liber Annuus“ veröffentlicht, dem Jahrbuch des Studium Biblicum Franciscanum in Jerusalem.

Steirisches Familienwappen in Jerusalem

Die meisten der nun durch digitale Verfahren wieder sichtbar gemachten Inschriften datieren ins Spätmittelalter, als der Abendmahlssaal Teil eines franziskanischen Klosters war. Aus österreichischer Sicht besonders interessant: Im Jahr 1436 pilgerte der Erzherzog und spätere heilige römische Kaiser Friedrich von Habsburg mit Begleitung von 100 österreichischen Adeligen nach Jerusalem.

Einer seiner Begleiter war der Steirer Tristram von Teuffenbach. Elemente aus seinem Familienwappen konnten an der Wand des Coenaculums identifiziert werden. Das Emblem konnte eindeutig der steirischen Region Murau zugeordnet werden.

Siegreicher armenischer König

Neben dem heraldischen Wappen aus der Steiermark zählt die armenische Inschrift „Weihnachten 1300“ zu den wichtigsten Entdeckungen. Sie könnte eine seit dem 14. Jahrhundert offene Frage klären: Erreichten der armenische König Het’um II. und seine Truppen nach der siegreichen Schlacht bei Wādī al-Khaznadār in Syrien am 22. Dezember 1299 tatsächlich Jerusalem?

Das Datum der Inschrift sowie ihre Position hoch oben an der Wand – typisch für die Epigraphik des armenischen Adels – sprechen dafür.

Von besonderer Bedeutung ist auch ein arabisches Inschriftenfragment, das lautet: „ . . . ya al-Halabīya“. Aufgrund der doppelten Verwendung der weiblichen Endung „ya“ schließen die Forschenden, dass es sich um das Graffito einer christlichen Pilgerin aus der syrischen Stadt Aleppo handelt – eine seltene Spur weiblicher Präsenz in der vormodernen Pilgerwelt.

Bunte Pilgergesellschaft

Bemerkenswert sind schließlich auch Inschriften und Signaturen mehrerer bekannter Persönlichkeiten der damaligen Zeit, wie der Regensburger Johannes Poloner, der 1421/22 über seine Pilgerfahrt nach Jerusalem berichtete. Auch eine Kohlezeichnung des Wappens der berühmten Berner Patrizierfamilie von Rümlingen ist dokumentiert.

Neben Armenien, Syrien und dem deutschsprachigen Raum finden sich auch Spuren aus Serbien, Tschechien und von zahlreichen arabischsprachigen Christen aus dem Osten. Damit geben die Inschriften einzigartige Einblicke in die Herkunft der damaligen Pilger:innen.

„Diese Graffiti werfen ein neues Licht auf die geografische Vielfalt und die internationale Pilgerbewegung nach Jerusalem im Mittelalter – weit über die westlich geprägte Forschungsperspektive hinaus“, sagt Ilya Berkovich, Co-Autor der Studie.

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Erstellt:
16. April 2025, 15:50 Uhr
Aktualisiert:
16. April 2025, 18:34 Uhr

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