Konzert im Velodrom
Pink Pony Girl: So war’s bei Chappell Roan in Berlin
Die herrlich schrille US-Sängerin Chappell Roan ist am Montag in Berlin aufgetreten: Setlist und Kritik vom einzigen Deutschlandkonzert im Velodrom.
Von Gunther Reinhardt
Mama entsetzt, was ihr kleines Mädchen da macht. Doch das Mädchen, das längst eine Frau ist, beruhigt sie: „Oh, Mama, ich hab doch so viel Spaß auf der Bühne in meinen Stöckelschuhen, und ich werde weitertanzen im Pink Pony Club“. Mit einer herrlich überkandidelten Pophymne auf die Selbstbestimmung, darauf, das sein können, was immer man sein will, geht dieser aufregende Abend zu Ende. Und 12 000 Menschen singen und tanzen im Berliner Velodrom bei dem Hit „Pink Pony Club“ mit, während die 26-Jährige im roten, mit Pailletten verzierten Lederbody ausgelassen über die Bühne stolziert.
Eine Milliarde Streams und das Lob von Adele
Am Montag hat Chappell Roan ihre einzige Deutschlandshow im Rahmen der „Midwest Princess“-Tour gegeben. Die Aufsteigerin des Jahres, die eigentlich Kayleigh Rose Amstutz heißt, stammt aus Missouri, hat mal erfolglos bei „America’s Got Talent“ mitgemacht. Inzwischen wurden auf Spotify die Songs ihres Debütalbums „The Rise and Fall of a Midwest Princess“ rund eine Milliarde Mal gestreamt. Die Kollegin Adele schwärmt von ihr, und Roan wurde gerade bei den MTV Video Music Awards als beste Newcomerin des Jahres ausgezeichnet.
„Good Luck, Babe“ und „Red Wine Supernova“
Tatsächlich ist Chappell Roan die Entdeckung der Saison und wie Sam Smith oder Girl in Red eine Ikone des Queer-Pop. Viele der Songs, die sie in Berlin spielt, sind wie „Pink Pony Club“ Hymnen der Selbstermächtigung und Selbstverwirklichung.
Während sie sich in ihrem Styling und ihren Outfits an der Dragkultur orientiert, verziert sie musikalisch Indie-, Hyper- und Synthiepop mit ein bisschen Disco. Während der Opener „Femininomenon“ vom R’n’B beseelt ist, dröhnt durch „Naked in Manhatten“ und „My Kink is Karma“ die Gitarre; der Refrain von „HOT TO GO“ kommt wie ein Kinderabzählreim daher, „Red Wine Supernova“mimt den schrillen Partysong. Und bei dem Hit „Good Luck, Babe“ kommt man sich wie so oft an diesem Abend ein bisschen wie bei einer Karaokeparty vor, weil auf der Leinwand hinter der Bühne der Liedtext zum Mitsingen eingeblendet wird.
12000 Besucher und drei Drag-Queens
Das gefällt dem Publikum im fast ausverkauften Velodrom, in dem sich kunterbunt und glitzernd Menschen tummeln, bei denen die Grenzen zwischen den Geschlechtern verschwimmen. Knapp anderthalb Stunden dauert das Konzert Chappell Roans, die auf die genreüblichen Kostümwechsel verzichtet und nur nach dem dritten Lied kurz verschwindet, um bequemere Schuhe anzuziehen. Zwischen den Liedern spricht sie wenig. Nur einmal setzt sie zu einem Monolog an, in dem sie all den Menschen dankt, die sie und die Queerness verstehen. Was sie damit meint, hatte schon das Vorprogramm klargemacht, bei dem nicht irgendwelche Pop-Newcomer auftreten durften, sondern Chappell Roan die Bühne drei Dragqueens überließ. Mama sollte stolz auf sie sein.
Chappell Roan in Berlin: Setlist
- Femininomenon
- Naked in Manhattan
- Super Graphic Ultra Modern Girl
- Love Me Anyway
- Picture You
- HOT TO GO!
- After Midnight
- Coffee
- Kaleidoscope
- Casual
- The Subway
- Red Wine Supernova
- Good Luck, Babe!
- My Kink Is Karma
- Zugaben
- California
- Pink Pony Club