Landkreis Traunstein
Polizist erschießt mutmaßlichen Messerangreifer
Ein 35-jähriger aus Oberbayern soll seine Mutter als Geisel genommen und Polizisten mit einem Messer angegriffen haben. Was auch immer ihn dazu bewog - er zahlte dafür einen hohen Preis.
Von mmf/dpa
Bei einem Polizeieinsatz im oberbayerischen Landkreis Traunstein hat ein Beamter einen 35-Jährigen erschossen. Der Mann war nach Polizeieingaben unvermittelt mit einem Messer auf die Einsatzkräfte losgegangen, als diese wegen einer mutmaßlichen Geiselnahme an seiner Haustür in Grassau klingelten. „Der Angreifer wurde getroffen und erlag seinen Verletzungen“, teilte das Polizeipräsidium Oberbayern Süd nach dem Vorfall vom Montagabend mit.
Den Angaben zufolge hatte der 35-Jährige gegen 19 Uhr in der Einsatzzentrale angerufen und angegeben, seine Mutter als Geisel genommen zu haben. Forderungen habe er dabei keine gestellt und das Gespräch sehr rasch wieder beendet, schilderte ein Polizeisprecher. Im Hintergrund sei lautes Geschrei zu hören gewesen. Deshalb habe man davon ausgehen müssen, dass es sich tatsächlich um eine Geiselnahme handele.
Erschossener wegen Gewaltdelikten polizeibekannt
Darum wurde der Anschluss des Anrufers lokalisiert und mehrere Streifenwagenbesatzungen in den Grassauer Ortsteil Mietenkam entsandt. Etwa eine halbe Stunde nach dem Anruf umstellten die Einsatzkräfte das Einfamilienhaus, in dem sie den 35-Jährigen und seine Mutter vermuteten. Der Mann war der Polizei wegen verschiedener Delikte, darunter auch Gewaltdelikte, bereits bekannt. Weitere Details dazu nannte der Sprecher nicht.
Als die Beamten an der Haustür klingelten, öffnete der Mann diese und griff die Einsatzkräfte den Angaben der Polizei zufolge „sofort und unvermittelt“ mit einem Messer an. Deshalb sei es zum Schusswaffengebrauch gekommen. Dabei sei der 35-Jährige in den Oberkörper getroffen worden und trotz sofortiger Hilfsversuche noch vor Ort gestorben. Die Mutter des Mannes und die beteiligten Polizisten blieben den Angaben zufolge unverletzt, wurden im Anschluss aber psychologisch betreut.
Wie üblich in Fällen, in denen Polizeikräfte schießen, hat das Bayerische Landeskriminalamt (LKA) unter Sachleitung der Staatsanwaltschaft Traunstein die Ermittlungen zu dem Schusswaffengebrauch übernommen. „Nach jetziger Einschätzung der Experten ist ein Schuss gefallen“, erläuterte der Präsidiumssprecher. Abgegeben habe ihn eine männliche Einsatzkraft.
Bisher vier Tote durch Polizeischüsse in Bayern
Tödliche Polizeischüsse sind in Deutschland vergleichsweise selten. Im Durchschnitt kommt es etwa ein- bis zweimal im Monat zu solchen Einsätzen mit Todesfolge. In Bayern sind laut Innenministerium inklusive des Falls in Grassau heuer vier Menschen nach Schüssen der Polizei gestorben, in fünf Fällen wurden Menschen durch Polizeikugeln verletzt. Hinzu kommt ein weiterer tödlicher Schusswaffengebrauch durch Kräfte der Bundespolizei.
Derzeit wird durch das Dezernat 13 des Landeskriminalamts in fünf Fällen untersucht, ob die jeweiligen Beteiligten rechtmäßig geschossen haben. „Die Dauer eines solchen Ermittlungsverfahrens variiert stark und ist zeitlich nicht präzise zu beziffern“, erläuterte das LKA. So dauere die Erstellung etwa von Schussgutachten in der Regel mehrere Monate.
Vergleich zum Vorjahr
Zur Einordnung der Zahlen: 2023 gab es im Freistaat nur einen Toten durch Polizeischüsse, im Jahr davor starben zwei Menschen durch Kugeln aus Polizeiwaffen. Vier Tote durch Polizeischüsse hatte es nach einer inoffiziellen Statistik des Magazins „Bürgerrechte und Polizei“ (CILIP) in Bayern zuletzt 1997 gegeben. Gleichzeitig ist aber auch die Gewalt gegen Polizisten deutlich gestiegen.
Darauf hatte das Innenministerium nach dem vorangegangenen tödlichen Polizeischuss Anfang November in Nürnberg verwiesen. „Die Bereitschaft, Polizistinnen und Polizisten gezielt zu verletzen und sogar deren Tod zumindest in Kauf zu nehmen, hat in den letzten Jahren zugenommen“, hieß es auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Die Zahl der Fälle von körperlicher Gewalt gegen Polizisten sei zwischen 2010 und 2023 um 35,3 Prozent gestiegen. Die Zahl von verletzten Einsatzkräften habe sogar um 86,2 Prozent auf zuletzt 3.050 Verletzte im vergangenen Jahr zugenommen.