Tina Turner-Doku
Powerfrau mit Löwenmähne
„Private Dancer“,„What’s Love Got To Do With It“ oder „Better Be Good To Me“ – Eine Arte-Dokumentation erzählt das Leben der Rockikone Tina Turner anhand ihrer größten Songs nach.
Von Cornelia Wystrichowski
Sie war mehr als nur eine berühmte Sängerin, sie war eine Ikone: Tina Turner. Und das lag nicht nur an Songs wie „Proud Mary“ oder „Private Dancer“, mit denen die Ausnahmekünstlerin jahrzehntelang Bühnen und Charts rockte, sondern auch an ihrer eindrucksvollen Biographie: Es ist die Geschichte einer weiblichen Selbstermächtigung. Arte widmet sich nun der Musikerin: Der Beitrag „Tina Turner – My Songs. My Life“ schildert anhand von Schlüsselsongs das Leben der Powerfrau mit der Löwenmähne, die 2023 mit 83 Jahren starb.
Schicksalhafte Begegnung mit ihrem gewalttätigen Ehemann
Die knapp einstündige Dokumentation ist eine routinierte Collage, die vornehmlich aus Interviewszenen mit Tina Turner und langjährigen Weggefährten sowie Archivmaterial besteht. Autorin Schyda Vasseghi lässt ihre Story 1984 beginnen, als Tina Turner mit dem Song „What’s Love Got To Do With It“ ihren ersten Megahit als Solokünstlerin hatte und endgültig aus dem Schatten ihres Ehemannes Ike Turner heraustrat. Erst danach zeigen Rückblenden, durch welche Täler die Rockröhre zuvor gegangen war.
Unter dem bürgerlichen Namen Anna Mae Bullock wurde sie 1939 in Tennessee geboren – als Kind einer schwarzen Baumwollpflücker-Familie zur Zeit der Rassentrennung stand ihr die Welt nicht gerade offen. Im Kirchenchor lernte das talentierte Mädchen singen, später traf sie den Musiker Ike Turner – eine schicksalhafte Begegnung. Die beiden traten zusammen auf, hatten Hits wie „Nutbush City Limits“ oder „River Deep – Mountain High“ und heirateten schließlich.
Es war der Beginn einer Leidenszeit, die Schyda Vasseghi schildert, ohne Tina Turner dabei in die Opferrolle zu schieben. Der gewalttätige Ike tyrannisierte, schlug und vergewaltigte seine Frau, Jahre später gestand sie, dass sie sich 1968 mit Schlaftabletten das Leben nehmen wollte.
Erst 1976 hatte sie die Kraft und den Mut, Ike zu verlassen, und startete ihre Solokarriere. Ihr Album „Private Dancer“ von 1984 zählt mit mehr als 20 Millionen verkauften Exemplaren und Hits wie „Better Be Good To Me“ zu einem der meistverkauften Alben aller Zeiten.
Interviewsequenzen mit Weggefährten und Ausschnitte ihrer Auftritte tragen die Doku
Viel Neues über Tina Turner vermag der Film zwar nicht zu vermitteln, aber speziell in den Interviews mit schwarzen Künstlerinnen wie der Rockmusikerin Honeychild Coleman wird deutlich, welche Vorbildfunktion sie hatte. Mitreißend sind auch die vielen Ausschnitte aus Auftritten Tina Turners von den Anfängen ihrer Karriere bis hin zu ihrer letzten Tournee 2009, als sie mit 69 Jahren immer noch als Energiebündel auf der Bühne stand. Mit ihrer kraftvollen Erscheinung, den ultrakurzen Miniröcken, hohen Schuhen und individuellen Dance-Moves war Turner immer auch Stilikone und Sexsymbol.
Als Tina Turner 2023 starb, hatte sie ein bewegtes Leben hinter sich, das von der Zeit der Rassentrennung bis zur MTV-Ära reichte und den Rahmen einer 50-minütigen Dokumentation leicht sprengen könnte. Deshalb war es ein vernünftiger Schachzug von Schyda Vasseghi, nicht auf Vollständigkeit abzuzielen, sondern sich auf Fakten zu beschränken, die in direktem Zusammenhang mit der musikalischen Karriere der Rocklegende stehen. Trotzdem hinterlässt es ein leises Gefühl von Unvollständigkeit, dass in dem Beitrag so viele private Aspekte höchstens gestreift werden.
Der frühe Tod von zwei Söhnen Tina Turners etwa, oder die Tatsache, dass die Musikerin mit der unverwechselbaren Stimme den USA ganz den Rücken kehrte, 2013 die Schweizer Staatsbürgerschaft annahm und mit ihrem deutschen Lebensgefährten Erwin Bach bis zu ihrem Tod am Zürichsee in der Schweiz lebte. Andererseits wirkt die vorbehaltlose Begeisterung, mit der alle Interviewpartner über die Rock-Ikone sprechen, ansteckend – und die Musik klingt noch lange nach.
Tina Turner – My Songs. My Life: Sonntag, 28.7., 22.05 Uhr, Arte und in der Arte-Mediathek.