„Wenn Sie wollen, auch als Kanzler“
Robert Habeck verkündet seine Kandidatur für die Grünen
Mit einem Video hat Robert Habeck offiziell bekannt gegeben, dass er sich von seiner Partei zum Kandidaten seiner Partei nominieren lassen will. Er betont darin: Ob er Kanzler werde, könnten nur die Bürger entscheiden.
Von Rebekka Wiese
Er macht es am Küchentisch. In schwarzem Pullover sieht man Robert Habeck dort sitzen. Ernst schaut er in die Kamera und sagt: „An einem Küchentisch wie diesem habe ich vor 22 Jahren gesessen und mich entschieden, in eine Partei einzutreten. Weil mich das, was in unserem Land geschieht, etwas angeht.“ Und schließlich spricht er aus, was längst erwartet worden war: „Ich bin bereit, meine Erfahrung, meine Kraft und meine Verantwortung anzubieten. Wenn Sie wollen, auch als Kanzler.“
Mit diesem Online-Video hat Robert Habeck, Vizekanzler, Bundeswirtschaftsminister und ehemaliger Parteichef der Grünen, am Freitagnachmittag seine Kandidatur verkündet. Er skizzierte darin erste Themen, die seinen Wahlkampf prägen dürften – unter anderem innere und äußere Sicherheit, Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit sowie Investitionen in Infrastruktur und Bildung.
Zeit wurde eng
Dass Habeck kandieren will, war lange bekannt. Nur offiziell verkündet war es nicht. Dabei blieb ihm nicht mehr viel Zeit. Schon Ende der kommenden Woche trifft sich seine Partei zur Bundesdelegiertenkonferenz in Wiesbaden, wo er nominiert werden soll. Anfang der Woche hieß es noch in Medienberichten, dass Habeck seine Entscheidung am Donnerstag bekannt geben wollte. Doch es kam anders. Am Mittwochabend verkündete Bundeskanzler Olaf Scholz, dass er FDP-Chef Christian Lindner als Bundesfinanzminister der Regierung entlassen habe. Es war das Ende der Ampelkoalition. Und der Tag danach kein guter, um eine Kandidatur zu verkünden.
Und trotzdem konnte man am Mittwochabend schon erahnen, wie sich Habeck als Kanzlerkandidat geben will. Als er nach dem gescheiterten Koalitionsausschuss vor die Presse trat, wirkte er fast staatstragend. Über Lindner verlor er kein Wort, stattdessen sprach er über Deutschlands besondere Rolle in Europa, über Geschlossenheit und Handlungsfähigkeit.
Immer wieder Video-Reden
Es ist nicht Habecks erster Auftritt dieser Art. Man konnte ihn in den vergangenen Jahren immer wieder so sehen – besonders in seinen Videos, die er regelmäßig für die sozialen Medien aufnimmt. Nach dem die Hamas Israel angegriffen hatte, sprach er in einem dieser Clips über den Antisemitismus auf deutschen Straßen. Mehr als 42 Millionen Mal wurde das Video in den ersten zwei Wochen danach gesehen. Es sei die Rede gewesen, die sich in viele vom Kanzler gewünscht hätten, hieß es danach oft. Das dürfte Habecks Gedanke gewesen sein.
Doch das ändert nicht, dass seine Ausgangslage im Wahlkampf extrem ungünstig ist. In Umfragen lagen die Grünen zuletzt bei neun Prozent – und damit näher an der Fünf-Prozent-Hürde als am Kanzleramt. Die Partei steckt aber nicht nur selbst in einer Krise, sie ist auch Teil einer äußerst unbeliebten und nun offiziell gescheiterten Ampelkoalition. Habeck wiederum zählt als Vizekanzler und Wirtschaftsminister zu den wichtigsten Gesichtern dieses Regierungsbündnisses. Und nun zu dem, was davon übrig ist.
Problem Wirtschaftskrise
Auch die Wirtschaftskrise liegt in seiner Verantwortung. Die mag zwar mit dem Krieg in der Ukraine zusammenhängen. Aber als Wirtschaftsminister wäre es seine Aufgabe gewesen, eine Antwort darauf umzusetzen. Habeck hatte lange gehofft, dass ihm das noch gelingen würde. Doch dazu kam es nicht.
Habeck steht jetzt vor der Aufgabe, erst seine Partei und dann den Rest des Landes von sich überzeugen zu müssen. Dass er viele Entscheidungen in der Regierung allein traf, ohne die Partei oder die Fraktion einzubinden, haben ihm manche Abgeordnete verübelt – allerdings nicht in einem Ausmaß, dass er es fürchten müsste. Die allermeisten Grünen stehen hinter Habeck. Zumal sie nach dem Wahlkampf 2021 gelernt haben, wie wichtig Geschlossenheit für die Partei ist. Auf keinen Fall will man sich nun einen Kampf zwischen den Lagern leisten.
Habecks altes Erfolgsprinzip war es, alle Seiten mitzunehmen – und damit auch die zu erreichen, die ihn eigentlich nicht mögen. Das ist inzwischen schwieriger denn je und es ist nicht klar, ob es ihm unter den heutigen Bedingungen gelingen wird. Er kenne die Umfragen und er wisse, dass die Ampelregierung gescheitert sei, betont Habeck auch in dem Küchentisch-Video. „Ich weiß, einen Führungsanspruch muss man sich erarbeiten. Ich will ihn mir erarbeiten.“ Es dürfte noch viel Arbeit auf ihn warten.