Sinnliche Lektüre zur Weihnachtszeit
Die Stuttgarterin Ines Witka schreibt erotische Geschichten. Womöglich ist ihr neues Buch auch ihr letztes – die Branche ist ein schmutziges Geschäft
Von Frank Rothfuß
Stuttgart - Was man Ines Witka zu Weihnachten schenkt? Nun, einer ihrer Berufe scheint ihre Freunde besonders zu inspirieren. Wer erotische Geschichten schreibt, der bekommt Stiefel, rote Lippen, Dessous und Tangas – als Weihnachtskugeln. Sie hat sie in ein Adventsgesteck gehängt, passend zu ihrem neuen Buch „Schneeschmelze“. Trägt es doch den Untertitel: „Sinnliche Geschichten für kalte Wintertage.“ Nun, kalt ist es draußen, und auch ziemlich ungemütlich.
Nun könnte man auch Schneeschippen, damit einem warm wird. Witka hält es da eher mit Lesen. Besinnliche Weihnacht ist bei ihr auch sinnliche Weihnacht. Die Adventszeit hat sie mit ihrer Premierenlesung in der Erotik-Boutique Frau Blum von Mascha Hülsewig und Alexandra Steinmann im Stuttgarter Westen eingeläutet. Sehr passend, denn da gibt es den Adventskalender zu erwerben, bestückt mit Handschellen, Peitsche, Vibrator, Liebeskugel oder Masturbator. Der in ihrem Buch eine Hauptrolle spielt. Ein Paar öffnet jeden Tag ein Türchen, und was dann passiert, beschreibt Witka. Auf dass einem warm werde.
Ihr neues Buch hat sie selbst verlegt. Doch zur erotischen Literatur hat sie ein Verlag verführt. Verlagswirtschaft hat sie studiert und kreatives Schreiben, als freie Trainerin und mit der Gestaltung von Ausstellungen ihr Geld verdient. Da kam der Schwarzkopf & Schwarzkopf-Verlag auf sie zu, beauftragte sie mit einem Buch über die Dienstleistungen eines Escort-Service, eine wie das in der Eigenwerbung heißt „anspruchsvollen Form der käuflichen Erotik“. Für „Stell dir vor, ich bin deine heimliche Geliebte“ , interviewte Witka Frauen und Männer.
Das Buch verkaufte sich. Also folgten weitere. Bei „Die Nacht der Masken. Wahre Geschichten von der exklusivsten Erotikparty der Welt“ zeichnete sie noch auf, was andere erlebten. Dann ließ sie die eigene Fantasie spielen und schrieb Romane. Was sich gut vertrug mit ihrer Haltung als Feministin. Ein selbstbestimmtes Leben schließt auch selbstbestimmte Sexualität ein. So passt auch ihr Portfolio zusammen: „Eine Familie macht Karriere: gleichberechtigt Beruf, Kinder und die Liebe vereinen“ steht da neben „Dirty Writing – Vom Schreiben schamloser Texte“.
So schamlos und damit quotenversprechend war das wohl im Auge des Privatfernsehens, dass sie für eine Serie angeheuert wurde. Die mehr oder weniger prominenten Frauen Giulia Siegel, Linda Nobat, Edith Stehfest und Arielle Rippegather waren für Joyn in einem Berliner Loft, Witka sollte ihnen ein paar Tipps und Tricks an die Hand geben, wie sie eine erotische Kurzgeschichte schreiben können. Das taten sie, die Meisterin war zufrieden: „Die haben sich ganz gut angestellt, das war eine interessante Erfahrung.“
Die Damen konkurrieren nicht untereinander. Konkurrenz kommt allerdings von anderer Seite. Unter dem Label Erotik wird mittlerweile harte Pornografie vertrieben. Wo sie andeutet, mit der Fantasie spielt, wird anderswo ausbuchstabiert. „Meine Bücher finden sich nun in einer Ecke, wo sie nicht hingehören“, sagt sie. Nämlich in der Schmuddelecke der Online-Händler. Wo ihre Kundschaft sie nicht vermutet – und nicht findet. Anders als bei den örtlichen Buchhändler sortiert da der Algorithmus das Programm. Es hat also gar keinen Sinn sich zu beschweren. „So werde ich nicht weitermachen“, sagt sie, „Pornografie will ich nicht schreiben.“ Dann lässt sie es lieber. Und konzentriert sich auf andere Projekte. Was das sein wird? Das will sie auf sich zukommen lassen. Jetzt wird erst einmal sinnliche Weihnacht gefeiert.