Erderwärmung und Klimakrise
So entstehen und wirken Treibhausgase
Geht es um die Klimakrise, bekommt Kohlendioxid stets die größte Aufmerksamkeit. Doch andere die Erde aufheizende Gase werden oft wenig beachtet. Dabei erzeugt die Menschheit zum Teil immer größere Menge von ihnen.
Von Markus Brauer/dpa
Durch den Einfluss des Menschen ist es im Laufe der vergangenen 100 Jahre zu einem deutlichen Anstieg sogenannter Treibhausgase in der Atmosphäre gekommen. Sie tragen zur weltweiten Erwärmung der Erde bei. So entstehen und wirken die Treibhausgase. Ein Überblick:
Kohlendioxid: CO2-Emissionen erreichen Rekordmenge
- Treibhauseffekt: Kohlendioxid (CO2) ist zu über 50 Prozent für den anthropogenen, also durch Menschen verursachten, Treibhauseffekt verantwortlich. Das farblose Gas entsteht bei der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas, aber auch bei Brandrodungen. CO2 ist zwar auch ein natürlicher Bestandteil der Luft, doch ist der Anteil des Gases durch den Einfluss des Menschen in den vergangenen 100 Jahren massiv angestiegen.
- Rekordwerte: Die Konzentration der klimaschädlichen Treibhausgase in der Atmosphäre kletterte in den vergangenen Jahren von Rekord zu Rekord. Das wichtigste davon, Kohlendioxid (CO2), erreichte 2023 eine markante Marke: Die Konzentration lag 50 Prozent über dem vorindustriellen Niveau, wie die Weltwetterorganisation (World Meteorological Organization, WMO) in Genf berichtet. 2024 hat sich der Anstieg fortgesetzt. „Trotz jahrzehntelanger Warnungen der Wissenschaftsgemeinde, trotz Tausender Berichtsseiten und Dutzenden von Klimakonferenzen bewegen wir uns immer noch in die falsche Richtung“, warnt WMO-Chef Petteri Taalas.
Methan: Zweitgrößte Treiber der Erderhitzung
- Erderwärmung: Auch die Treibhausgase Methan (CH4) und Lachgas (N2O) erreichten 2023 Rekordwerte. Das Gas Methan (CH4) ist erheblich an der Erderwärmung beteiligt. Es ist nach Kohlendioxid (CO2) der zweitgrößte Treiber der Erderhitzung und kurzfristig gut 80 Mal stärker als CO2. Seit der industriellen Revolution hat Methan nach Schätzungen zu etwa 30 Prozent zur Klimaerwärmung beigetragen.
- Schneller Abbau: Methan ist ein sehr wirksames Treibhausgas: Auf 20 Jahre gerechnet ist es rund 85 Mal so klimawirksam wie CO2. Etwa 60 Prozent des Methans in der Atmosphäre gehen auf menschlichen Einfluss zurück. Etwa 40 Prozent dieser Emissionen entstehen der Internationalen Energieagentur (IEA) zufolge in der Energiewirtschaft. Während CO2 aber hunderte Jahre in der Atmosphäre bleibt, baut sich Methan nach etwa zwölf Jahren langsam ab. Wenn der Ausstoß verringert wird, wäre der Beitrag zur Eindämmung der klimaschädlichen Treibhausgase schnell deutlich spürbar.
- Entstehung: Methan entsteht, wenn organische Stoffe zersetzt werden: in Sümpfen oder in Mägen von Wiederkäuern. Eine Kuh, an die täglich fünf Kilo Heu verfüttert werden, produziert 191 Liter Methan am Tag. Rinderzucht verschärft damit den Treibhauseffekt. Zum Methan-Anstieg tragen aber auch Nassreisanbau, Verbrennung von Biomasse, Mülldeponien sowie Verluste bei Förderung und Transport von Erdöl und Erdgas bei.
Lachgas: Gülle, Dünger und fossile Energie
- Starker Anstieg: Die Menschheit produziert zunehmend mehr klimaschädliches Lachgas. Distickstoffmonoxid oder N2O, wie der wissenschaftliche Begriff heißt, ist nach Kohlendioxid und Methan das drittwichtigste Treibhausgas. In den vier Jahrzehnten seit 1980 seien die von Menschen verursachten Lachgas-Emissionen um etwa 40 Prozent gestiegen, heißt es in der umfangreichen Analyse („Global Nitrous Oxide Budget 1980-2020“) des Forschungsverbunds Global Carbon Project unter Leitung des Boston College in den USA. In den zuletzt untersuchten Jahren 2020 und 2021 seien es besonders hohe Werte gewesen.
- Dünger: Riesige Mengen an N2O entstehen aus Versehen, etwa durch das Düngen von Feldern oder beim Verbrennen von fossilen Energieträgern. Und gelangen so in die Atmosphäre. Auf natürliche Weise gelangt Lachgas ebenfalls in die Luft. Zwei Drittel der derzeitigen Emissionen sind den Experten zufolge darauf zurückzuführen. Diese Menge wird aber normalerweise wieder abgebaut. In diesen natürlichen Stickstoff-Kreislauf der Erde haben die Menschen eingegriffen. Sie nutzen den Stickstoff der Luft (also N2, nicht N2O), um daraus in einem chemischen Verfahren Dünger herzustellen. Hinzu kommt die Gülle, die auf Weiden gelassen oder auf Feldern ausgebracht wird. Wird all dieser Dünger nicht vollständig von den Pflanzen aufgenommen, kann er sich direkt in Lachgas verwandeln oder später in die Atmosphäre gelangen.
- Verursacher: Insgesamt ist die Landwirtschaft der Studie zufolge für 74 Prozent des menschlichen Lachgas-Ausstoßes verantwortlich. Vor allem in Ländern, in denen die Bevölkerung um viele Millionen gewachsen ist, sind die Lachgas-Emissionen in den vier untersuchten Jahrzehnten stark angestiegen, darunter besonders in China und Indien. In Europa hingegen ist der Ausstoß zurückgegangen, unter anderem, weil weniger fossile Brennstoffe verwendet wurden und die chemische Industrie ihre Prozesse geändert hat.
Schwefelhexafluorid: Brandgefährlich und langlebig
- Verwendung: Das fluorierte Gas Schwefelhexafluorid (SF6) ist ein ausgezeichneter Isolator und kommt daher seit den 1990er Jahren in vielen Produkten vor – vor allem in der Hochspannungsindustrie, aber auch in der Halbleiter-, Aluminium- und Magnesium-Industrie, in Sportschuhen, doppelt verglasten Fenstern, Autoreifen und Klimaanlagen. Das Gas ist nicht brennbar, ungiftig und zerstört nicht die Ozonschicht in der Atmosphäre.
- Treibhausgas-Zeitbombe: Schwefelhexafluorid ist allerdings ein hochpotentes Treibhausgas und klimaschädlicher als alle anderen bisher bekannten Treibhausgase, einschließlich CO2. Zwar stößt die Menschheit erheblich weniger SF6 aus als CO2, ersteres verbleibt jedoch deutlich länger in der Atmosphäre – rund 1000 Jahre lang. „Das Gas sammelt sich in der Atmosphäre und wird das Klima für Hunderte von Jahren erwärmen – eine Treibhausgas-Zeitbombe“, erklärt Martin Vojta von der Universität Wien.
- Emissionen: Im Kyoto-Protokoll haben sich die Länder der Vereinten Nationen zwar 1997 verpflichtet, ihre ausgestoßenen Mengen an Treibhausgasen jährlich zu melden, darunter auch die SF6-Emissionen. Wie groß ist nun die Lücke zwischen den bekannten und gemeldeten Emissionswerten und den realen SF6-Emissionen? Dieser Frage ist jüngst ein Forscherteam der Universität Wien in einer Studie, veröffentlicht im Fachmagazin „Atmospheric Chemistry and Physics“, nachgegangen. Dabei zeigte sich: In keinem der Länder stimmen die von 2005 bis 2021 gemeldeten SF6-Emissionen mit den realen Messungen überein.
- Hauptquellen: So waren in den USA die tatsächlichen jährlichen Emissionen in diesem Zeitraum durchschnittlich doppelt so hoch wie die offiziell gemeldeten. In der EU wurde 2005 beispielsweise circa 40 Prozent mehr SF6 an die Atmosphäre abgegeben als offiziell gemeldet. Tatsächlich hätten alle Länder ihre Emissionen massiv unterschätzt, und zwar teilweise um mehr als die Hälfte, erklären die Experten. Insgesamt identifizierten die Forscher vier Hauptquellen von Schwefelhexafluorid: „Die höchsten SF6-Emissionen sind in den USA, Europa, China und Indien zu verzeichnen, während die Emissionen in Südamerika, Afrika und Australien geringer sind.“
Fluorchlorkohlenwasserstoffe: Doppelt gefährliches Treibhausgas
- Doppelt gefährlich: Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) haben die höchste Treibhauswirkung pro Molekül. Diese künstlich hergestellten Substanzen sind deshalb doppelt gefährlich, weil sie zum einen das Klima anheizen und zum anderen die Ozonschicht zerstören welche die gefährliche Sonnenstrahlen herausfiltert.
- Verbot: Das Montreal-Protokoll gilt als Meilenstein des Umweltschutzes. Am 16. September 1987 unterzeichneten zunächst 24 Nationen – darunter auch Deutschland – im kanadischen Montreal ein Abkommen zur Rettung der Ozonschicht. Sie verpflichteten sich, die Produktion von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) und anderen ozonzerstörenden Substanzen zuerst einzudämmen und schließlich vollständig zu stoppen. Bis dahin waren FCKW jahrzehntelang massenhaft als Treibgase in Sprays, als Kühlmittel oder bei der Schaumstoffproduktion zum Einsatz gekommen.
- Erwärmung und Eisverlust: Durch eine dünnere Ozonschicht dringt mehr ungefiltertes UV-Licht auf die Erde, was zu Augen- und Hautschäden bis hin zu Hautkrebs führen kann. In der EU sind Produktion und Verbrauch seit 1991 verboten. FCKW wirken auch als Treibhausgase. Einer 2020 vorgestellten Untersuchung zufolge verursachte die Freisetzung der Substanzen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts etwa ein Drittel des bis 2005 gemessenen globalen Temperaturanstiegs. In der Arktis ging sogar die Hälfte der Erwärmung und des Eisverlustes in dieser Zeit auf das Konto der Ozonkiller, berichteten Forscher im Fachmagazin „Nature Climate Change“.
Ozon: Luftverschmutzung und Waldbrände
- Abgase: Bodennahes Ozon (O3) ist zu etwa sieben Prozent für den Treibhauseffekt verantwortlich. Das farblose und giftige Gas Ozon ist eines der wichtigsten Spurengase in der Atmosphäre. Die in einer Höhe von 20 bis 30 Kilometern in der Stratosphäre bestehende natürliche Ozonschicht schützt die Erde vor der schädlichen Ultraviolettstrahlung der Sonne. Das Treibhausgas Ozon entsteht – im Gegensatz zum atmosphärischen Ozon – nicht auf natürliche Weise, sondern durch Luftverschmutzung in Ballungsgebieten. Bodennahes Ozon bildet sich aus Stickstoffverbindungen und Kohlenwasserstoffen, die von der Industrie und dem Autoverkehr stammen.
- Ozonschicht: Die Ozonschicht in 15 bis 30 Kilometern Höhe wirkt wie ein Filter für die Hautkrebs auslösenden ultravioletten (UV) Strahlen. Seit Jahrzehnten entsteht über der Antarktis nach dem dortigen Winter – wenn die Bedingungen für einen Abbau der Ozonschicht herrschen – für einige Monate ein Ozonloch. Die Ozonschicht regeneriert sich dank des Montrealer Protokolls aus dem Jahr 1987. Mit diesem internationalen Vertrag wurde die Produktion zahlreicher Stoffe, welche die Ozonschicht schädigen, schrittweise eingestellt.
Die Stabilität dieser lebenswichtigen Schicht der Atmosphäre steht nun allerdings vor einer neuen globalen Herausforderung. Während der australischen Waldbrände 2019/2020 stellten Forscher einen dramatischen Anstieg stratosphärischer Aerosole fest. Dabei handelt es sich um winzige Partikel, die nicht nur die Gesundheit und das Klima, sondern auch die Chemie der Atmosphäre und somit auch die Ozonschicht beeinflussen.