Spannungsfeld Seitensprung
Das Theaterstück „Illusionen einer Ehe“ präsentiert sich als realistische Verhaltensstudie
Szenen einer Ehe aus der Schickimickiszene brachte das Tournee-Theater Stuttgart im Kulturhaus Klosterhof auf die Bühne. „Illusionen einer Ehe“ heißt das Stück von Eric Assous, die Regie hatte Jana Kirsch. Obgleich in vieler Hinsicht desillusionierend, ist es doch trotz aller Geradlinigkeit, Abgründigkeit und allem Wortwitz eine realistische Verhaltensstudie länger verheirateter Paare.
Von Petra Neumann
MURRHARDT. Der Alltag beginnt wie immer. Mit einem Frühstück. Felix (Klaus Ellmer) liest die Zeitung und ignoriert die zärtliche Koketterie seiner Frau Ada (Dorothea Baltzer). Ein Fehler, denn jetzt reicht es ihr. Unverblümt fragt sie ihn nach seinen Affären, und obgleich er sich zunächst dreht und windet, spuckt er es schließlich aus: zwölf flüchtige Bekanntschaften waren es, nicht der Rede wert. Doch als Gegenleistung muss sie ihm ihre Seitensprünge beichten und ihre Bekenntnisse sind für ihn ein Schock. Es war nur eine mit einem Mann und eine mit einer Frau wie sich später herausstellt. Bei so viel Treue hat der Zufallsgenerator der Oberflächlichkeit keine Chance, sodass Felix mit viel Eifersucht reagiert, doch so sehr er sich bemüht, sie wird ihm den Namen ihrer neunmonatigen Liaison nie verraten.
Zunächst tippt Felix auf den Tennispartner Erik (Dirk Deininger), der nicht nur frisch geschieden ist, sondern auch fristlos entlassen wurde und noch in der Trauerphase steckt. Flugs und mit wenig guten Hintergedanken lädt er ihn zum Mittagessen ein. Während Felix oberflächlich gesehen der erfolgreiche Geschäftsmann und Charmeur ist, stellt Erik den Versager auf ganzer Linie dar, denn er kann sich weder den Verbalspitzen Felix’ noch Adas erwehren.
Raffiniertes Spiel mit der Erwartungshaltung des Publikums
Raffiniert spielt der Autor mit der Erwartungshaltung der Zuschauer. War er die große Liebe Adas oder etwa nicht, denn auch er hatte eine längerfristige außereheliche Verbindung, die er ebenso geheim hält. Erst im Laufe des Spiels stellt sich heraus, dass Felix mit Eriks Ex-Frau Brigitte, die als sehr selbstbewusst und arrogant geschildert wird, also ein Muss für den Jagdtrieb des erfolgsgewohnten Mannes ist, eine Beziehung hatte. Mit seiner Eifersucht zerstört Felix die Beziehung zu seinem Freund, der schließlich frustriert das Weite sucht. Die Ehe zwischen den beiden untreuen Ehepartnern geht jedoch weiter wie bisher, mit einem entscheidenden Unterschied. Von nun an hat Ada eine sehr wirksame Waffe im Köcher – das Geheimnis um den Namen ihres Ex-Lovers.
Das Werk selbst hat einige starke Momente, gerade wenn der Autor tief in die Psyche seiner Landsleute sowie aller westlichen Eheleute geschaut hat. Das brachten die drei Schauspieler, allen voran Dorothea Baltzer, sehr gut rüber. Da ist auch ein bisschen Ennui – Langeweile, Überdruss – mit im Spiel, der den verwöhnten Wohlstandsmenschen so anfällt. Ohne Notwendigkeit zerstört er das, was ihm lieb sein sollte. Insofern laden die „Illusionen einer Ehe“ durchaus zum Nachdenken ein.
Klaus Ellmer wählt sein Programm selbst aus und hat einige Zwei- und Dreipersonenstücke im Repertoire. „Ansonsten wird es mühsam, einen gemeinsamen Termin für eine Aufführung zu finden, weil jeder Schauspieler gleichzeitig in mehreren Inszenierungen mitspielt“, erklärte er. Es war nicht das erste Mal, dass er in Murrhardt war und wiederum gefielen ihm die Atmosphäre im Aufführungsraum sowie die Aufmerksamkeit des Publikums. „Mir ist das lieber, vor wenigen, aber interessierten Leuten zu spielen, als andersherum.“