Stuttgarter Architekten backen ihre Stadt
20 renommierte Stuttgarter Architekturbüros werden zur Weihnachtsbäckerei und bauen Stuttgart in Lebkuchen nach: Vom Fernsehturm bis zum Stadion – welches Büro hat die Jury überzeugt?
Von Andrea Jenewein
Stuttgart - Eisbonbons. Diese blaue Farbe, dieser Geschmack von Pfefferminze, Menthol, Zitrusfrüchten und ein Hauch von Süße. Eine Kindheitserinnerung, vor allem an die damalige Winterzeit. Wie auch der Geruch von Lebkuchenhäusern.
Was für ein Gedankensprung, mag man da nun denken. Doch tatsächlich sind Eisbonbons und Lebkuchenhäuser spätestens seit dieser Vorweihnachtszeit eine süße Verbindung eingegangen. Denn erhitzt, geschmolzen und dann wieder erkaltet kann man die Eisbonbonmasse dafür verwenden, sie in kleinen, quasi gefrorenen Wasserfällen von einem mehrstöckigen Lebkuchenhaus stürzen zu lassen.
Die Idee für diese Eisbonbon-Kaskaden hatten die 4a Architekten, ein Stuttgarter Büro, das vor allem Sport- und Freizeitbäder sowie Thermen realisiert. Zusammen mit 18 weiteren renommierten Architektenbüros aus Stuttgart sowie einem Architektenbüro aus Schwäbisch Hall nahmen die 4a Architekten an einem Architekturwettbewerb der etwas anderen Art teil. Denn der auch in Stuttgart ansässige Designermöbelladen Smow hatte zusammen mit USM, einer Firma, die Möbelbausysteme herstellt, Architekten dazu aufgerufen, Lebkuchenhäuser zu entwerfen und zu bauen.
USM hatte zu solch einem Wettbewerb bereits ein oder zwei Jahre zuvor in Frankfurt aufgerufen. „Wir aber haben gedacht: Wir können das besser“, sagt Kathrin Axmann, zuständig für den Vertrieb bei Smow. Die Architekten wurden angeschrieben und zu dem Wettbewerb eingeladen, locken sollte als Preis für den ersten bis dritten Platz jeweils ein Firmenevent: eine Weinprobe, ein Maultaschenabend und ein französisches Frühstück. Zunächst kam dennoch wenig Rücklauf, bis Axmann zusammen mit Harald Nowotny, dem Verkaufsleiter von USM, die Büros direkt aufsuchte. Danach hatte sie 20 Anmeldungen.
Die teilnehmenden Büros erhielten jeweils Grundbaumaterialien in Form von vier frisch gebackenen Lebkuchenplatten im Format 60 auf 44 Zentimeter. Dann hatten sie vier Wochen lang Zeit, ein Lebkuchenhaus zu konzipieren und zu bauen. Bei der Gestaltung hatten sie freie Hand, Vorgaben für das Haus gab es keine. Durchaus eine Herausforderung für die Architekten, die es gewohnt sind, auf der Grundlage bestimmter Maßgaben zu planen.
Anfang Dezember wurden die Lebkuchenhäuser dann im Smow-Showroom in der Breitscheidstraße 10 angekarrt. „Wir waren überwältigt, all unsere Erwartungen wurden übertroffen“, sagt Conny Oetinger, zuständig im Marketing von Smow.
Zum einen waren die Lebkuchenhäuser so groß, dass zusätzlicher Ausstellungsraum geschaffen werden musste. Zum anderen waren sie mit so viel Liebe zum Detail gebaut worden, dass die Jury – bestehend aus Petra Stephan (AiT Magazin), Tina Muhr (IBA ’27), Andrea Herold (Interiorpark) und Jürgen Laub (Jehs und Laub) ganze zwei Stunden brauchte, um ihre Wahl zu treffen. „Da wurde ganz schön gerungen und auch immer wieder an den Kriterien gefeilt“, sagt Oetinger. Diese Kriterien waren nach Idee, Kreativität und Qualität der Ausführung gegliedert. Man erkennt ab und an den Architekten hinter dem Lebkuchenhaus, etwa bei Werner Sobek und bei den 4a Architekten. Andere Büros nahmen die Aufgabe, die gerne auch zum vorweihnachtlichen Event mit viel Glühwein umgemünzt wurde, vielmehr als Spielwiese wahr, um sich auszutoben und etwas ganz Anderes zu machen wie im echten Berufsleben. Bei fast allen gleich ist jedoch die Liebe zum Detail. Da dient eine Mini-Lakritzschnecke als Fahrrad-Rad und Oreo-Kekse in Verbindung mit einer Fruchtgummischnur werden zum Skilift. Man kann nur gucken, staunen – und schnuppern.
Doch zuletzt standen die drei Sieger fest. Den ersten Platz machten Wulf Architekten mit ihrem Stadion. Die Tribüne ist aus den Lebkuchenplatten gebaut, die Sitze sind aus Fondant geformt und die Gummibärchen als Fans tragen selbstredend die Farbe ihrer Mannschaft. Die Fassade des Stadions besteht aus Oblaten.
Den zweiten Platz machten Reichel Schlaier Architekten mit ihrem Haus aus gestampften Lebkuchen. „Mit unseren Entwurf hinterfragen wir die herkömmlichen Verarbeitungsmethoden der Lebkuchenplatten zu Lebkuchenhäusern. Wir gehen neue Wege, um die Grenzen des Materials zu testen“ steht in der Objektbeschreibung der Architekten. Der dritte Preis ging an das Büro Auer Weber für ihr Weihnachtsdorf.
Und die Eisbonbons? Gingen die etwa leer aus? Freilich nicht. Für das Lebkuchen-Poolhaus von 4a Architekten wurde eigens ein Sonderpreis ausgelobt, der für das Büro einen Besuch bei USM mit sich bringt. Es müssen noch viele Eisbonbonkaskaden die Stockwerke runterfließen, aber dann, gewiss, gibt es eine Wiederholung des Wettbewerbs – und wieder viele Lebkuchenhäuser.