Sonne und Superflares
Sonneneruptionen sind häufiger als man denkt
Ausbrüche auf der Sonne können auf der Erde Strom und Internet stören. Forscher haben nun besonders gewaltige Eruptionen auf dem Stern untersucht. Und die sind häufiger als bislang angenommen.
Von Markus Brauer/dpa
Ausbrüche auf der Sonne sorgen nicht nur für wunderschöne Polarlichter, sondern können auch gefährliche Auswirkungen auf die irdische Infrastruktur haben. Doch möglicherweise kann die Sonne mit noch bedrohlicheren Eruptionen aufwarten: Etwa alle 100 Jahre, so folgert ein internationales Forscherteam aus Beobachtungen sonnenähnlicher Sterne, könnte es zu einem sogenannten Superflare kommen.
Solche Strahlungsausbrüche seien erheblich stärker als die größten bislang beobachteten Sonneneruptionen, schreiben die Wissenschaftler im Fachmagazin „Science“. Ein solch gewaltiges Ereignis könnte erhebliche Auswirkungen insbesondere auf die Telekommunikation und Energieversorgung auf der Erde haben.
Sun-like stars experience superflares roughly once per century https://t.co/A4mWoVUr6V — Astronomy Magazine (@AstronomyMag) December 12, 2024
Zehntausende Sterne beobachtet
„Wir können unsere Sonne nicht über Jahrtausende beobachten“, erläutert Sami Solanki vom Max-Plank-Institut (MPI) für Sonnensystemforschung in Göttingen. „Aber wir können Tausende von Sternen, die unserer Sonne ähneln, über einen kurzen Zeitraum beobachten.“
Gemeinsam mit seinen Kollegen hat der Forscher deshalb 56.450 Sterne ausgewählt, welche der Sonne besonders stark ähneln, und die das Weltraumteleskop "Kepler" von 2009 bis 2013 regelmäßig beobachtet hat. Summiert ergeben sich daraus 220.000 Jahre Beobachtung der Aktivität auf solchen Sternen.
Zehnmal häufiger als bisher angenommen
Die besonders starken Eruptionen zeigen sich in den Kepler-Daten als kurzzeitiges, helles Aufblitzen des Sterns. Die Forscher waren überrascht, auf wie viele solcher Ausbrüche sie stießen: 2527 von den 56.450 Sternen zeigten insgesamt 2889 Superflares.
Im Mittel, so schreibt das Team, ergäbe sich daraus eine Häufigkeit von einem Superflare in 100 Jahren für einen Stern wie unsere Sonne. Das ist zehnmal häufiger als bislang angenommen.
Koronaler Massenauswurf
Beim Sonnensturm spricht man auch von einem koronalen Massenauswurf (Coronal mass ejection/CME), bei dem Plasma ausgestoßen wird. Werden die Auswirkungen in großer Entfernung zur Sonne untersucht, so spricht man auch von interplanetarem koronalem Massenauswurf (Interplenatary coronal mass ejection/ICME).
Superflares sind Hunderte bis Tausende Male stärker als alle Eruptionen, die bislang auf der Sonne beobachtet wurden. Sie galten lange als eine typische Eigenschaft junger, aktiver Sterne. Das Weltraumteleskop „Kepler“ der US-Raumfahrtbehörde Nasa hatte jedoch überraschend viele Superflares auch bei Sternen registriert, die unserer Sonne ähneln. „Kepler“ hatte bei zigtausend Sternen nach Helligkeitsschwankungen gespäht, die ferne Planeten verraten. Dabei stieß das Weltraumteleskop auch auf die plötzlichen Ausbrüche.
Was verursacht einen Sonnensturm?
Auslöser von Sonnenstürmen sind schlagartige Änderungen im Magnetfeld unseres Zentralgestirns. Da die Sonne sich am Äquator deutlich schneller dreht als an ihren Polen, verdrillt sich ihr Magnetfeld in einem elfjährigen Rhythmus. Es bilden sich eine Art magnetischer Schläuche, die an die Oberfläche durchbrechen können und dort kühle Zonen – die dunklen Sonnenflecken – erzeugen.
Treffen außerhalb der Sonne Magnetfeld-Schläuche aufeinander, kann es zu einer Art Kurzschluss kommen: Die Feldlinien ordnen sich schlagartig neu und setzen dabei große Mengen an Energie frei. Die Folge: ein sogenannter koronaler Massenauswurf. Dabei wird elektrisch geladene Materie aus der heißen Sonnenatmosphäre – der Korona – mit hoher Geschwindigkeit ins All hinausgeschleudert.
Gravierende Auswirkungen auf Internet und Strom
Starke Eruptionen der Sonne haben enorme Folgen für das Leben auf der Erde. Im Februar 2022 stürzten 38 Starlink-Satelliten infolge eines Sonnensturms ab, im März 1989 kam es infolge einer Sonneneruption zu einem großräumigen Stromausfall in Kanada.
Ein von vielen historischen Quellen erwähnter Sonnensturm im Februar 1872 war deutlich heftiger als bisher angenommen. Bis fast zum Äquator waren im Februar 1872 Polarlichter sichtbar, in Europa und Asien fielen Telegrafie-Verbindungen aus. Der Sonnensturm zähle zu den drei stärksten bislang erfassten, wie ein Forscherteam um Hisashi Hayakawa vom Rutherford Appleton Laboratory im britischen Didcot. Die beiden anderen sind das „Carrington-Ereignis“ vom September 1859 und der „New York Railroad Storm“ vom Mai 1921.
Beide Male kam es ebenfalls zu Ausfällen von Telegrafie-Verbindungen sowie zu Bränden durch elektrischen Funkenschlag. 1921 fiel die gesamte Signal- und Schaltanlage der New York Central Railroad aus – daher auch der Name.
„Wir wissen nun, dass es innerhalb von nur 60 Jahren gleich drei extreme Sonnenstürme gab“, erklärt Hayakawa. „Die Bedrohung durch solche Ereignisse für unsere moderne Gesellschaft ist also nicht zu unterschätzen.“
Bessere Überwachung geplant
Allerdings müsse nicht jeder Strahlungsausbruch auf der Sonne mit einem geomagnetischen Sturm einhergehen, bei dem hochenergetische Teilchen auf die Erde treffen, betonen die Wissenschaftler. „Viele physikalische Prozesse beeinflussen die Beschleunigung von Teilchen während einer Eruption“, erklärt Valeriy Vasilyev vom MPI für Sonnensystemforschung. „Und diese Prozesse hängen oft nicht direkt mit der Strahlungsenergie des Ausbruchs zusammen.“
Aber Vorsorge ist besser als Nachsorge. Deshalb plant die Europäische Weltraumorganisation für das Jahr 2031 den Start der Sonnensonde Vigil. Das Raumfahrzeug soll die Sonne von der Seite beobachten und so eine bessere Vorhersage gefährlicher Eruptionen ermöglichen.