Regierungsbildung in Thüringen

Thüringer Brombeerkoalition auf der Kippe - Bedenkzeit endet

Nach erfolgloser Kompromisssuche in der Friedensfrage mit Sahra Wagenknecht herrscht Frust unter Thüringens potenziellen Koalitionären. Von Scheitern, aber auch einem neuen Versuch ist die Rede.

Brombeer-Koalition jetzt schon vor dem Aus? (Archivbild)

© Martin Schutt/dpa

Brombeer-Koalition jetzt schon vor dem Aus? (Archivbild)

Von Von Simone Rothe, dpa

Erfurt - Die Kompromisssuche zu den friedenspolitischen Forderungen von BSW-Chefin Sahra Wagenknecht blieb bisher erfolglos - nun steht das Projekt Brombeer-Koalition in Thüringen auf der Kippe. Über das Wochenende gaben sich die Spitzen von CDU, BSW und SPD Bedenkzeit. Sie soll am Montag oder Dienstag mit der Wiederaufnahme von Gesprächen enden, hieß es am Sonntag aus Verhandlungskreisen. "Die Chancen stehen 50:50", sagte einer der Verhandler der Deutschen Presse-Agentur. Und: "Die Tür ist nicht zu." Es würde ein neuer Kompromissvorschlag versucht. 

Der Thüringer Co-Vorsitzende der Wagenknecht-Partei, Steffen Schütz, sagte der dpa, "klar ist es schwierig, aber es geht um Thüringen. Ich bin zuversichtlich, dass wir eine Lösung finden." Der Thüringer BSW-Vorstand und vor allem Wagenknecht hatten vor mehr als einer Woche die Einigung auf eine Friedensformel für die Präambel eines möglichen Koalitionsvertrages zur Bedingung für den Start von Koalitionsverhandlungen in Erfurt gemacht. 

Wenig Hoffnung bei der SPD - mehr beim BSW 

SPD-Chef Georg Maier sagte der dpa, angesichts des Streits über einen Friedens-Passus sehe er nur noch geringe Chancen für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Wagenknecht-Partei in Thüringen. "Ich habe kaum noch Hoffnung, dass wir noch zusammenkommen." Er warf der BSW-Vorsitzenden Wagenknecht vor, sich mit immer neuen Forderungen in die eigentlich konstruktiv verlaufenden Gespräche in Thüringen einzumischen. "Es geht nicht, dass es eine Art letzte Instanz gibt, die dazwischen grätscht. So funktioniert Koalition nicht." Maier verwies darauf, dass Wagenknecht als Politikerin bisher nur Oppositionserfahrung hat. 

Maiers Vorwurf, Wagenknecht torpediere einen Kompromiss in Thüringen, wies der BSW-Landeschef zurück. "Es geht um das, wofür wir bei unseren Wählern im Wort stehen. Wir wollen nichts mit Brachialgewalt durchsetzen. Letztlich muss es einen Kompromiss geben, der eine stabile Regierung ermöglicht. Das ist unser Ziel", sagte Schütz. 

Nach seinen Angaben gibt es zwei Textentwürfe für den Friedens-Passus in der Präambel, einen von ihm und einen von CDU-Chef Marion Voigt. "Da steht viel drin, was geeint ist." Zu einigen Passagen gebe es noch keine Einigkeit. "Ich habe nicht das Gefühl, dass es Spitz auf Knopf steht." Aus Kreisen von CDU und SPD hieß es, Knackpunkt seien außenpolitische Maximalforderungen aus Berlin zu den Themen Raketenstationierung und Waffenlieferungen, die in den Koalitionsvertrag eines Bundeslandes sollen. 

In Thüringen seien sich alle der großen Verantwortung bewusst, sagte CDU-Fraktionschef Mario Voigt der dpa. "Allerdings waren wir schon mal ein Stück weiter. Wir sind uns zwar einig, den berechtigten Sorgen der Menschen beim Thema Frieden Rechnung zu tragen. Aber es gibt sehr unterschiedliche Grundüberzeugungen und Perspektiven, die man unter einen Hut bringen muss. Wir sollten uns jetzt auf unsere Arbeit und Aufgaben hier im Land konzentrieren", betonte Voigt. 

Kaum Alternativen zu Brombeer-Koalition

Als einzige Alternative zu einer Koalition von CDU, BSW und SPD - für die es bereits erfolgreiche Sondierungsgespräche gab - gilt eine Minderheitsregierung der CDU gegebenenfalls mit der SPD. Sie hätte allerdings zusammen nur 29 von 88 Sitzen im Parlament. Sie müsste nicht nur mit der Wagenknecht-Partei, sondern auch der Linken in irgendeiner Weise zusammenarbeiten, um eine Mehrheit für Entscheidungen im Parlament zu bekommen. Stärkste Fraktion ist die AfD im Thüringer Landtag - erstmals bundesweit. 

Nach Ansicht des Ex-Generalsekretärs der Bundes-CDU, Mario Czaja, rächt sich der CDU-Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Linken jetzt in Thüringen. "Es ist ein großer Fehler, nicht mit der regierungserfahrenen und gemäßigteren Linken, der Linkspartei von Bodo Ramelow, zu sprechen und stattdessen mit der Person zu verhandeln, deren kommunistische Plattform in der Linken in der Vergangenheit vom Verfassungsschutz beobachtet wurde", sagte der Bundestagsabgeordnete dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). CDU, Linke und SPD kommen allerdings nur auf 41 Sitze - vier fehlten zur Mehrheit - so viele wie bisher Ramelows rot-rot-grüner Regierung. 

Maier für Aufzeigen von Unterschieden 

"Im Kern liegen alle Option bereits auf dem Tisch", sagte einer der Verhandlungsteilnehmer der dpa. In Thüringen gebe es eigentlich eine Verständigung trotz der Probleme, die Positionen der drei unterschiedlichen Parteien unter einen Hut zu bringen. Die Gremien von CDU und SPD hätten bereits einen Vorschlag gebilligt, der am Freitag von der BSW-Spitze abgelehnt wurde. 

Wagenknecht, aber auch der Thüringer BSW-Vorstand setzen sich unter anderem für mehr Diplomatie zur Beendigung des Kriegs in der Ukraine statt Waffenlieferungen ein. Thüringens SPD-Vorsitzender kann sich vorstellen, dass in eine Präambel eines Thüringer Koalitionsertrages zwischen CDU, BSW und SPD die unterschiedlichen Positionen der beteiligten Parteien zu Waffenlieferungen und -stationierungen aufgenommen werden sowie die Feststellung, dass sich aller drei Parteien für intensivere diplomatische Bemühungen für Frieden in der Ukraine einsetzen. Für die SPD komme nicht infrage, die Unterstützung für die Ukraine einzustellen, betonte Maier.

In Sachsen und Brandenburg verhandeln CDU sowie SPD ebenfalls mit dem BSW über Regierungsoptionen. Auch in Sachsen, wo es ebenfalls um eine Brombeer-Koalition mit drei Partnern geht, holperte es zuletzt.

Die BSW-Chefin Sahra Wagenknecht kritisiert die jüngste Bundestagsrede von CDU-Chef Friedrich Merz zur Ukraine-Politik scharf. (Archivbild)

© Kay Nietfeld/dpa

Die BSW-Chefin Sahra Wagenknecht kritisiert die jüngste Bundestagsrede von CDU-Chef Friedrich Merz zur Ukraine-Politik scharf. (Archivbild)

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Erstellt:
27. Oktober 2024, 12:26 Uhr
Aktualisiert:
27. Oktober 2024, 16:02 Uhr

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