Hass und Desinformation

Hochschulen verlassen Plattform X – diese Institutionen nehmen teil

Wegen rechtspopulistischer Inhalte und eines begrenzten Diskurses: Dutzende Hochschulen aus Deutschland und Österreich wollen gemeinsam die Plattform X verlassen. Dem Dienst werfen sie eine nicht tragbare Ausrichtung vor.

Über 60 Hochschulen verlassen die Plattform X.

© Harald Oppitz/KNA/Harald Oppitz

Über 60 Hochschulen verlassen die Plattform X.

Von Rebecca Hanke/dpa/epd/kna

Aus Protest gegen eine zunehmende Radikalisierung des Diskurses auf X (ehemals Twitter) haben mehr als 60 deutsche Hochschulen und Forschungsinstitutionen ihren Abschied von der Social-Media-Plattform angekündigt. Die aktuelle Ausrichtung der Plattform sei nicht vereinbar mit den Grundwerten der beteiligten Institutionen wie Weltoffenheit, Transparenz und demokratischer Diskurs, hieß es in einer gemeinsamen Pressemitteilung.

Die jüngsten Veränderungen auf X von der algorithmischen Verstärkung rechtspopulistischer Inhalte bis zur Einschränkung der Reichweite seien für die Organisationen unvertretbar. „Die Werte, die Vielfalt, Freiheit und Wissenschaft fördern, sind auf der Plattform nicht mehr gegeben.“ Der gemeinsame Austritt solle ein Zeichen „für eine faktenbasierte Kommunikation und gegen antidemokratische Kräfte“ setzen. „Die Entwicklungen auf X zeigen, dass die Plattform ihrer Verantwortung nicht mehr gerecht wird, einen fairen Diskurs zu fördern. Als wissenschaftliche Institutionen können wir dies nicht hinnehmen“, erklärte die Rektorin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Anja Steinbeck, am Freitag.

Rückzug von X: 63 Universitäten haben sich angeschlossen

Die Pressemitteilung wurde von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf über den Informationsdienst der Wissenschaft veröffentlicht. Es handelt sich explizit nicht um eine Aktion des Bundesverbands der Hochschulen, wie betont wurde. Dieser verhalte sich neutral. Die Entscheidung betreffe ausschließlich die X-Konten, und nicht die Kommunikation über andere Social-Media-Kanäle.

Der Aktion der Hochschulen hätten sich bisher 63 Einrichtungen angeschlossen, sagte der Initiator, der Kommunikationschef der Universität Düsseldorf, Achim Zolke, der Deutschen Presse-Agentur. Es kämen immer wieder weitere hinzu. 

Unterzeichner der Erklärung sind:

  • Bauhaus-Universität Weimar
  • Berliner Hochschule für Technik
  • Brandenburgische Technische Universität Cottbus – Senftenberg
  • Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
  • Deutsche Ornithologische Gesellschaft
  • Deutsche Sporthochschule Köln
  • Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
  • Fachhochschule Dortmund
  • FernUniversität in Hagen
  • Freie Universität Berlin
  • Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
  • Goethe-Universität Frankfurt
  • HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen
  • Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
  • Hochschule Anhalt
  • Hochschule Bonn-Rhein-Sieg
  • Hochschule Darmstadt
  • Hochschule der Bildenden Künste Saar
  • Hochschule für Musik und Theater Hamburg
  • Hochschule für Philosophie München
  • Hochschule Furtwangen
  • Hochschule München
  • Hochschule Neubrandenburg
  • Hochschule Osnabrück
  • Hochschule RheinMain
  • Hochschule Ruhr West
  • Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde
  • Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen
  • Humboldt-Universität zu Berlin
  • Institut für Vogelforschung
  • Johannes Gutenberg-Universität Mainz
  • Justus-Liebig-Gesellschaft
  • Justus-Liebig-Universität Gießen
  • Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen
  • Kirchliche Hochschule Wuppertal
  • Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung
  • Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde
  • Medizinische Universität Innsbruck
  • Philipps-Universität Marburg
  • RWTH Aachen
  • Technische Hochschule Georg Agricola
  • Technische Hochschule Köln
  • Technische Universität Braunschweig
  • Technische Universität Darmstadt
  • Technische Universität Dresden
  • Universität Bamberg
  • Universität Bayreuth
  • Universität des Saarlandes
  • Universität der Künste Berlin
  • Universität Duisburg-Essen
  • Universität Erfurt
  • Universität Greifswald
  • Universität Heidelberg
  • Universität Innsbruck
  • Universität Münster
  • Universität Potsdam
  • Universität Siegen
  • Universität Trier
  • Universität Ulm
  • Universität Würzburg
  • Universität zu Lübeck
  • Westsächsische Hochschule Zwickau
  • Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft

„In den vergangenen Monaten hat sich die Arbeits- und Funktionsweise der Social-Media-Plattform stark verändert“, erklärte die Sprecherin der Universität Potsdam, Silke Engel, den Schritt. Der Algorithmus auf X greife umfassend in die Verteilung von Informationen ein, lenke Diskussionen und verhindere einen freien Austausch, sagte Engel. „Außerdem hat – unter dem Deckmantel vermeintlicher Meinungsfreiheit – der Verzicht auf jede Moderation Hass, Desinformation und Manipulation Tür und Tor geöffnet.“

Auch weitere Institutionen, wie das Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde und die Deutsche Ornithologische Gesellschaft haben ihren Rückzug angekündigt. Andere prüfen derzeit ihren Rückzug von X – etwa die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora in Thüringen. Im September 2024 sei intern beschlossen worden, bis zur Bundestagswahl X nicht zu verlassen, teilte ein Sprecher auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) in Weimar mit. Danach solle neu entschieden werden. Derzeit sei es aber nur schwer vorstellbar, dass die Stiftung die Plattform weiter nutzen werde, sagte der Sprecher. Rebecca Hanke

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Erstellt:
11. Januar 2025, 12:40 Uhr
Aktualisiert:
11. Januar 2025, 12:47 Uhr

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