Kollision von Tektonischen Platten

Unter der Türkei wächst ein Riss – tief unter der Erde

Tief unter der Oberfläche Kleinasiens hängt ein tektonisches Relikt – ein Rest des urzeitlichen Neotethys-Ozeans. Dieses längst versunkene Plattenstück reißt jedoch fortschreitend ab, wie Geologen jetzt herausgefunden haben.

Das Ustyurt Plateau in Kasachstan ist der trockene  Grund eines einst gewaltigen trockenen Ozeans – Neotethys.

© Imago/Dreamstime

Das Ustyurt Plateau in Kasachstan ist der trockene Grund eines einst gewaltigen trockenen Ozeans – Neotethys.

Von Markus Brauer

Von der östlichen Türkei bis an den Persischen Golf zieht sich eine unsichtbare Naht: Es ist die Grenze zwischen der Arabischen und der Eurasischen Erdplatte.

Subduktion der ozeanischen Neotethys-Platte

Noch bis in die Kreidezeit vor gut 60 Millionen Jahren waren beide durch einen Ozean getrennt, die Neotethys. Diese erdhistorische Ozean existierte überwiegend im Mesozoikum und frühen Känozoikum in der östlichen Hemisphäre.

Durch die Nordwanderung Afrikas kam es zur Kollision. Der ozeanische Teil der Arabischen Platte – der Grund des Neotethys-Meeres – wurde dabei unter Eurasien geschoben und versank im Erdmantel.

Vor rund 25 Millionen Jahren stockte diese Subduktion: Das ozeanische Neotethys-Plattenstück war nun vollständig subduziert.

  • Zur Info:Als Subduktion bezeichnt man einen fundamentalen Prozess der Plattentektonik. Der Begriff bezeichnet folgenden geologischen Vorgang: Die ozeanische Lithosphäre – also die Erdkruste und der oberste Teil des Erdmantels, der sogenannte lithosphärische Mantel – taucht am Rand einer tektonischen Platte in den Erdmantel ab. Währenddessen wird dieser Plattenrand gleichzeitig von einer anderen, angrenzenden Lithosphärenplatte überfahren.

Die Platten kollidieren

„Nun erreichte der kontinentale Teil der Arabischen Platte die Subduktionszone und kollidierte mit der Eurasischen Platte“, erklären das Forscherteam um Renas Koshnaw, Erstautor von der Abteilung Strukturgeologie und Geothermik der Universität Göttingen. Weil die kontinentale Kruste leichter und dicker ist, sank sie nicht ab, sondern stauchte sich.

Die Studie ist der Fachzeitschrift „Solid Earth“ veröffentlicht.

New research article: The Miocene subsidence pattern of the NW Zagros foreland basin reflects the southeastward propagating tear of the Neotethys slab https://t.co/13Fl4mt0ky — Solid Earth (@EGU_SEarth) November 25, 2024

Entstehung des Zagros-Gebirges

So türmte sich vom Osten der Türkei bis zum Persischen Golf sich eine Gebirgskette auf: das Zagros-Gebirge im Nordwesten des Irak. Dort hat sich durch die gewaltige Last der aufgetürmten Berge eine lang gestreckte Senke gebildet. Sie ist drei bis vier Kilometer tief und nahezu vollständig mit Sediment gefüllt.

Die Forscher haben haben nun untersucht, wie die Kräfte des Zagros-Gebirges in der irakischen Region Kurdistan die Erdoberfläche in den vergangenen 20 Millionen Jahren verformt haben.

Ozeanische Platte in der Türkei ist bereits abgerissen

Dabei entdeckten die Geologen, dass tief unter der Erdoberfläche ein Rest des Neotethys-Ozeans an der arabischen Platte hängt – Ozeanboden, der einst den arabischen Kontinent von Eurasien trennte. In der Türkei dagegen ist die ozeanische Platte bereits abgerissen. Der horizontale Riss dehnt sich von der südöstlichen Türkei in Richtung des nordwestlichen Iran aus.

Wenn sich zwei Kontinente im Laufe von Jahrmillionen annähern, schiebt sich der Ozeanboden dazwischen tief unter einen von ihnen. Schließlich stoßen die Kontinente zusammen, und die Gesteinsmassen an ihren Rändern türmen sich zu gewaltigen Gebirgsketten auf.

Im Laufe der Jahrmillionen führt das immense Gewicht dieser Berge dazu, dass die Erdoberfläche um sie herum einsinkt. In den Senken sammeln sich die von den Bergen abgetragenen Sedimente und füllen sie auf. So entstehen zum Beispiel Ebenen wie Mesopotamien im Nahen Osten.

Absenkung der Erdkruste durch Zagros-Gebirge verursacht?

Die Forscher modellierten die Verbiegung der Erdoberfläche unter der Last des Zagros-Gebirges, wo sich der arabische Kontinent unter Eurasien geschoben hat. Sie verglichen die berechnete Vertiefung mit der tatsächlichen Größe der Senke und stellten fest, dass das Gewicht der Berge allein nicht ausreicht, um die drei bis vier Kilometer tiefe Senke zu bilden, die sich in den vergangenen 15 Millionen Jahren mit Sedimenten gefüllt hat.

„Angesichts der relativ geringen Höhe des nordwestlichen Zagros-Gebirges war es überraschend, dass sich in unserem Untersuchungsgebiet so viel Sediment angesammelt hat. Das bedeutet, dass die Absenkung der Erdkruste größer ist, als durch die Last des Zagros-Gebirges verursacht werden könnte“, erklärt Renas Koshnaw.

Wozu die neuen Erkenntnisse nützlich sind

Die Wissenschaftler vermuten, dass dies durch das zusätzliche Gewicht einer schweren ozeanischen Platte passiert, die in der Tiefe noch am arabischen Kontinent hängt.

„Diese Platte zieht die Region weiter nach unten und schafft so Platz für weitere Sedimentablagerungen“, erläutert Koshnaw. In Richtung Türkei werde die Senke aber viel flacher, was darauf hindeute, dass die ozeanische Platte in diesem Bereich abgerissen ist und ihre Zugkraft nachgelassen hat. „Der Riss scheint sich von der Türkei in Richtung Irak auszubreiten, ähnlich wie wenn ein Blatt vom Kalender abgerissen wird.“

Prozesse tief im Inneren des Planeten

Die Ergebnisse verdeutlichen, wie stark Prozesse tief im Inneren des Planeten die Entwicklung der Erdoberfläche steuern. Von dem geodynamischen Modell, das die Forscher entwickelt haben, könnten auch andere Bereiche profitieren.

„Diese Forschung hilft zu verstehen, wie die starre äußere Schale der Erde funktioniert“, ergänzt Jonas Kley von derselben Abteilung. „Solche grundlegenden Untersuchungen ebnen den Weg für praktische Anwendungen, zum Beispiel die Suche nach Erzlagerstätten und geothermischer Energie oder um Erdbebenrisiken einzuschätzen.“

Info: Aufbau der Erde

Schalenaufbau Geologisch betrachtet ist die Erde aus drei Schalen aufgebaut: dem Erdkern, dem Erdmantel und der Erdkruste. Knapp 71 Prozent der Oberfläche des Blauen Planeten sind von Wasser bedeckt. Der Rest ist – wie ein Kuchen mit Puderzucker – mit einer Bodenkruste überzogen. Einer wenigen Millimeter bis einige Meter dünnen Schicht, die Geologen auch als Pedosphäre bezeichnen (von griechisch „pédon“, Erdboden). Sie breitet sich überall dort zwischen der Gesteinsschicht (Lithosphäre) und Biosphäre aus, wo nicht nackter Feld zutage tritt.

 

Erdkern In der Tiefe der Erde ist die Hitze ihres planetarischen Geburtsvorgangs erhalten geblieben. Dies sorgt im inneren Erdkern für Temperaturen von 5000 bis 6000 Grad Celsius – so heiß wie auf der Oberfläche der Sonne. Der Erdkern hat einen Radius von circa 3500 Kilometer und besteht aus Eisen und Nickel, die durch den großen Druck jedoch in festem Zustand sind.

Erdmantel Der Kern wird vom Erdmantel umgeben, der nach außen 2900 Kilometer mächtig ist. Dieser besteht aus festem Gestein aus magnesium- und eisenreichen Silikat-Mineralien mit einem hohen Anteil an Eisen und Magnesium.

Asthenosphäre Der als Asthenosphäre bezeichnete obere Bereich des Erdmantels ist 1000 bis 1400 Grad Celsius heiß.

Lithosphäre Über der Asthenosphäre befindet sich die Lithosphäre. Diese ist 100 bis 200 Kilometer mächtig und umfasst neben der obersten, festen Schicht des Erdmantels die Erdkruste – die feste, spröde Oberfläche der Erde.

Erdkruste Die äußere Hülle des Erdkörpers wird von der relativ dünnen (5 bis 70 Kilometer) Erdkruste gebildet. Diese besteht ebenfalls vorwiegend aus Silikaten und Oxiden, jedoch mit geringerem Eisen- und Magnesium-Anteil sowie einem erhöhten Anteil an Aluminium und Elementen.

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Erstellt:
29. Januar 2025, 18:28 Uhr

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