Koalitionsvertrag von Union und SPD

Viel Staatstragendes und etwas Humor

Bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages betonen die Parteichefs Merz und Klingbeil das neu gewachsene Vertrauen. Der CSU-Vorsitzende Söder sorgt für einige Lacher.

Hand drauf: Die Spitzen der kommenden Koalition bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags.

© dpa/Kay Nietfeld

Hand drauf: Die Spitzen der kommenden Koalition bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags.

Von Tobias Peter und Tobias Heimbach

Friedrich Merz hat sehr lange auf diesen Moment hingearbeitet. Dreimal ist er angetreten, bis er schließlich CDU-Vorsitzender war. Das Ziel war immer, Kanzler zu werden. Jetzt gibt es einen ausverhandelten Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD. Jetzt ist die Kanzlerschaft von Friedrich Merz nah.

Und der Mann, der eine – nie böse gemeinte – Tendenz zum grimmigen Gesicht hat, steht lächelnd hinter einem transparenten Pult im Foyer des Paul-Löbe-Hauses, einem großen Bundestagsgebäude, in dem die Vorsitzenden von CDU, CSU und SPD den Koalitionsvertrag in einer Pressekonferenz vorstellen. „Deutschland bekommt eine handlungsfähige und eine handlungsstarke Regierung“, sagt Merz.

Merz spricht schnell. Der 69-Jährige erinnert jetzt tatsächlich ein bisschen an einen Jungen, der mittags aus der Schule nach Hause kommt und seiner Mutter ganz aufgeregt erzählt, was er im Verlauf des Tages alles erlebt hat. Nur dass es eben nicht um einen Tag geht, sondern um einige Wochen, in denen der Koalitionsvertrag ausverhandelt wurde. Und dass es um die Bildung einer Regierung in Zeiten historischer außenpolitischer Umwälzungen und wirtschaftlicher Herausforderungen geht. Wie ernst die Lage ist, haben die Entscheidungen von US-Präsident Donald Trump zum Thema Zölle allen Beteiligten gezeigt.

Merz: Politische Mitte ist in der Lage, Probleme zu lösen

„Vor uns liegt ein starker Plan, mit dem wir unser Land gemeinsam wieder nach vorn bringen können“, sagt Merz. Es gehe um die Zukunft des Landes und Europas. Das verpflichte alle, etwas Gutes zu tun und etwas Tragfähiges zu Papier zu bringen. „Das ist uns gelungen.“

Und er betont: „Die politische Mitte unseres Landes ist in der Lage, die Probleme zu lösen, vor denen wir stehen.“ Die künftige Regierung werde reformieren und investieren, „um Deutschland stabil zu halten, sicherer zu machen und wirtschaftlich wieder stärker zu machen“.

Merz verspricht, die irreguläre Migration werde besser bekämpft und die Wirtschaft werde gestärkt. Das, was Union und SPD vereinbart hätten, sei ein Signal an die Bürger des Landes, aber auch an die Nachbarn in Europa, dass Deutschland seiner Rolle gerecht werde.

Links neben Merz steht SPD-Chef Lars Klingbeil. Er spricht ruhiger, getragener als Merz – fast so, als wolle sich Klingbeil selbst besonders kanzlerhaft geben. Er spricht von einer „Neuvermessung der Welt“, davon, dass seine Generation in Frieden und Wohlstand aufgewachsen sei, es diese Automatismen aber nicht mehr gebe. „Wir haben das Potenzial, gestärkt aus dieser Zeit hervorzugehen“, sagte Klingbeil nach der Einigung von Union und SPD auf einen Koalitionsvertrag.

Mit Blick auf die gemeinsamen Vereinbarungen sagte er: „Es geht nicht darum, alles zu ändern – aber es geht darum, das Richtige zu ändern.“ Und: Zuletzt sei oft von roten Linien die Rede gewesen. „Das, was jetzt vorliegt, ist ein roter Faden.“ Merz lächelt und nickt.

Sieben Ministerien gehen an die SPD

Klingbeil hat sieben Ministerien für die SPD herausgeholt, darunter die wichtigen für Finanzen und Verteidigung. Wie die Häuser besetzt werden sollen, will Klingbeil erst nach dem Mitgliederentscheid der SPD über den Koalitionsvertrag verraten. Das gilt also auch für die Frage, ob er selbst Finanzminister werden will – was viele in der Partei glauben. Daran, dass der beliebte Boris Pistorius wieder Verteidigungsminister wird, gibt es kaum einen Zweifel.

Wird es Widerstände in der SPD wegen der Inhalte des Koalitionsvertrags geben. Der verschärfte Kurs in der Flüchtlingspolitik könnte einige in der Parteilinken und bei den Jusos stören. Andererseits ist der Koalitionsvertrag hier an einer Stelle ähnlich ambivalent wie das Sondierungspapier. Zurückweisungen von Asylsuchenden sollen „in Abstimmung“ mit den europäischen Nachbarn erfolgen. Was immer das am Ende genau heißt. Viele SPD-Mitglieder ticken hier ohnehin konservativer als manche Parteifunktionäre.

Das, was unter den CDU-Mitgliedern viele stört, ist schon lange beschlossen. Die Grundgesetzänderungen, durch welche die Schuldenbremse für mehr Verteidigungsausgaben und Geld für die Infrastruktur gelockert wird. Merz, der noch im Wahlkampf vor allem Sparen wollte, unterstreicht noch einmal die Notwendigkeit. In den kommenden Tagen werden in allen drei Parteien viele genau in den Vertrag schauen. Wird so wirklich mehr Wirtschaftswachstum möglich? Was bedeutet die Einigung beim Bürgergeld? Und: Wo wird überhaupt gespart?

Merz und Klingbeil mussten sehr schnell einen langen Weg gehen, um zueinander zu finden. Klingbeil hatte Merz im Wahlkampf hart attackiert, weil dieser bei einem Migrationsantrag im Bundestag eine gemeinsame Mehrheit mit der AfD in Kauf genommen hatte. Merz hatte an der Arbeit der SPD in der Regierung immer wieder vernichtende Kritik geübt. Doch in den Koalitionsverhandlungen begannen sie, einander zu duzen. Und sie sollen Vertrauen zueinander gefunden haben. Merz‘ Gesicht sieht jedenfalls viel fröhlicher aus, wenn er Klingbeil zuhört, als wenn SPD-Co-Chefin Saskia Esken spricht.

Bei der SPD entscheidet die Basis über den Vertrag

Wie geht es jetzt weiter? Nach der vorgestellten Einigung müssen die drei Parteien nun jeweils dem Koalitionsvertrag zustimmen. Bei der CSU wird sich der Parteivorstand damit befassen, hier ist keine Überraschung zu erwarten. Bei der CDU wird ein kleiner Parteitag über die Annahme des Vertrags beraten. Hier könnte es zumindest sein, dass einige Parteimitglieder ihren Unmut über einzelne Punkte des Vertrags zum Ausdruck bringen. Dass der Parteitag allerdings gegen einen Eintritt in die Koalition votiert, ist nicht zu erwarten.

Bei den Sozialdemokraten entscheiden die rund 360.000 Mitglieder, ob die SPD in die Koalition eintritt. Bei den vergangenen schwarz-roten Koalitionen stimmte eine deutliche Mehrheit für die Annahme. 2013 waren es 75 Prozent, 2018 rund 66 Prozent der Mitglieder. Beide Male hatten sich rund 78 Prozent der Mitglieder beteiligt. Das gesamte Abstimmungsprozedere dürfte auch dieses Mal rund zwei Wochen Zeit in Anspruch nehmen.

Den unterhaltsamsten Auftritt hat mal wieder CSU-Chef Markus Söder. Er zieht ein kurzes und sehr bayrisches Fazit zum Koalitionsvertrag. „Das basst scho‘“, sagte er. Dann setzte er mit Blick auf das Papier noch hinzu: „Es kann ein kleiner Bestseller werden. Denn jeder Satz, jedes Komma ist Politik pur.“

CSU bekommt das wichtige Innenministerium

Seine CSU erhält mit dem Innenministerium ein entscheidendes für diese Bundesregierung. Dieses ist unter anderem für die Migrationspolitik zuständig. Die immer wieder von Söder geforderte Migrationswende muss nun einer seiner Parteifreunde umsetzen, im Gespräch ist unter anderem der bisherige Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. „Mehr Recht und Ordnung bei der Bekämpfung der irregulären Migration“, fordert Söder. Damit hat er die Erwartung gesetzt. Zum Ende seiner Rede hat Söder auch noch einige Lacher auf seiner Seite, als er etwa über die neue Duz-Männerfreundschaft zwischen Merz und Klingbeil spöttelt. Saskia Esken kontert und verrät, dass sie und Söder sich seit fünf Jahren duzen. Das scheint dem CSU-Chef etwas unangenehm.

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Erstellt:
9. April 2025, 17:35 Uhr
Aktualisiert:
9. April 2025, 19:55 Uhr

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