Vom Mut, auch mal die zweite Geige zu spielen
Eva-Maria Wanner spricht beim Frauenfrühstückstreffen über die Notwendigkeit, dem Leistungsdruck etwas entgegenzusetzen
Von Petra Neumann
MURRHARDT. Gerade in einer Leistungsgesellschaft, in der viel gefordert wird und wenig zurückkommt, ist es wichtig, dass man sich bewusst aus dem Sog der ständigen Pflichten herausnimmt und eine innere Oase findet. Dies war auch Thema beim Frauenfrühstückstreffen in der Murrhardter Festhalle. Eva-Maria Wanner hatte ihren Vortrag mit dem Titel „Ich bin ja so gespannt – Leben mit Anspannung und Entspannung“ überschrieben.
Ein Leben ohne Herausforderungen ist genauso ungesund wie eines auf Hochtouren. Der Mensch braucht ein gewisses Maß an Eustress (guter Stress), um sich optimal entfalten zu können. Allerdings ist dieser sehr selten geworden. Die meisten Leute leben in einem Regelkanon aus Pflichten und Perfektionszwang.
Anhand eines Siebenpunkteplans erläuterte die Referentin, dass man sich viel Druck selbst schafft, indem man zum Beispiel das Letzte aus sich herausholen will. Dieses Sichantreiben lasse inneren Druck entstehen, der selbstzerstörerisch wirkt. Dahinter stehen für sie großer Ehrgeiz und die Abhängigkeit von anderen Menschen; allerdings sei das Leben keine Leistungsschau, sondern eine Bewährungsprobe und da gelte es auch, unguten Reizen widerstehen zu lernen. Viele stopfen ihren Zeitplan übervoll und sind stark leistungsorientiert. Solche Menschen nehmen sich zu wichtig und sind deshalb zu ungeduldig, so Eva-Maria Wanner. Sie haben nicht verstanden, dass alles seine Zeit braucht. Ein probates Gegenmittel sei die innere Einkehr.
Andere wollten einzigartig sein und über das Mittelmaß herausragen. „Es genügt aber, wenn ich mein Bestes gebe und meinen Mitmenschen auch mal den Vortritt lasse. Je mehr man sich verausgabt, desto verletzlicher wird man“, betonte die Referentin. „The winner takes it all“ – wer möchte da zu den Verlierern gehören? Aber was ist wirklich Gewinn und was Verlust? Hier riet Eva-Maria Wanner: „Haben Sie den Mut, auch mal die zweite Geige zu sein, davon gibt es nicht nur mehrere, sondern die erste könnte nicht ohne sie.“ Wer immer den ersten Platz einnehmen wolle, stehe unter der Fuchtel des Hochmuts und nehme seine momentane Lebensaufgabe nur als bedeutungslos wahr. Wer es allen recht machen möchte, hat ganz schlechte Karten, denn er stellt sich eine unerfüllbare Aufgabe und lässt sich komplett fremd bestimmen, so ihre Einordnung.
Dann gibt es laut Eva-Maria Wanner noch die Kontrolleure, die am liebsten alles selbst machen, um nichts dem Zufall zu überlassen. „Das Leben kann man nicht wirklich kontrollieren, es ist ein Prozess, der sich nicht nur entwickelt, sondern seine eigene Wege gehen möchte“, unterstrich die Rednerin.
Das krasse Gegenteil seien jene Menschen, die an Minderwertigkeitskomplexen leiden und sich stets beweisen müssen. Hinter all dieser Anspannung stehe der Wunsch, geliebt zu werden, doch kein Mensch kann diese Sehnsucht erfüllen, sie sei im Göttlichen zu suchen.
In ihrem fundierten, leidenschaftlichen und überzeugenden Vortrag gab Eva-Maria Wanner den Zuhörerinnen Tipps, wie man das Mittelmaß zwischen Anspannung und Entspannung finden kann: Als Erstes sollte man sich auch an kleinen Dingen erfreuen und nicht vergeblich auf den großen Coup warten. Geistliche Schriften wie die Bibel bauten auf und fungierten auch als Ratgeber. Im Gebet mit Gott könne man viele Dinge abgeben, sich aussprechen und auch Lösungen finden. Nicht jede Sekunde gelte es auszukosten, sondern immer wieder freie Zeit zum Relaxen einzuplanen, um spielerische Momente ins Leben einfließen lassen zu können. Ein Tag in der Woche sollte in Gedanken und Tat arbeitsfrei sein. Eine wichtige Basis sei zudem das Vertrauen in das Leben als solches ohne Erwartungen. Weniger sei mehr, das gelte auch für Pläne und Termine. Mit diesen Ratschlägen könnten die Betreffenden den größten Gewinn einfahren – ein lebenswertes und erfülltes Leben.