Waldelfe, Fuchs Kratzefuß und Dummling
Trotz schweißtreibender Hitze erleben 20 kleine und große Zuhörer beim Märchenspaziergang mit Petra Weller fantasievolle Geschichten in idyllischer Natur.
Von Elisabeth Klaper
MURRHARDT. Trotz schwülheißem Hochsommerwetter mit Temperaturen von über 30 Grad gab’s am Samstagnachmittag eine attraktive Alternative zu Freibad oder Badesee: Ein Märchenspaziergang unter dem Motto „Fuchs Kratzefuß und andere wunderliche Gesellen“ für die ganze Familie, veranstaltet von der Volkshochschule Murrhardt. 20 Märchenfans von aufgeweckten, entdeckungsfreudigen kleinen Mädchen und Jungen über Mamas und Papas bis zu Omas und Opas gingen dabei mit Märchenerzählerin Petra Weller durch die idyllische Landschaft bei Siegelsberg.
Petra Weller führt die Gruppe von der Ortsmitte des Murrhardter Teilorts aus auf befestigten Wegen in der Hitze angepasstem gemächlichen Tempo auf eine spannende Entdeckungsreise in die bunt schillernde Welt der Märchen. Dabei gibt es für die Kinder eine spezielle Aufgabe: Sie sollen den „Geschichtenwicht“ entdecken. Der ist ein putziges kleines Kerlchen mit auffällig rot leuchtender Mütze, einem Zwerg nicht unähnlich. Überall dort, wo es ein Märchen zu hören gibt, hat Petra Weller die aus verschiedenen Materialien gestaltete Miniaturfigur am Wegesrand platziert. Unterwegs sichten die Kinder auch ein Eichhörnchen und verschiedene Schmetterlingsarten.
Auf gemähten Streuobstwiesen unter dem Schatten ausladender Bäume und bei einem kleinen Abstecher in den Wald stellt die professionelle Märchenerzählerin die Handlung, Figuren, Szenen und Orte der vorwiegend heiteren, fantasievollen Geschichten verschiedener Herkunft lebendig und detailreich vor, sodass die Zuhörer sich alles bildhaft vorstellen können. Dies erreicht Petra Weller dank ihrer besonderen, anschaulich-lebendigen Erzählkunst mit variantenreicher Sprache und Darstellung mit ausdrucksvoller Mimik und Gestik.
Aus England stammt das Märchen über einen Holzfäller und eine Waldelfe. Als der Mann gerade die Axt an eine Eiche anlegen will, erscheint die Waldelfe und bittet ihn, doch diesen Baum zu verschonen, da sie darin wohnt. Zum Dank dafür werde sie ihm und seiner Frau drei Wünsche erfüllen. Der Holzfäller geht heim und bekommt so großen Hunger, dass er sich einen Kranz von Bratwürsten wünscht.
Variantenreiche Sprache und ausdrucksvolle Mimik und Gestik.
Und gleich darauf ist der Wunsch erfüllt, was jedoch seiner Frau gar nicht passt. Sie ärgert sich, dass ihr Mann sich statt Wertvollem wie Gold oder Geld den Bratwurstkranz wünschte, und wünscht ihm diesen an die Nase. Sogleich bleiben die Würste so fest an der Nase des Holzfällers hängen, dass sie nicht mehr zu entfernen sind. Da wünscht sich das Ehepaar nur noch, das die Würste wieder von der Nase weggehen – und da liegen sie in der Schüssel fürs Abendessen.
Aus England kommt auch das Märchen vom kleinen, naseweisen Fuchs Kratzefuß. Er will das große Bärenschloss erkunden, und als dessen Bewohner, der große, der mittelgroße und der kleine Bär, nicht zu Hause sind, schleicht er sich ein. Im großen Saal probiert er deren Stühle, doch beim Schaukeln mit dem kleinen Stuhl bricht er dessen Beine. Auf einem Tisch stehen drei Schüsseln mit Brei, Kratzefuß probiert von allen, wobei ihm der Inhalt der kleinsten so gut schmeckt, dass er sie leer isst.
Dann geht der Fuchs in die Schlafkammer, probiert die unterschiedlich großen Betten aus, legt sich ins kleinste und schläft ein. Kurz darauf kehren die drei Bären heim und merken sofort, dass jemand ihre Stühle und Breischüsseln ausprobiert hat – und entdecken Fuchs Kratzefuß im kleinsten Bett schlafend. Kurz überlegen sie, wie sie den Eindringling bestrafen, dann werfen sie ihn schwungvoll aus dem Fenster, und der kleine Fuchs landet in einem Busch. Erschrocken, aber erleichtert merkt er, dass alle Glieder heil geblieben sind, und läuft nach Hause, so schnell er kann.
Zum Schluss erzählt Petra Weller ein Märchen der Brüder Grimm: „Die Bienenkönigin“, eine Ermahnung zum Respekt vor allen Mitgeschöpfen, Tier- und Naturschutz. Darin erweist sich der jüngste Königssohn, den seine beiden älteren Brüder verächtlich „Dummling“ nennen, weil sie ihn für einfältig halten, als der schlaueste des Trios. Der Dummling findet seine Brüder, die in die Welt hinauszogen, aber ein „wildes Leben“ führen und sich nicht heimtrauen. Beim gemeinsamen Weg nach Hause hält der Jüngste die Älteren dreimal von Tierquälerei zurück mit der Ermahnung: „Lasst die Tiere in Frieden! Ich leid’s nicht, dass ihr sie tötet!“ So rettet der Dummling Waldameisen, Enten und Wildbienen.
Die drei finden ein Schloss mit steinernen Pferden in den Ställen und unheimlich stillen, menschenleeren Gemächern. Hinter einer verschlossenen Tür entdecken sie durchs Guckfenster ein graues Männchen. Es führt sie zu einem reich gedeckten Tisch, wo sie sich stärken, und weist jedem eine Schlafkammer zu. Am Morgen zeigt das Männchen den Brüdern drei Aufgaben, die sie erfüllen müssen, um das Schloss zu erlösen. Zuerst gilt es, die 1000 Perlen der Königstochter, die im Wald unter dem Moos liegen, zu finden, doch fehlt nur eine, wird der Suchende in Stein verwandelt. So ergeht’s beiden älteren Brüdern, aber dem Dummling helfen die von ihm geretteten Ameisen, die alle Perlen zusammentragen.
Als zweite Aufgabe muss der Schlüssel zur Schlafkammer der Königstochter vom Grund des Sees geholt werden, was die vom Dummling geretteten Enten tun. Die dritte Aufgabe ist die schwerste: Es gilt, von den drei Königstöchtern die jüngste und liebste herauszufinden. Dabei gleichen sich die drei vollkommen und unterscheiden sich nicht, haben aber verschiedene Süßigkeiten gegessen: Die erste Zucker, die zweite Sirup und die dritte Honig. Da fliegt die Bienenkönigin der vom Dummling geretteten Wildbienen herein, probiert bei allen dreien am Mund und bleibt sitzen, wo sie Honig findet. So erkennt der Dummling die Richtige, erlöst das Schloss samt Bewohnern, heiratet die jüngste Königstochter und seine Brüder die beiden anderen.
Mit viel Beifall danken die Zuhörer Petra Weller für den kurzweiligen Märchenspaziergang im Grünen.