Warenspenden brechen immer mehr weg

Das Team der Tafel Murrhardt engagiert sich ehrenamtlich dafür, dass Bedürftige verbilligte Lebensmittel im Laden in der Weststadt einkaufen können. Doch die Sachspenden gehen weiter zurück, sodass mittlerweile Geldspenden verwendet werden, um Waren zu kaufen.

Die Tafel Murrhardt hat ihr Geschäft in der Werrenstraße 3. Weil immer weniger verteilt werden kann, dürfen Berechtigte auch nur noch einmal statt wie früher zweimal die Woche dort einkaufen. Archivfoto: Jörg Fiedler

© Eröffnung Murrarkaden-Center

Die Tafel Murrhardt hat ihr Geschäft in der Werrenstraße 3. Weil immer weniger verteilt werden kann, dürfen Berechtigte auch nur noch einmal statt wie früher zweimal die Woche dort einkaufen. Archivfoto: Jörg Fiedler

Von Christine Schick

Murrhardt. Die Tafel Murrhardt ist wie andere Tafeln seit Längerem mit zwei gegenläufigen Entwicklungen konfrontiert, die sich weiter verschärft haben: Durch einen Anstieg der Geflüchteten haben sich auch die Kundenzahlen nach oben entwickelt, gleichzeitig sind die Warenspenden rückläufig. Berthold Müller, Vorsitzender der Tafel Murrhardt, sein Stellvertreter Martin Keller und Wolfgang Hufnagel, der sich um das Fahrerteam, Logistik und Planung kümmert, berichten über die aktuelle Situation.

Nach einer groben Schätzung sind es rund 20 Prozent Rentnerinnen und Rentner sowie sonstige Bedürftige, die das Angebot in der Werrenstraße nutzen, etwa jeweils 40 Prozent entfallen auf Geflüchtete aus der Ukraine und aus weiteren Ländern. Zu letzterer Gruppe gehören zurzeit überwiegend Menschen aus der Türkei. Das macht die Kommunikation nicht immer ganz einfach. „Die meisten sprechen kaum Englisch“, sagt Berthold Müller. Nach seiner Beobachtung sind dies vor allem Menschen, die aus ärmeren Verhältnissen, teils aus dem jüngsten Erdbebengebiet kommen. Auch das Klientel aus der Ukraine habe sich verändert, bei dem die Verständigung nicht mehr so selbstverständlich über Englisch möglich sei. Es gibt aber eine Helferin, die mit Übersetzungen unterstütze.

Berechtigung abzuklären,
ist nicht immer leicht

Die Verständigung ist zum einen im Laden wichtig, aber auch zu Beginn, wenn es darum geht, für die Kundinnen und Kunden einen Ausweis auszustellen. „Wir überprüfen, ob sie berechtigt sind, bei uns einzukaufen, und das ist manchmal schwierig, weil ich nicht alle nötigen Informationen habe“, erklärt Berthold Müller. Unproblematisch sei die Situation, wenn eine Person beim Jobcenter gemeldet ist, weil dann die Berechtigung bereits von anderer Seite geprüft wurde. Aber das sei eben nicht immer der Fall. Insofern erhofft sich das Team durch die Einführung der von der Bundesregierung beschlossenen Bezahlkarte für Geflüchtete eine Entlastung. „Dann bräuchten diese Menschen keinen Tafelausweis, das würde uns schon in die Karten spielen“, sagt Martin Keller. Abzuklären wäre, welche technischen Voraussetzungen dafür nötig sind, wie beispielsweise ein Kartenlesegerät. Dies sollte etwas Zeit freischlagen, hofft Berthold Müller, denn für die Erstellung eines Ausweises muss er zwischen 15 und 30 Minuten einplanen.

Als schwierig bis kritisch beschreibt das Team weiterhin die Lage rund um die Warensituation. „Die Warenspenden sind für uns wichtig, aber wir haben Konkurrenz bekommen“, erklärt Berthold Müller. Mit neuen Rahmenbedingungen zur Vermeidung von Abfällen haben sich auch eine Reihe von privaten Initiativen, Aktionen von Supermärkten wie Lebensmitteltüten, über die nicht mehr lange haltbare Waren günstiger verkauft werden, bis hin zu Food-Sharing-Apps wie „Too Good to Go“ entwickelt. „Wenn die Spenden an die Tafel gehen, kommt das Menschen zugute, die wenig haben. Im Fall von Food-Sharing-Initiativen oder -Tools hat jeder die Möglichkeit, diese meist preisreduzierten Waren zu kaufen, also beispielsweise auch ein Millionär. Das sehen wir kritisch, weil die Spenden für die Tafel zurückgehen“, erläutert Keller. Wolfgang Hufnagel formuliert es folgendermaßen: „Als Tafel haben wir das Alleinstellungsmerkmal, Lebensmittel zu retten und gleichzeitig Menschen mit geringen finanziellen Mitteln zu helfen.“

Zudem spürt das Team, dass Supermärkte insgesamt logistisch noch ausgefeilter planen, sodass auch vor diesem Hintergrund weniger Spenden übrig bleiben. Deshalb rufen die Ehrenamtlichen auch teils zuvor an, um zu hören, ob sich eine Fahrt zum Discounter oder Supermarkt, der grundsätzlich spendet, aktuell lohnt. Ergänzt werden können die Warenspenden von örtlichen Geschäften durch solche, die das Team bei der Regio-Tafel oder im Zentrallager in Waiblingen bekommen kann. Allerdings schwanken auch dort die Bestände und Warenarten. „Das heißt, es ist nicht klar, was man kriegt“, sagt Wolfgang Hufnagel. Nach einer groben Schätzung haben die Warenspenden für die Tafel Murrhardt in den letzten anderthalb Jahren insgesamt um etwa 20 Prozent abgenommen, während sich die Kundenzahl um etwa ein Fünftel erhöht hat.

Zurzeit kauft der Verein aus der Not heraus über Spenden auch Waren ein

„Über die Notwendigkeit der Tafel müssen wir nicht reden“, stellt Berthold Müller fest. Aber was tun, wenn mal wieder zu wenig Grundnahrungsmittel wie Nudeln, Reis, Mehl, Zucker und Milch da sind? „Wir machen etwas, was eigentlich nicht tafelkonform ist“, sagt der Vereinsvorsitzende. „Wir kaufen Ware über Spenden, die explizit auch dafür deklariert sind. Wenn wir die nicht hätten, könnten wir das Geschäft nicht am Laufen halten.“ Zurzeit werde für 500 Euro im Monat zugekauft, wobei Martin Keller betont: „Das passiert aus der Not heraus, darf aber keine Dauerlösung sein.“ Zum Hintergrund erläutert er, dass Spenden für den Verein wichtig sind, aber eigentlich anders verwendet werden sollten, beispielsweise als Rücklage für ein künftiges Kühlauto, für das entsprechend lang gespart werden müsse. Für die örtliche Unterstützung durch Menschen und Unternehmen in Murrhardt und Umgebung sowie (überregionale) Stiftungen ist das Team dankbar. Was die Situation der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer anbelangt, so ist die im Moment zumindest stabil und nicht angespannt. Trotzdem freut sich das Team immer über Interessierte, die sich vorstellen können, sich im Tafelladen zu engagieren – insbesondere als Fahrerin oder Fahrer.

Tafel beim Murrhardter Frühling

Aktion Wer mehr über die Arbeit der Tafel Murrhardt erfahren möchte, kann sich beim Murrhardter Frühling (siehe Artikel unten) am Sonntag, 28. April, am Stand des Vereins/Oldtimer-Clubs Großerlach am Château-Gontier-Platz informieren und mit Engagierten ins Gespräch kommen. Dort ist auch ein Flyer über die Arbeit der Tafel erhältlich.

Kontakt Wer über ein konkretes Engagement beispielsweise als Fahrerin oder Fahrer nachdenkt, kann im Geschäft, Werrenstraße 3, in Murrhardt vorbeischauen. Erreichbar ist die Tafel Murrhardt unter Telefon 07192/9362708, in der Regel montags und donnerstags (außer an Feiertagen) immer zwischen 9.15 und 16.45 Uhr.

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Erstellt:
25. April 2024, 06:00 Uhr

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