Ampel-Koalition

Was ist die Vertrauensfrage und wie läuft sie ab?

Bundeskanzler Olaf Scholz hat angekündigt, im Januar 2025 die sogenannte "Vertrauensfrage" im Bundestag zu stellen. Doch was genau bedeutet das, und wie läuft dieser Prozess ab?

Olaf Scholz im Deutschen Bundestag, Oktober 2023. (Symbolbild)

© Juergen Nowak/ Shutterstock

Olaf Scholz im Deutschen Bundestag, Oktober 2023. (Symbolbild)

Von Katrin Jokic

Die Vertrauensfrage ist ein formales Instrument, das der deutsche Bundeskanzler nutzen kann, um die Unterstützung seiner Regierungskoalition im Parlament zu überprüfen.

Laut Artikel 68 des Grundgesetzes kann der Kanzler diese Frage stellen, wenn er Zweifel daran hat, dass er weiterhin das Vertrauen der Mehrheit der Abgeordneten besitzt. Dies geschieht oft in politisch unsicheren Zeiten oder wenn wichtige Entscheidungen anstehen, die den Rückhalt der Regierungsfraktionen erfordern.

Ablauf der Vertrauensfrage

1. Ankündigung und Einbringung der Frage: Der Kanzler kündigt offiziell an, die Vertrauensfrage zu stellen. In diesem Fall hat Olaf Scholz angekündigt, diesen Schritt im Januar 2025 zu gehen. Die Frage wird dann in einer Bundestagssitzung vorgelegt.

2. Abstimmung: Die Abgeordneten des Bundestages stimmen über die Vertrauensfrage ab. Dabei ist eine einfache Mehrheit notwendig, um die Frage zu beantworten. Eine Mehrheit bedeutet, dass mindestens 50 Prozent der abgegebenen Stimmen plus eine Stimme erreicht werden müssen.

3. Ergebnis und Konsequenzen:

  • Erfolgreiche Vertrauensfrage: Wenn Scholz die Mehrheit erhält, bleibt er im Amt und kann seine Regierungsarbeit fortsetzen.
  • Scheitern der Vertrauensfrage: Falls Scholz die Mehrheit nicht erhält, hat das weitreichende Konsequenzen. Der Bundeskanzler könnte entweder zurücktreten oder – falls er es bevorzugt – den Bundespräsidenten bitten, den Bundestag aufzulösen, was zu Neuwahlen führen würde. Der Bundespräsident (aktuell Frank-Walter Steinmeier) ist jedoch nicht verpflichtet, dieser Bitte nachzukommen.

Zweck der Vertrauensfrage

Das Stellen der Vertrauensfrage kann als ein starkes politisches Signal dienen. Es gibt dem Bundeskanzler die Möglichkeit, die Geschlossenheit der Koalition zu prüfen und ein Mandat für politische Vorhaben zu sichern. Gleichzeitig verdeutlicht es dem Bundestag und der Öffentlichkeit, dass die Regierung fest hinter dem Kanzler steht – oder eben nicht, falls die Vertrauensfrage scheitert.

Durch diese Möglichkeit bleibt der deutsche Regierungsapparat flexibel, da politische Pattsituationen aufgelöst und Unsicherheiten innerhalb der Koalition sichtbar gemacht werden können.

Ist die Vertrauensfrage das gleiche wie ein Misstrauensvotum?

Nein, die Vertrauensfrage und das Misstrauensvotum sind zwei unterschiedliche Verfahren im deutschen politischen System, obwohl sie beide mit dem Vertrauen des Parlaments in die Regierung zu tun haben.

Hier weiterlesen: Unterschied zwischen Vertrauensfrage und Misstrauensvotum einfach erklärt

Steht die Vertrauensfrage im Grundgesetz?

Ja, die Vertrauensfrage steht im Grundgesetz, und zwar in Artikel 68.

Dort heißt es: „Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den Bundestag auflösen.“

Dieser Artikel ermöglicht es dem Bundeskanzler, offiziell das Vertrauen des Bundestages einzufordern. Wenn der Kanzler die Mehrheit der Stimmen nicht erhält, gibt es zwei Möglichkeiten:

Artikel 68 wurde bewusst ins Grundgesetz aufgenommen, um dem Kanzler eine Möglichkeit zu geben, bei politischen Krisen oder Meinungsverschiedenheiten die eigene Regierungsmehrheit auf die Probe zu stellen und gegebenenfalls Neuwahlen zu erwirken.

Gibt es sowas wie die Vertrauensfrage in anderen Ländern auch?

Ja, viele Länder haben ähnliche Mechanismen wie die deutsche Vertrauensfrage, um das Vertrauen in die Regierung oder den Regierungschef zu überprüfen. Dazu gehören beispielsweise Frankreich, Spanien, Italien, Australien und Kanada sowie Indien. Allerdings unterscheiden sich die Verfahren je nach politischem System und den jeweiligen nationalen Regelungen. Der Hauptunterschied liegt oft darin, ob ein konstruktives Misstrauensvotum nötig ist, also eine neue Regierung vorgeschlagen werden muss, oder ob eine einfache Mehrheit genügt, um die bestehende Regierung zum Rücktritt zu bewegen.

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Erstellt:
7. November 2024, 07:02 Uhr
Aktualisiert:
7. November 2024, 11:00 Uhr

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