Kritische Rohstoffe

Was sind seltene Erden? - Bedeutung, Anwendungen & Chinas Macht

Ohne sie gäbe es keine E-Autos, Windräder oder Smartphones – was seltene Erden sind und warum sie plötzlich zur globalen Machtfrage werden.

Erfahren Sie, was seltene Erden sind, warum sie für Technik & Energiewende unverzichtbar sind und wie Chinas Exportkontrollen die Weltwirtschaft bedrohen.

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Erfahren Sie, was seltene Erden sind, warum sie für Technik & Energiewende unverzichtbar sind und wie Chinas Exportkontrollen die Weltwirtschaft bedrohen.

Von Matthias Kemter

Anfang April hat China durch neue Exportkontrollen faktisch einen Ausfuhrstopp für mehrere schwere seltene Erden eingeführt. Das angekündigte Lizenzsystem ist zwar noch nicht operativ, aber durch die aktuell gestoppten Ausfuhren kommt es nun zu massiven Preissteigerungen. Kein Wunder, denn China verfügt nicht nur über die meisten Vorkommen, sondern auch über das alleinige Know-how für die Trennung und Verarbeitung der Metalle. Für Industriebranchen, die auf Hochleistungsmagnete, Laserkomponenten oder LED-Technologien angewiesen sind, bedeutet das: akute Abhängigkeitsprobleme. Doch was genau sind seltene Erden – und warum sind sie so kritisch?

Warum seltene Erden so besonders sind

Seltene Erden sind eine Gruppe von 17 chemisch ähnlichen Elementen: die 15 Lanthanoide sowie Yttrium und Scandium. Lanthanoide ist die Gruppenbezeichnung für ähnliche Elemente, die Lanthan und die 14 im Periodensystem folgenden Elemente beinhalten. Seltene Erden sind in ihren Eigenschaften sehr ähnlich. Sie sind reaktionsfreudige Metalle, die aufgrund ihrer außergewöhnlichen magnetischen, optischen und elektrochemischen Eigenschaften in Schlüsseltechnologien unersetzlich sind. Ohne diese Metalle wäre moderne Hochtechnologie nicht denkbar. Anwendung finden sie in:

  • Magneten: Neodym, Praseodym, Dysprosium, Terbium und Samarium werden zur Herstellung von maßgeschneiderten Magneten verwendet, die essenziell sind für: Antriebe in E-Autos, Windturbinen, Robotik, Festplatten und Kopfhörern
  • Automobiltechnik: Yttrium-dotierte Zündkerzen widerstehen hohen Temperaturen und tragen zu saubererer Verbrennung bei. Cer-Oxid verbessert die Kratz- und Witterungsbeständigkeit von Lacken und Scheiben.
  • Beleuchtung & Displays: Seltene Erden sind Kernbestandteile moderner LED- und Leuchtstoffphosphore. So kommen sie nicht nur in Leuchtstoffröhren, sondern auch in Energiesparlampen, LED-Leuchten und sogar Displays zum Beispiel für Monitore und Smartphones vor.
  • Laser & Glasfasertechnik: Erbium verstärkt Glasfaserkabel und spielt somit eine wichtige Rolle im Aufbau globaler Internetverbindungen.
  • Medizintechnik: In der Medizintechnik verbessern seltene Erden vor allem die Bildgebung – etwa in Röntgenfolien, MRTs und Kontrastmitteln. Sie kommen auch in der Krebstherapie, bei Implantaten und medizinischen Lasern zum Einsatz.

Gewinnung - Aufwendig, teuer & umweltkritisch

Trotz des Namens kommen sie häufiger vor als viele andere Metalle. Selten werden sie trotz der breiten Verteilung durch die geringe Konzentration, was einen wirtschaftlichen Abbau sehr schwer macht. Zudem kommen sie stets als Mischungen in Mineralien vor, weshalb sie nach dem Abbau technisch aufwendig von einander getrennt werden müssen. Zunächst wird das abgebaute Erz mechanisch zerkleinert, nass gemahlen und dann durch Verfahren wie Magnetscheidung und Flotation zu einem Mischkonzentrat verarbeitet. Dieses wird chemisch weiterbehandelt, unter anderem mit Säuren, bis die einzelnen Elemente durch sogenannte Solventextraktion getrennt vorliegen. Diese Prozesse sind energieintensiv, erzeugen große Mengen giftiger Rückstände und sind damit ein ökologisches Risiko.

Strategischer Rohstoff für die Energiewende & Chinas Rolle

Die Nachfrage nach seltenen Erden steigt rasant. Laut der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) wird sie bis 2030 jährlich um rund sechs Prozent wachsen. Studien wie die der KU Leuven gehen davon aus, dass Europa bis 2050 bis zu 26-mal mehr Seltenerdmetalle benötigt, vor allem für Magneten in Windkraftanlagen und E-Fahrzeugen. Auch die Internationale Energieagentur (IEA) prognostiziert einen drastischen Anstieg. Problematisch ist die extreme Marktkonzentration in China. Das Land hat einen großen Vorteil bei der Produktion seltener Erden, weil es über besonders große und vielfältige Lagerstätten verfügt und schon früh staatlich in den Abbau und die Verarbeitung investiert hat. Durch Subventionen und günstige Preise hat sich China einen technologischen Vorsprung bei der Trennung dieser chemisch sehr ähnlichen Elemente erarbeitet und so weltweit viele Wettbewerber vom Markt verdrängt. Chinas lockere Umweltgesetze haben wesentlich zum globalen Vorteil des Landes bei der Produktion seltener Erden beigetragen. Während viele westliche Länder wegen strikter Umweltauflagen und hoher Entsorgungskosten den Abbau eingestellt oder gar nicht erst begonnen haben, konnte China kostengünstiger und weniger reguliert fördern und verarbeiten. Obwohl China "nur" etwa 60 % der globalen seltenen Erden fördert, werden dort über 90 % der gesamten seltenen Erden verarbeitet. Diese Vormachtstellung nutzt China zunehmend auch geopolitisch, etwa durch Exportkontrollen, was die weltweite Abhängigkeit noch verstärkt. Ein Handelskonflikt wie zuletzt mit den USA oder Japan im Jahr 2010 kann die Preise weltweit explodieren lassen. Die EU und USA investieren in eigene Förderkapazitäten – doch die technische Aufbereitung fehlt vielerorts.

Alle 17 seltenen Erden im Überblick:

  • Scandium (Sc)
  • Yttrium (Y)
  • Lanthan (La)
  • Cer (Ce)
  • Praseodym (Pr)
  • Neodym (Nd)
  • Promethium (Pm)
  • Samarium (Sm)
  • Europium (Eu)
  • Gadolinium (Gd)
  • Terbium (Tb)
  • Dysprosium (Dy)
  • Holmium (Ho)
  • Erbium (Er)
  • Thulium (Tm)
  • Ytterbium (Yb)
  • Lutetium (Lu)

Fazit: Unsichtbar, aber systemrelevant

Seltene Erden sind keine Randerscheinung der Chemie – sie sind der unsichtbare Antrieb moderner Technologien. Ohne sie gibt es keine Energiewende, keine Digitalisierung, keine Zukunftstechnologien. Doch ihr Abbau ist umstritten, ihre Verarbeitung ein geopolitisches Machtinstrument. Strategien wie Recycling, Diversifikation der Lieferketten und der Aufbau eigener Kapazitäten sind überfällig.

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Erstellt:
23. April 2025, 21:46 Uhr

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