Fragen und Antworten

Was wir über die Erdbebengefahr auf Santorini wissen

Santorini ist eine der schönsten Kykladen-Inseln – und eines der am besten erforschten Vulkan-Archipele.Dutzende Erdbeben erschüttern das Urlaubsparadies des Santorini-Archipels. Die Behörden gehen auf Nummer sicher. Wie groß ist die Gefahr wirklich?

Santorini, die griechische Vulkaninsel in der Ägäis, aus der Vogelperspektive: links die Hauptinsel Thira, Nea Kameni in der Mitte der Caldera und rechts Thirasia, die den nordwestlichen Rand des Beckens bildet.

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Santorini, die griechische Vulkaninsel in der Ägäis, aus der Vogelperspektive: links die Hauptinsel Thira, Nea Kameni in der Mitte der Caldera und rechts Thirasia, die den nordwestlichen Rand des Beckens bildet.

Von Markus Brauer

Die beliebte griechische Urlaubsinsel Santorini ist in den vergangenen Tagen von einer Serie von Erbeben erschüttert worden. Das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und das GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung Potsdam haben die aktuellen Ereignisse analysiert und eingeordnet. Wie groß ist demnach die Gefahr auf dem Mittelmeer-Archipel?

Santorini und der Vulkan

Santorini ist eine Vulkaninsel in den Kykladen, seine Kultur dem ständigen Vernichtungsrisiko zum Trotz älter als Athen. Die Phönizier nannten sie „Kalliste“, die Schöne. Mancher munkelt, Santorini sei das verlorene Atlantis. Ein gewaltiger Ausbruch mit einer hundert Meter hohen Flutwelle versenkte um 1525 v. Chr. das halbe Eiland im Meer.

Heute sind nur noch die drei Reste jenes kleinen Weltuntergangs zu sehen: die Hauptinsel Thira mit dem Caldera-Becken und dem gefluteten Vulkankrater; die kleine Insel Nea Kameni, die wie ein Badewannenstopfen in der Mitte der Caldera liegt; und Thirasia, die den nordwestlichen Rand des Beckens begrenzt.

Die wie ein Ring angeordneten drei Inseln bilden den Rand einer vom Meer gefluteten Caldera. Damit ist eine kesselförmige Vertiefung gemeint, die frühere Vulkanausbrüche hinterlassen haben. Im Zentrum der Caldera liegt der bis heute aktive Vulkan Kameni.

Was geschieht derzeit rund um Santorini?

Zwischen Santorini, dem Unterwasser-Vulkan Kolumbo und Amorgos treten seit mehr als zehn Tagen viele Erdbeben zwischen 4 und 10 Kilometern Tiefe auf. Die Stärke der Beben erreicht bisher Magnitude 5 oder knapp drüber.

Die Aktivität hat mit schwachen Beben unter Santorini begonnen und ist in den letzten Tagen in Richtung Nordosten entlang einer von Südwest nach Nordost verlaufenden krustalen Schwächezone gewandert.

Was ist die Ursache der vielen Erdbeben nahe der Vulkaninsel?

Solche Erdbebenschwärme sind unter aktiven Vulkansystemen nicht selten und wurden auch unter Santorini und Kolumbo immer wieder beobachtet:

  • Vulkanische Aktivitäten: Eine mögliche Ursache sind vulkanische Aktivitäten, das heißt, glutflüssiges Gestein oder andere Fluide steigen in der Erdkruste nach oben. Eine andere Möglichkeit sind Bewegungen von Erdplatten, die zu Spannungen im Gestein und plötzlichem Entladen dieser Spannungen und damit zu Erdbeben führen können.
  • Bewegung der Erdplatte: Auch eine Kombination ist denkbar: Einzelne Segmente der Ägäischen Erdplatte in der Region um Santorini bewegen sich um wenige Millimeter voneinander weg. Das führt zu einer Dehnung und Ausdünnung der Erdkruste, in etwa so, als ob man einen zähen Teig auseinanderzieht, der dann in der Mitte dünner wird.

Kann man diese Erdbeben vorhersagen?

Wann so ein Erdbebenschwarm entsteht, kann nicht vorhergesagt werden. Es gibt insbesondere bei vulkanischen Bebenschwärmen Vorläuferphänomene. Wir untersuchen derzeit die zeitliche Entwicklung und begleitende Veränderungen des Erdbebenschwarms wie etwa Hebungen oder Senkungen.

Kann man einen Vulkanausbruch vorhersagen?

Auch einen Vulkanausbruch kann man nicht vorhersagen. Allerdings gibt es, anders als bei Erdbeben, bei Vulkanausbrüchen häufig deutliche Vorläuferphänomene. Dazu zählen Bodenhebungen und Schwarmbeben, die sich vor einem Ausbruch verstärken und Richtung Erdoberfläche und Meeresboden wandern. Bisher ist die Datenlage noch nicht ausreichend, um von einem unmittelbar bevorstehenden Ausbruch zu warnen. Dennoch sind die Warnhinweise, etwa Steilküsten zu vermeiden, richtig und wichtig.

Was könnte bei einem Ausbruch oder Beben passieren?

Im Juli 1956 ereigneten sich zwei Beben mit Magnituden von über 7 in der nun seismisch aktiven Region. Eines davon trat in der oberen Erdkruste auf und verursachte einen lokalen Tsunami mit Wellenhöhen von bis zu 22 Metern auf der Insel Amorgos. Die Beben richteten in der Region große Schäden an. 50 Menschen starben.

In der jetzigen Erdbebenserie stellen die GEOMAR-Geologen deutlich schwächere Beben fest. Die Bruchzone von 1956 hat aufgrund der geringen Verschiebungsraten noch nicht wieder ausreichend Energie aufgestaut, aber Bewegungen an weiteren bisher nicht aktiven Bruchzonen können nicht ausgeschlossen werden.

Sollte es heute zu einem vergleichbaren Erdbeben wie 1956 oder einem Vulkanausbruch (der letzte größere Ausbruch des Kolumbo-Vulkans ereignete sich 1650) kommen, wären aufgrund der dichteren Besiedlung stärkere Auswirkungen zu erwarten:

  • Starke Bodenerschütterungen könnten Gebäude beschädigen oder einstürzen lassen, insbesondere ältere Bauten oder solche, die nicht erdbebensicher konstruiert wurden.
  • Tsunamis könnten Küstenregionen treffen und zu Überflutungen führen – nicht nur auf Santorini, sondern auch auf benachbarten Inseln und dem griechischen Festland.
  • Es könnte auch zu submarinen Hangrutschungen der Caldera kommen.

Steht ein Vulkanausbruch auf Santorini bevor?

Der Bereich unmittelbar unterhalb des Santorini-Vulkans ist aktuell seismisch ruhig. Dort kam es zuletzt 2011 zu einer ähnlichen seismischen Aktivität wie nun weiter nordöstlich mit sehr flachen Beben bis in 1 bis 2 Kilometern Tiefe. Es kam allerdings nicht zu einem Ausbruch.

Wie groß ist das Risiko eines Tsunamis dort?

Rund 80 Prozent der Tsunamis entstehen durch starke Erdbeben, die den Meeresboden heben oder senken. Aufgrund der tektonischen Gegebenheiten können auch im Mittelmeerraum Tsunamis auftreten.

Auch ein Vulkanausbruch in der Region, etwa des Santorin-Vulkans, könnte einen Tsunami auslösen – sei es durch unterseeische Explosionen oder Hangrutschungen unter Wasser.

Vulkanische Prozesse können zudem Erdrutsche an Land oder unter Wasser verursachen. Dadurch könnten große Wassermassen verdrängt und Tsunamis ausgelöst werden.

Die griechischen Behörden sowie internationale Forscher beobachten die Lage sehr genau. Demnach kann man einen Tsunami ebenso wenig ausschließen wie ein schwereres Erdbeben. Die Wahrscheinlichkeit ist aber nach wie vor gering.

Welche Maßnahmen sind nötig, um die Bevölkerung zu schützen?

Solange die Erdbebenaktivität anhält, besteht insbesondere an steilen Küstenabschnitten ein erhöhtes Risiko für Hangrutschungen. Menschen sollten sich daher nicht an den Stränden und Steilküsten aufhalten. Sehr starke Erdbeben – deutlich intensiver als die bisher registrierten – könnten zudem Tsunamiwellen auslösen. Aktuell gibt es keine Messungen, die auf Erdbeben von dieser Stärke hinweisen.

Die griechischen Behörden senden Warnhinweise in mehreren Sprachen mit Verhaltensregeln und Schutzmaßnahmen via Cell Broadcast direkt an Mobilgeräte. Dafür muss der Empfang von Notfallbenachrichtigungen aktiviert sein.

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Erstellt:
7. Februar 2025, 09:00 Uhr

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