Fast ein Fünftel der Jugendlichen betroffen

Web-gemobbt: Wenn Schüler Opfer von Cybermobbing werden

Immer mehr Kinder und Jugendliche werden im digitalen Raum bedroht, belästigt und bloßgestellt. Eine aktuelle Befragung zeigt: Eltern und Schulen sind häufig mit dem Phänomen überfordert.

Es gibt unzählige Möglichkeiten, einen ­Menschen fertigzumachen: Man kann ihn ausgrenzen, hinter seinem Rücken tuscheln, ihn beschimpfen, bei Vorgesetzten anschwärzen oder bei Kollegen schlechtmachen. Wann die Grenze des Erträglichen ­erreicht ist, liegt am Belastungspotenzial des Einzelnen.

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Es gibt unzählige Möglichkeiten, einen ­Menschen fertigzumachen: Man kann ihn ausgrenzen, hinter seinem Rücken tuscheln, ihn beschimpfen, bei Vorgesetzten anschwärzen oder bei Kollegen schlechtmachen. Wann die Grenze des Erträglichen ­erreicht ist, liegt am Belastungspotenzial des Einzelnen.

Von Markus Brauer/dpa

Bei Mobbing im Internet können Opfer nicht einfach nach Hause fliehen - und sie wissen in der Regel nicht, wie viele Leute zugucken. Umso größere Sorgen bereiten Ergebnisse einer neuen Umfrage. Mobbing, Cybermobbing, Cyberbullying, Bassing, Staffing: Wir erklären, was mit diesen Begriffen gemeint, wer betroffen ist und wie sie zusammenhängen.

Studie: Cybermobbing von Schülern

  • Einer aktuellen Erhebung zufolge sind fast ein Fünftel aller Schüler in Deutschland von Cybermobbing betroffen. Das entspricht mehr als zwei Millionen Kindern und Jugendlichen, wie aus der aktuellen „Cyberlife“-Studie des Bündnisses gegen Cybermobbing in Kooperation mit der Barmer Krankenkasse hervorgeht, die jetzt in Berlin vorgestellt worden ist.
  • Demnach ist der Anteil der Schüler zwischen 7 und 20 Jahren, die nach eigenen Aussagen schon mindestens einmal Cybermobbing erlebt haben, im Vergleich zur Vorgängerstudie von 2022 um 1,8 Prozentpunkte auf aktuell 18,5 Prozent gestiegen.
  • Über einen längeren Zeitraum betrachtet, sehen die Experten eine klare Verschärfung der Lage: Im Jahr 2017 hatten noch 12,7 Prozent der befragten Schülerinnen und Schüler entsprechende Angaben gemacht.

 

 

Schulen reagieren laut Studie zu zögerlich

Der Vorstandsvorsitzende des Bündnisses gegen Cybermobbing, Uwe Leest, äußerte sich besorgt über die Entwicklung und forderte die Politik zum Handeln auf. Die gesellschaftlichen Auswirkungen würden aus seiner Sicht immer noch stark unterschätzt. Eltern seien „überfordert, die Lehrkräfte zu wenig darauf vorbereitet und die Schulen zu zögerlich in der Reaktion“, heißt es als Fazit in der Studie.

Für die aktuelle Analyse wurden zwischen Mai und Juni dieses Jahres 4213 Schülerinnen und Schüler, 637 Lehrer und 1061 Erziehungsberechtigte repräsentativ nach Bundesländern online befragt.

 

 

Jeder vierte Betroffene klagt über Suizidgedanken

Was die Experten besonders alarmiert:

  • 13 Prozent der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen gaben an, aus Verzweiflung schon einmal zu Alkohol, Tabletten oder Drogen gegriffen zu haben.
  • Mehr als jeder vierte Betroffene habe Suizidgedanken (26 Prozent) geäußert.
  • Das entspreche in absoluten Zahlen mehr als 500.000 Schülern, erklärte Leest. „Eine sehr erschreckende Zahl, die in den letzten Jahren leider weiter gestiegen ist.“

Prävention schon in der Grundschule

Das Bündnis fordert deshalb, bereits in den Grundschulen mit der Präventionsarbeit zu beginnen. Es brauche auch eine bessere Ausbildung von Lehrkräften und mehr Anlaufstellen, heißt es.

Die Politik sei außerdem gefordert, ein Gesetz zum Schutz vor Cybermobbing zu beschließen. Im Gegensatz zu Ländern wie Frankreich und Österreich und trotz der hohen Betroffenenzahlen hat Deutschland ein solches Gesetz bislang nicht.

 

 

Was ist Cybermobbing?

  • Cybermobbing ist Mobbing, das im Internet ausgetragen wird. Jugendliche, die online gemobbt werden, können hier anders als beim Mobbing in der realen Welt nicht einfach ihre Zimmertür schließen oder versuchen, in einen geschützten Raum zu gehen.
  • Auch die Gruppe, die mitmacht oder zumindest zusieht, ist im Internet potenziell größer: Niemand weiß genau, wie viele Personen ein entlarvendes Foto gesehen oder eine Lüge gehört haben.

 

 

Woher kommt der Begriff Mobbing?

  • Der Begriff Mobbing ist relativ neu, das Phänomen dagegen ist sehr alt. Schon die antiken Römer wussten um die Tücken zwischenmenschlicher Beziehungen. Sie sprachen als Erste vom „mobile vulgus“, was so viel bedeutet wie wankelmütige Masse oder aufgewiegeltes Volk.
  • Der Begriff Mobbing tauchte erstmals in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf, entlehnt aus dem Englischen „to mob“ (anpöbeln, schikanieren, anfeinden). Das deutsche Wort „Mob“ meint eine Masse von Leuten, die sich zusammenrotten.

Was versteht man heute unter Mobbing?

  • Der erste Forscher, der den Terminus explizite verwendete, war der österreichische Zoologe und Verhaltensforscher Konrad Lorenz (1903 bis 1989). 1963 prägte er den Begriff Mobbing, worunter er Gruppenangriffe von Tieren auf einen Fressfeind oder einen überlegenen Gegner verstand.
  • Als Begründer der Mobbing-Forschung gilt der schwedische Arzt Peter-Paul Heinemann (1931 bis 2003). 1969 löste er mit einem Artikel über Apartheid-Phänomene und Mobbingverhalten eine breite gesellschaftliche Debatte aus. Heinemann versteht Mobbing als Verhalten von Gruppen, die eine sich von der Norm abweichend verhaltende Person attackieren.

Wie ist die Situation an den Schulen?

Nach Einschätzung des Erziehungswissenschaftlers und Mobbing-Forschers Sebastian Wachs von der Universität Münster kommt Mobbing an jeder Schule vor. „Schätzungen zufolge sind etwa zehn Prozent der Schüler betroffen – als Opfer, Täter oder beides.“

Was unterscheidet Cybermobbing von Cyberbullying?

Wenn Schüler stänkern, spricht man von Bullying – einem besonders aggressiven Verhalten, das als eine spezifische Form schulischer Gewalt und sozialer Ausgrenzung auftritt. Während es sich in Deutschland eingebürgert hat, von Bullying zu sprechen, wenn das Phänomen im Kontext der Schule untersucht wird, und von Mobbing zu sprechen, wenn das Phänomen im Kontext der Arbeitswelt thematisch ist,

Getuschel auf dem Schulhof, Hänseleien auf dem Heimweg – das war einmal. Die Pennäler von heute tragen ihren Zoff online aus. In sozialen Netzwerken wie Facebook, durch Internetvideos auf You Tube oder per Handy auf Whats App oder SMS wird gemobbt, beleidigt und genervt.

Wer der Angreifer aus dem virtuellen Hinterhalt ist, bleibt meistens im Dunkeln. Selbst wenn ein Mitschüler als Cybermobber entlarvt wird, hat sein schikanöses Treiben nur selten gravierende Folgen.

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Erstellt:
23. Oktober 2024, 14:48 Uhr

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