Nach dem Tod von Franziskus
„Wenn der Papst stirbt, macht man einen Neuen“
Am Ostermontag ist der Papst gestorben. Laut Regeln der katholischen Kirche muss nun nach mindestens 15 und spätestens nach 20 Tagen das Konklave einberufen werden. Die Wahl dürfte spannend werden, denn ein klarer Favoriten ist nicht auszumachen.

© Stefano Dal Pozzolo
Mit dem Ableben des Papstes beginnt die Sedisvakanz, die Zeit, in welcher der Heilige Stuhl unbesetzt ist.
Von Dominik Straub
Bei aller menschlichen Anteilnahme am Schicksal des Papstes, bei aller Trauer über seinen Tod, bleiben die Römer nüchterne Naturen: „Se muore il Papa si fa un nuovo – wenn der Papst stirbt, macht man einen Neuen“, lautet ein geflügeltes Wort am Tiber. Die Ewige Stadt, die schon über 260 Päpste hat kommen und gehen sehen, ist diesbezüglich ziemlich unsentimental. Zunächst muss allerdings der Tod des alten Papstes festgestellt werden. Dies ist Sache des „Camerlengo“, des Vorstehers der Heiligen Kammer. Früher geschah dies, indem der Kämmerer – so die deutsche Bezeichnung – an das Sterbebett des Papstes trat und den Heiligen Vater fragte, ob er schlafe. Kam keine Antwort, schlug er ihm dreimal mit einem silbernen Hammer auf die Stirn; erfolgte erneut keine Reaktion, wurde der Papst offiziell für tot erklärt.
Diese Zeiten sind freilich schon länger vorbei. Heute werden zur Feststellung des Todes Ärzte beigezogen, und das brachiale Hammerritual entfällt. Der 77-jährige irisch-stämmige US-Kardinal Kevin Joseph Farrell, der heute das Amt des Camerlengo ausübt, zieht dem Verstorbenen den Fischerring vom Finger und zerbricht diesen gemeinsam mit dem päpstlichen Siegel – Ring und Siegel sind die Insignien der Macht der Päpste. Danach wird der „Generalvikar Seiner Heiligkeit für das Bistum Rom“, also der Vertreter des Papstes als Bischof von Rom, über den Tod des Pontifex informiert. Das ist seit dem vergangenen Oktober der sizilianische Kardinal Baldassare Reina: Er hat die Aufgabe, dem Volk von Rom auf dem Petersplatz den Tod des Kirchenoberhaupts zu verkünden.
Wer neuer Papst wird, weiß derzeit nur der Heilige Geist
Mit dem Ableben des Papstes beginnt die sogenannte Sedisvakanz, die Zeit, in welcher der Heilige Stuhl unbesetzt ist. Neun Tage wird der Tod des Nachfolgers Petri nach festem Ritus betrauert, nach mindestens 15 und spätestens nach 20 Tagen tritt das Konklave in der Sixtinischen Kapelle zur Wahl des neuen Pontifex zusammen. Wahlberechtigt sind alle Kardinäle, die beim Tod des Papstes jünger als 80 Jahre alt sind – derzeit sind es 137. Das sind deutlich mehr als die 120, die Papst Paul VI. als Höchstgrenze festgelegt hatte. Die Wahl erfolgt in der Regel über mehrere Wahlgänge und kann sich über Tage oder sogar Wochen hinziehen. Ist ein neuer Papst gefunden und hat dieser die Annahme der Wahl erklärt, steigt aus dem Kamin über der Sixtinischen Kapelle der weiße Rauch auf.
Wer freilich der Nachfolger von Franziskus werden könnte, weiß derzeit wohl nur der Heilige Geist. Dieser wird die Kardinäle – so heißt es – bei der Wahl des neuen Pontifex begleiten und unterstützen. Die personellen Weichen für die Wahl seines Nachfolgers hat Jorge Maria Bergoglio selber gestellt: 109 der 137 wahlberechtigten Kardinäle des kommenden Konklave wurden bei insgesamt zehn Konsistorien von ihm ernannt. 23 von ihnen verdanken ihr rotes Birett, den Kardinalshut, noch Benedikt XVI., fünf weitere wurden von Johannes Paul II. ernannt. Doch trotz der erdrückenden Übermacht der „Bergoglio-Kardinäle“ im kommenden Konklave ist es keineswegs ausgemacht, dass der Nachfolger von Franziskus dessen Kurs einfach weiterführen wird.
Die Italiener hätten gern wieder einen italienischen Papst
Das liegt in erster Linie daran, dass die von Franziskus ernannten wahlberechtigten Kardinäle aus mehr als 50 verschiedenen Ländern stammen. Viele kennen sich kaum, was die Bildung von Seilschaften erschwert. Der „Papst vom anderen Ende der Welt“, wie sich der Argentinier Bergoglio nach seiner Wahl 2013 genannt hatte, hat bei seinen Kardinalsernennungen den Einfluss der „Peripherie“ und des globalen Südens in der katholischen Weltkirche gestärkt, auf Kosten vor allem der Europäer. Aber unter den Kardinälen der „Peripherie“ gibt es zu den verschiedenen Fragen – Stichworte Frauenordination, Zölibat, Haltung gegenüber homosexuellen Paaren – sehr unterschiedliche Positionen. Viele der „Bergoglianer“ zeichnen sich zwar durch ihr Engagement für die sozial Schwachen, für den Frieden, für die Umwelt und für die Migranten aus. Aber in dogmatischen Fragen sind gerade die Kardinäle aus Afrika und Asien tendenziell deutlich konservativer als diejenigen aus dem Westen.
Vatikanexperten und Spezialisten für das „Toto-Papa“ (wie man in Italien die Spekulationen über die Papstnachfolge nennt) sind sich diesmal ziemlich einig, dass der Ausgang des bevorstehenden Konklaves so unvorhersehbar ist wie lange nicht mehr. Klar ist, dass die italienischen Kardinäle, die während Jahrhunderten beinahe sämtliche Päpste gestellt hatten, nach einem polnischen, einem deutschen und einem argentinischen Papst nun wieder einen der ihren als Stellvertreter von Petrus sehen wollen.
Die Kurienkardinäle haben keinen guten Ruf
Die Italiener stellen im Konklave mit 17 Wählern immer noch einen beachtlichen Machtblock (Deutschland hat im Vergleich dazu nur drei wahlberechtigte Kardinäle). Als „Papabili“, also als mögliche Papstnachfolger, gelten unter den italienischen Purpurträgern Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, Chefdiplomat des Vatikans und als Nummer Zwei im Vatikan die rechte Hand des Papstes. Chancen eingeräumt werden aber auch dem Vorsitzenden der italienischen Bischofskonferenz, Matteo Zuppi, sowie dem lateinischen Patriarchen von Jerusalem, Pierbattista Pizzaballa. Die beiden gelten als überzeugte „Bergoglianer“ und könnten zu Spitzenkandidaten der „Progressiven“ im Konklave werden.
Das Problem ist: Die italienischen Kardinäle, und ganz besonders die Kurienkardinäle, genießen bei vielen anderen Purpurträgern keinen besonders guten Ruf, weil sie – zu Recht oder zu Unrecht – als intrigant gelten. Neben den Italienern gibt es aber durchaus noch weitere europäische Kardinäle, denen Chancen eingeräumt werden, Nachfolger von Franziskus zu werden: Immerhin stellen die Europäer, obwohl ihr relatives Gewicht im Konklave unter Franziskus abgenommen hat, mit 54 wahlberechtigten Kardinälen immer noch 46,5 Prozent des Wahlgremiums.
Es ist fraglich, ob der nächste Pontifex ein Europäer ist
Zum erweiterten Kreis der europäischen Papabili zählen der luxemburgische Kardinal Jean-Claude Hollerich und der Malteser Mario Grech. Beide hatten bei der Organisation der Weltsynode Schlüsselpositionen inne und haben sich dabei als Vermittler und Zuhörer profiliert. Beide gelten als eher liberale, weltoffene Kardinäle, die einen sehr guten Draht zu Franziskus hatten. Zu den Hoffnungsträgern der konservativen Fraktion zählen der Ungar Peter Erdö (Erzbischof von Budapest), der Niederländer Willem Eijk (Erzbischof von Utrecht), der Franzose Jean Marc Aveline (in Algerien geborener Erzbischof von Marseille). Wenig Chancen eingeräumt werden bei diesem Konklave den drei deutschen Kardinälen Reinhard Marx, Gerhard Ludwig Müller und Rainer Maria Woelki – schon allein deshalb, weil Deutschland vor noch nicht allzu langer Zeit einen Papst hatte.
Es ist aber ohnehin fraglich, ob der nächste Papst ein Europäer sein wird. Viele Vatikankenner glauben, dass diesmal die Zeit reif sein könnte für den ersten asiatischen oder afrikanischen Papst. Der Anteil der afrikanischen Kardinäle im Konklave ist unter Franziskus von neun auf 16 Prozent; gestiegen; die Zahl der Purpurträger aus Asien erhöhte sich von neun auf 22 Prozent. Unter den Afrikanern zählen der Erzbischof von Kinshasa, Fridolin Ambongo Besungu, und der erzkonservative einstige Präfekt der Gottesdienstkongregation, Robert Sarah aus Guinea, zu den Favoriten. Der frühere Benedikt-Vertraute Sarah ist ein erklärter Gegner von Franziskus, lehnt jegliche Öffnung ab und wäre ein idealer Kandidat für all jene Kardinäle, die das Pontifikat Franziskus’ so schnell wie möglich vergessen machen wollten. Der meist genannte Papstanwärter aus Asien wiederum ist seit Jahren Luis Antonio Tagle, der ehemalige Erzbischof von Manila und frühere Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker. Tagle wäre bei weitem nicht so konservativ wie Sarah.
Der Neue könnte auch aus den USA stammen
Natürlich warten auch die US-Kardinäle schon lange darauf, dass einer der ihren den Heiligen Stuhl erklimmen wird. Immerhin ist die katholische Kirche Nordamerikas die wichtigste Geldgeberin des Vatikans. Die USA könnten mit dem ehemaligen Erzbischof von Washington, Wilton Daniel Gregory, sogar einen Kandidaten ins Rennen schicken, der wie Sarah oder Besungu ebenfalls als erster schwarzer Papst in die zweitausendjährige Geschichte der katholischen Kirche eingehen könnte: Er ist der erste US-Kardinal afroamerikanischer Abstammung. Mit seinen 77 Jahren ist Gregory allerdings bereits zu alt, um ernsthafte Chancen zu haben.
Auch die anderen US-Kardinäle können sich nicht allzu große Hoffnungen machen: Die Trump-Anhänger unter ihnen, allen voran ihr reaktionärer Wortführer Raymond Leo Burke, werden nach der Wahl ihres Idols zum Präsidenten der USA die Sorge der übrigen Kardinäle vor einer „Trumpisierung“ der katholischen Kirche zu spüren bekommen. Burke hatte Franziskus, zusammen mit den beiden deutschen Kardinälen Joachim Meisner und Walter Brandmüller sowie dem Italiener Carlo Caffara mehr oder weniger offen Häresie vorgeworfen.
Die Nachfolge ist völlig offen, Favoriten gibt es keine
Angesichts der personellen Zusammensetzung des Konklaves ist es aber eher unwahrscheinlich, dass es nach Franziskus zur großen, konservativen Restauration kommen wird. Aber eine mehr oder weniger markante Kurskorrektur ist nicht auszuschließen. Vielleicht wird man bald mehr wissen: Jeden Tag werden nun weitere Papstwähler aus aller Welt in Rom eintreffen und sich im Rahmen der sogenannten Generalkongregationen über mögliche Kandidaten austauschen. Offiziell dienen diese Gespräche der Vorbereitung des Konklave; gleichzeitig übernehmen die Generalkongregationen auch die Leitung der Kirche während der Sedisvakanz.
Theoretisch sind die Gespräche der Kardinäle geheim wie das Konklave selber. Ob dennoch Informationen über mögliche Nachfolger durchsickern, bleibt abzuwarten. Zumindest bisher scheint das Rennen um die Nachfolge von Papst Franziskus aber völlig offen, Favoriten gibt es keine. Das ist nicht weiter tragisch, denn auch für vermeintliche Favoriten haben die Römerinnen und Römer ein geflügeltes Wort bereit: „Wer als Papst – also als Favorit – ins Konklave geht, kommt als Kardinal wieder heraus.“