Geschichte: Roma Eterna

Wie der römische Limes bis heute die Psyche der Deutschen beeinflusst

Der Limes war nicht nur eine militärische Markierung des römischen Reiches, sondern vor allem die Grenze seiner Wirtschaft und Kultur. Die Grenzbefestigung beeinflusst sogar bis heute die Psyche der Menschen, wie eine neue Studie zeigt.

Limes-Grenze des Römischen Reiches - Stein mit Inschrift auf den Überresten des Grenzwalls in Saalburg.

© Imago/Fernando Baptista

Limes-Grenze des Römischen Reiches - Stein mit Inschrift auf den Überresten des Grenzwalls in Saalburg.

Von Markus Brauer

In Deutschland gab es unterschiedliche Sozialisationen und Befindlichkeiten dies- und jenseits der innerdeutschen Grenze, die bis heute fortwirken. Eine aktuelle Studie, zeigt nun, wie stark selbst eine fast 2000 Jahre zurückliegende räumliche Trennung die Psychologie in der Gegenwart prägen kann.

Der Limes bildet eine andere „psychologische Grenze“, die Deutschland teilt. Der Bereich südlich des römischen Grenzwalls weist laut Studie höhere Werte in Lebenszufriedenheit, Lebenserwartung und damit verbundenen Persönlichkeitsmerkmalen auf als der nördliche Bereich.

Die Studie ist im Fachmagazin „Science direct“ erschienen.

Roma Eterna? Roman Rule Explains Regional Well-Being Divides in GermanyRead the Current Research in Ecological & Social Psychology study > https://t.co/qASouHHNmGpic.twitter.com/DbAleebwlG — Elsevier Psychology (@ELSpsychology) January 15, 2025

Wie Geschichte die Psyche beeinflusst

„Die Studie deutet darauf hin, wie historische Ereignisse, die Tausende von Jahren zurückliegen, lang anhaltende verdeckte psychologische Auswirkungen auf die heutige Bevölkerung haben können“, sagt Martin Obschonka von der Universität Amsterdam.

„Wir sehen darin einen psychologischen Langzeiteffekt des römischen Erbes in Deutschland . So wie Archäologen römische Ruinen ausgraben, vermuten wir, dass wir ein psychologisches Erbe in den Köpfen der Menschen sichtbar machen“, erklärt Michael Fritsch von der Universität Jena.

Ein stabiler Faktor, der zur Erklärung dieser Unterschiede beiträgt, sei die regionale Variation von Persönlichkeitsmerkmalen wie Extraversion, Neurotizismus oder Gewissenhaftigkeit. Diese ständen mit psychologischem Wohlbefinden und Gesundheitsverhalten in Verbindung, erläutert Michael Wyrwich von der Universität Jena.

Psychologische Daten von mehr als 70.000 Befragten ausgewertet

Die Forscher haben regionale Cluster solcher Persönlichkeitsmerkmale unterhalb des Limes identifiziert, die mit besserer Gesundheit und höherem Wohlbefinden verbunden sind und damit zur Aufrechterhaltung der regionalen Unterschiede in diesen Bereichen beitragen.

In der Studie wurden diejenigen heutigen deutschen Regionen verglichen, die von vor knapp 2000 Jahren als Teil des römischen Reiches und daher von der römischen Kultur und Zivilisation tief beeinflusst wurden, mit jenen deutschen Regionen, die außerhalb des römischen Einflussbereichs blieben.

Dafür verwendeten die Forschenden moderne statistische Methoden und psychologische Daten aus Umfragen mit insgesamt mehr als 70.000 Befragten. Im Ergebnis bestätigt die Untersuchung, dass die römische Besatzung ein bleibendes psychologisches Erbe hinterlassen hat.

Besser Leben mit dem Limes-Erbe

Die Menschen, die heute in den ehemaligen römischen Gebieten leben, berichten über eine höhere Lebenszufriedenheit und einen besseren Gesundheitszustand und haben auch eine höhere Lebenserwartung.

Die Forscher fanden heraus, dass es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der lokalen römischen Prägung und einem heutigen psychologischen Profil in diesen einst römischen Regionen gibt, das sich durch ein höheres Wohlbefinden auszeichnet: sowohl in Persönlichkeitsmerkmalen, wie höherer Gewissenhaftigkeit und Extraversion sowie geringerem Neurotizismus, als auch in größerer Lebenszufriedenheit und einer längeren Lebenserwartung.

Mechanismen des römischen Langzeiteffektes

„Die Studie legt nahe, dass die römischen lokalen Investitionen in wirtschaftliche Fortschritte wie das Straßennetz, die Märkte und Bergwerke entscheidend zu diesem Effekt beigetragen haben“, erklärt Michael Fritsch von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Der Limeswall markierte demzufolge die Grenze zwischen einer der fortschrittlichsten und einflussreichsten Zivilisationen der Geschichte und den vergleichsweise unterentwickelten germanischen Stämmen.

Es gibt zahlreiche Beispiele, die zeigen, wie tief und dauerhaft nicht nur das römische Straßennetz und der damit verbundene Handel mit dem gesamten Römischen Reich, sondern auch die damals sehr fortschrittliche römische Kultur, die großen Wert auf Wohlbefinden und Gesundheit legte, die lokalen Gebiete nachhaltig prägten. Fritsch: „Die römische Besatzung hinterließ ein bedeutendes und dauerhaftes wirtschaftliches sowie kulturelles Erbe, das sich nun auch in den psychologischen Landkarten widerspiegelt“.

Warum der Limes-Effekt über 2000 Jahre anhält

Dass dieser Effekt so lange anhielt, lässt sich den Experten zufolge durch die menschliche Fähigkeit erklären, über Generationen hinweg auf kulturellen Fortschritten aufzubauen und regionale Kultur weiterzugeben.

„Zudem wissen wir aus der ökonomischen Forschung, dass lokale wirtschaftliche Vorteile – die ihrerseits ihre Wurzeln in der Geschichte haben können – sich über lange Zeiträume hinweg als anhaltende Vorteile manifestieren“, erläutert Wyrwich.

„Die psychologischen Grenzen, die wir heute bemerken, könnten ihre Wurzeln tief in der Vergangenheit haben“, sagt Martin Obschonka. „ Antike Grenzen, aus Holz oder Stein wie der Limes, mögen längst verschwunden sein, doch ihre psychologische Wirkung kann über Jahrtausende fortbestehen – unsichtbar, aber dennoch bedeutsam, als psychologische Grenze“.

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Erstellt:
7. Februar 2025, 09:24 Uhr

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