Wege zur Prävention

Wie sich viele Suizide verhindern lassen

Ute Lewitzka ist Deutschlands einzige Professorin für Suizidforschung. Sie macht konkrete Vorschläge, wie man mehr Menschen retten könnte.

Rund 10.000 Menschen sterben pro Jahr durch eigene Hand. „Wir wissen ganz viel über Risikofaktoren, sowohl psychische als auch biologische“, sagt die Psychiaterin Ute Lewitzka. „Aber das hilft uns nicht, das Risiko treffsicher vorherzusagen.“

© Imago/Elmar Gubisch

Rund 10.000 Menschen sterben pro Jahr durch eigene Hand. „Wir wissen ganz viel über Risikofaktoren, sowohl psychische als auch biologische“, sagt die Psychiaterin Ute Lewitzka. „Aber das hilft uns nicht, das Risiko treffsicher vorherzusagen.“

Von Sandra Trauner (dpa)/Markus Brauer

Viele Suizide könnten verhindert werden. Davon ist Ute Lewitzka überzeugt. Die Psychiaterin hat an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main die erste und einzige Professur für Suizidforschung in Deutschland inne.

Prognose mit Bluttest?

Rund 10.000 Menschen sterben pro Jahr durch eigene Hand. „Wir wissen ganz viel über Risikofaktoren, sowohl psychische als auch biologische“, sagt Lewitzka. „Aber das hilft uns nicht, das Risiko treffsicher vorherzusagen.“

Tatsächlich hat die Forschung inzwischen eine ganze Reihe von biologischen Faktoren identifiziert, die das Suizidrisiko erhöhen. Dazu zählen etwa Schilddrüsenwerte oder andere Blutparameter. In ihrer Doktorarbeit hat Lewitzka Veränderungen in der Hirnflüssigkeit nachgewiesen. Zu den psychologischen Faktoren zählt das Gefühl, nicht dazuzugehören, und das Gefühl, für andere eine Last zu sein.

„Aber das trifft auf viele Menschen zu, ohne dass sie suizidal werden“, betont Lewitzka. Daher bleibt die Frage, was die Tat konkret auslöst. Diese Frage stellen sich Hinterbliebene ebenso wie Wissenschaftler.

Männer besonders gefährdet

Lewitzka hat mit vielen Menschen gesprochen, die einen Suizidversuch überlebt haben, ebenso wie mit vielen Angehörigen.

„Manchmal kommt es scheinbar aus dem Nichts“, teilt die Wissenschaftlerin mit. Das Umfeld berichte, es habe keinerlei Anzeichen gegeben. Manchmal sei es der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringe.

Klar als Risikofaktoren identifiziert sind:

eine Traumatisierung in der frühen Kindheit

eine Depression

das Geschlecht.

Der weit überwiegende Teil der Suizid-Opfer sind Männer. Lewitzka glaubt, dass das unter anderem auch am männlichen Rollenbild liegt, das sich keine Schwäche eingestehen wolle.

Wichtigstes Ziel: Zeit gewinnen

„Wenn jemand akut suizidal ist, ist das Erste, was man tun muss, Zeit zu gewinnen“, erklärt Lewitzka. „Zwischen Entschluss und Tat liegen im statistischen Mittel zehn Minuten.“

„Methoden-Restriktion“

Entscheidender Hebel, in der Akutphase einen Suizid zu verhindern, sei die „Methoden-Restriktion“, so Lewitzka. Sehr viele Menschen hätten „ihre“ Methode im Kopf, wie sie aus dem Leben scheiden wollen. „Klappt das nicht, wählt man keine andere.“

Lewitzka schlägt daher vor, die typischen Wege in den Blick zu nehmen: Bahngleise und Hochhäuser besser zu sichern oder Medikamente nur in kleinen Packungen auszugeben. Damit könne man nicht alle Suizide verhindern, aber doch eine ganze Reihe.

Wie reagiert man richtig?

Dem Thema auszuweichen, wenn man einen Verdacht hat, oder eine Drohung zu ignorieren, hält die Expertin für völlig falsch. „Es ist ein Mythos, dass man mit einem Gespräch jemanden erst auf diesen Gedanken bringt oder ihn bestärkt.“

Die Botschaft, die man vermitteln sollte, lautet stattdessen: „Ich mache mir Sorgen. Ich möchte für Dich da sein.“

Wann soll Suizid-Prävention einsetzen?

Bundesweites Netzwerk im Aufbau

Lewitzka, Jahrgang 1975, ist auch Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention. Vor ihrem Wechsel an den Fachbereich Medizin der Universität Frankfurt arbeitete sie am Dresdner Uniklinikum.

In Frankfurt will sie ein Deutsches Zentrum für Suizidprävention aufbauen, an dem auch die Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention und die European Alliance against Depression beteiligt sind.

Künstliche Intelligenz als Präventionshilfe?

Mit ihrer Professur, der von drei Stiftungen finanziert wird, will Lewitzka Aufmerksamkeit auf das Thema Suizid lenken, Expertise bündeln und Einfluss auf die Politik nehmen, um Präventionsprogramme voranzutreiben.

Perspektivisch könnte Künstliche Intelligenz bei der Prävention helfen, glaubt Lewitzka: Eine KI könnte die verschiedenen Parameter für eine Gefährdung „wie in einem 3D-Puzzle“ zusammensetzen, um daraus passgenaue Hilfsangebote abzuleiten.

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Erstellt:
31. Januar 2025, 11:22 Uhr

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