USA vor der Verfassungskrise
Wie Trump den Rechtsstaat aushöhlt
Seit Beginn seiner zweiten Amtszeit steht US-Präsident Donald Trump verstärkt in der Kritik, den Rechtsstaat zu untergraben. Mit scharfer Rhetorik gegen Richter, der Missachtung gerichtlicher Entscheidungen und umstrittenen politischen Maßnahmen sehen Verfassungsrechtler die Gewaltenteilung in den USA zunehmend gefährdet.

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US-Präsident Donald Trump demontiert seit seinem Amtsantritt vor fast hundert Tagen auf beispiellose Weise den Rechtsstaat. (Archivbild)
Von red/afp
Er verunglimpft und bedroht Richter und missachtet Gerichtsentscheidungen - US-Präsident Donald Trump demontiert seit seinem Amtsantritt vor fast hundert Tagen auf beispiellose Weise den Rechtsstaat. Experten warnen bereits vor einer Verfassungskrise in der ältesten Demokratie der Welt.
„Bösartig“, „korrupt“ und „arglistig“ - das sind nur drei aktuelle Aussagen von Trump über Richterinnen und Richter, die sich ihm in den Weg stellen. Der 47. US-Präsident hat seine zweite Amtszeit der Vendetta gegen eine Justiz gewidmet, die ihn noch bis in den Wahlkampf wegen verschiedenster Vergehen verfolgt hat.
Trumps Aufrufe zur Erstürmung des Kapitols nach dem Wahlsieg des Demokraten Joe Biden im Januar 2021 gelten als eines der dunkelsten Kapitel der US-Geschichte. Der 78-jährige Republikaner ist zudem der erste Politiker, der als verurteilter Straftäter ins Weiße Haus eingezogen ist, in der New Yorker Schweigegeldaffäre um eine Pornodarstellerin. In seinem Amt genießt Trump nun Immunität.
Das hindert die Justiz nicht, bei vermuteten Verstößen gegen seine Regierung vorzugehen. Mit fast 190 verschiedenen Klagen ist die Trump-Regierung konfrontiert. Es geht etwa um die geplante Abschaffung des Geburtsrechts auf die US-Staatsbürgerschaft oder die drastischen Kürzungen im Staatsapparat.
Doch in einigen Fällen haben sich Trump und seine Regierung über die Anordnungen von Richtern hinweggesetzt - oder verdrehen den Sinn der Urteile zu ihren Gunsten. Der New Yorker Verfassungsrechtler Richard Pildes sieht deshalb die Gewaltenteilung in Gefahr. „Wir sind gefährlich nahe an einer Verfassungskrise“, sagte er dem Sender ABC.
Der Rechtsexperte James Sample von der Hofstra-Universität im Bundesstaat New York betont, die Justiz sei von der Geschwindigkeit überfordert, mit der Trump das Land mit immer neuen Dekreten und Anordnungen überzieht. „Die Gerichte sagen im Wesentlichen, wir müssen langsamer werden,“ sagt Sample.
Dennoch tun Trump und seine Justizministerin Pam Bondi so, als läge das Problem bei den Gerichten und nicht im Weißen Haus. Trump bewundert autoritäre Machthaber, die den Rechtsstaat seit Jahren mit Füßen treten. So fabuliert er von einer dritten Amtszeit, obwohl sie durch die US-Verfassung ausgeschlossen wird.
Einige Fälle haben den Obersten Gerichtshof in Washington erreicht. Dort sind konservative Richter mit sechs zu drei in der Mehrheit. Alleine drei der auf Lebenszeit ernannten Richter hat Trump in seiner ersten Amtszeit (2017 bis 2021) ernannt.
Doch nicht immer gibt der Supreme Court Trump Recht. Als Lackmustest gilt der Fall eines zu Unrecht nach El Salvador abgeschobenen Migranten, des fast 30-jährigen Kilmar Ábrego García. Trump wirft ihm vor, Mitglied einer gefährlichen Bande zu sein, Belege gibt es dafür nicht.
In den Fall schaltete sich Bundesrichter James Boasberg aus Washington ein. Der 62-Jährige hat sich zu einem der schärfsten Widersacher Trumps in der Justiz entwickelt. Boasberg untersagte es der Trump-Regierung, ein Kriegsgesetz gegen „ausländische Feinde“ aus dem Jahr 1798 zu nutzen, um Einwanderer ohne Papiere nach El Salvador abzuschieben.
Weil die Regierung keine Anstalten machte, dem zu folgen, drohte Boasberg ihr mit einer Strafe wegen Missachtung der Justiz. Der Oberste US-Gerichtshof hat Boasbergs Einschätzung inzwischen bestätigt. Trump darf vorerst keine weiteren Migranten unter dem mehr als 200 Jahre alten Gesetz nach El Salvador abschieben.
Anders als vom Obersten Gericht einstimmig angeordnet, weigert sich die Trump-Regierung allerdings, die Rückführung des Salvadorianers Ábrego García zu erleichtern. Er wird weiter in einem Gefängnis festgehalten.
Dort besuchte ihn der Senator Chris Van Hollen von den oppositionellen Demokraten. Van Hollen sieht die USA bereits mitten in einer Verfassungskrise. „Donald Trump und seine Regierung müssen (die Justizentscheidungen) ertragen oder vor Gericht den Mund halten“, forderte er.