LBBW-Analyse zu neuen Ländern

Wirtschaft im Osten ist auf der Überholspur

Die vergangenen drei Landtagswahlen zeigen: Das alte Klischee der benachteiligten Ost-Bürger wirkt nach – obwohl das Wachstum in den neuen Ländern teils höher liegt als im Westen, wie eine LBBW-Studie unterstreicht.

Auch wenn es bei Volkswagen Sachsen GmbH in Zwickau gerade nicht  gut mit Elektrofahrzeugen (hier der  VW ID3) läuft, insgesamt kommt Ostdeutschland wirtschaftlich voran.

© imago/Uwe Meinhold

Auch wenn es bei Volkswagen Sachsen GmbH in Zwickau gerade nicht gut mit Elektrofahrzeugen (hier der VW ID3) läuft, insgesamt kommt Ostdeutschland wirtschaftlich voran.

Von Matthias Schiermeyer

Mit dem Gefühl, zu den Verlierern der Wende zu gehören, haben viele Ostdeutsche bei den jüngsten drei Landtagswahlen eine extreme Partei gewählt und die politische Mitte abgestraft. Das Selbstbild, Bürger zweiter Klasse zu sein, hat sich festgesetzt. Die wirtschaftlichen Daten sprechen eine ganz andere Sprache.

Wachstum teils höher als im Westen

„Die Menschen in Sachsen, Thüringen oder Brandenburg sind nicht wirtschaftlich abgehängt“, heißt es in einer Analyse der LBBW. Die je nach Schätzung bis zu zwei Billionen Euro, die in den Aufbau Ost investiert worden seien, wirkten sich aus. „Wenn wir auf die Entwicklung in den vergangenen 20 Jahren schauen, stellen wir fest: Das Wachstum ist ungefähr gleich, im Osten zuletzt sogar leicht höher.“ Durch die massiven Investitionen übertreffe das Wachstum in einigen Bereichen das der westlichen Länder, stellt das Team um Chefvolkswirt Moritz Kraemer fest. „Der Osten liegt zwar weiterhin leicht hinten, läuft aber schneller.“

Die Arbeitsproduktivität sei in den vergangenen 20 Jahren doppelt so schnell gestiegen wie im Westen, auch wenn sie immer noch unter Westniveau liege. Verwiesen wird auf eine Studie des Ifo-Instituts, wonach eine „reine Ost-West-Betrachtung längst nicht mehr zeitgemäß“ sei, „weil auch in Westdeutschland, insbesondere zwischen den südlichen und norddeutschen Ländern, starke regionale Unterschiede bestehen“.

Auch die Arbeitslosenquote hat sich deutlich angenähert, liegt im Osten im Durchschnitt allerdings noch immer leicht höher als im Westen. Die Statistik der kreisfreien Städte und Landkreise mit der höchsten Arbeitslosenquote führten 2023 Gelsenkirchen (14,6 Prozent), Bremerhaven (14,1) und Duisburg (12,8) an. Erst auf Rang zehn findet sich mit dem Landkreis Uckermark (10,7 Prozent) der erste ostdeutsche Kreis.

Noch eine deutliche Lohnlücke zwischen Ost und West

Bei den Renten gibt es keinen Unterschied mehr. Im Juli 2023 stieg der Rentenwert erstmals auf den gleichen Wert in Ost und West. Aktuell liegt er bei 39,32 Euro. Bei den Haushaltseinkommen ist Ostdeutschland auf einem guten Weg. Allerdings klafft noch eine dicke Lohnlücke zwischen Ost und West: Laut statistischem Bundesamt lagen die Ostgehälter 2023 bei 82 Prozent der durchschnittlichen Westgehälter. Grund dürften eine geringere Tarifbindung und kleinere Unternehmensgrößen im Osten sein. Zugleich seien die Lebenshaltungskosten im Osten nach Schätzungen des Instituts der deutschen Wirtschaft etwa 13 Prozent niedriger als im Westen, was zu einer weiteren Angleichung der realen Kaufkraft führe.

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Erstellt:
24. September 2024, 05:14 Uhr

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