Wohnungsbau braucht einen langen Atem

Kommunalwahl 2024 In Murrhardt gibt es Projekte, bei denen (sozialer) Wohnraum geschaffen werden soll, allerdings sind dabei viel Geduld und finanzielle Hilfe der Gemeinschaft nötig. Weniger eine Rolle spielen wird künftig der Einfamilienhausbau im klassischen Baugebiet.

Dem Wohnparkprojekt an der Siebenkniestraße stand eine geschützte Streuobstwiese entgegen. Nun darf die Stadt das Vorhaben weiterverfolgen, weil sie eine Ausgleichsfläche auf der Hardt schafft. Foto: Stefan Bossow

© Stefan Bossow

Dem Wohnparkprojekt an der Siebenkniestraße stand eine geschützte Streuobstwiese entgegen. Nun darf die Stadt das Vorhaben weiterverfolgen, weil sie eine Ausgleichsfläche auf der Hardt schafft. Foto: Stefan Bossow

Von Christine Schick

Murrhardt. Wer in der Region Stuttgart in die Lage kommt, eine Bleibe suchen zu müssen, weiß, dass sich dies äußerst schwierig gestalten kann. Der Wohnungsmarkt in Murrhardt ist verglichen mit dem der Landeshauptstadt nicht ganz so angespannt und doch hat sich die Stadt seit Langem auf die Agenda geschrieben, Wohnraum zu schaffen beziehungsweise den Bau von Wohnungen zu fördern. „In der Region Stuttgart ist die Lage besonders brisant und alle sind gefordert, ihren Beitrag zu leisten“, sagt Bürgermeister Armin Mößner.

Äußerst schwer haben es Menschen mit einem geringeren Budget, sprich, bezahlbarer, sozialer Wohnraum ist besonders gefragt. In Murrhardt gibt es ein Vorhaben, bei dem ein gewisser Anteil an Wohnungen vom Mietpreis her in diesem Sinn sozial gestaltet werden soll und bei dem sich lange nichts getan hat: das Wohnparkprojekt an der Siebenkniestraße in der Weststadt, für das der Gemeinderat bereits 2019 das Bebauungsplanverfahren auf den Weg gebracht hat. Als der ursprüngliche Projektpartner absprang, musste die Stadt nach einem neuen (Mit-)Investor suchen und die Pläne wieder an dessen Vorstellungen anpassen. Vergangenes Jahr geriet das Bebauungsplanverfahren dann ins Stocken. Eine Streuobstwiese stand dem Vorhaben entgegen. Größere Streuobstbestände stehen unter strengerem Schutz. Solche Wiesen dürfen ab einer bestimmten Fläche nach dem Naturschutzgesetz eigentlich nicht mehr in Bauland umgewandelt werden. Das heißt, es ging um unterschiedliche Interessenslagen, wobei nun zugunsten des Bauvorhabens entschieden wurde. „Wir haben jetzt eine Umwandlungsgenehmigung erhalten“, erläutert Armin Mößner. Die Stadt stellt im Gegenzug eine Ausgleichsfläche auf dem Gebiet der Hardt zur Verfügung, wo sich auch der Obstlehrpfad befindet. Nun läuft das Bebauungsverfahren weiter, wie schnell es zum Abschluss kommen kann, wagt Mößner aber nicht vorherzusagen.

Ende 2021 hat die Stadt die Kommunalbau Murrhardt GmbH gegründet, mit deren Hilfe bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden soll. Die Grundidee ließe sich wie folgt formulieren: bestehende Gebäude kaufen, sanieren und im Anschluss wieder zu einem sozial verträglichen Preis vermieten. Für solche Projekte – die Miethöhe ist gedeckelt und liegt rund ein Drittel unter der ortsüblichen – besteht die Möglichkeit, vom Land gefördert zu werden. Die Kommunalbau will mit Blick auf das Haus in der Fornsbacher Straße 1, das die Stadt vor Längerem erworben hat, vorankommen. Architekt Stephan Sittart ist für das Projekt beauftragt. „Wir beantragen gerade Fördermittel“, so Mößner. Dies sei – egal ob es auf eine Sanierung oder einen Neubau hinausläuft – entscheidend. Denn für solch ein Vorhaben braucht es finanzielle Mittel – neben einem Kapitalzuschuss der Stadt und einer Kreditaufnahme sind Landeszuschüsse mit ausschlaggebend. Als weiteres Projekt auf der Liste steht die Instandsetzung der Wohngebäude in der Seegasse 23 und 25, die die Stadt gekauft hat und die im Sanierungsgebiet liegen, für die also ebenfalls mit Zuschüssen gerechnet werden kann.

Großprojekt auf dem Schweizer-Areal

Auch rein private Vorhaben, die Wohnraum für unterschiedliche Zielgruppen schaffen, haben ihre Zeit gebraucht wie beispielsweise die Sanierung des ehemaligen Gasthauses Hirsch oder die Neubauten am ehemaligen Schattenkeller, in die mittlerweile die Ersten einziehen. In größerem Umfang – über den dafür festzulegenden Bebauungsplan – mitreden möchte die Stadt bei der Gestaltung des Schweizer-Areals, für dessen südlichen und nördlichen Teil ebenfalls jeweils die Verfahren für private Projekte laufen. Auf den südlichen ehemaligen Industrieflächen nahe der Innenstadt sollen 70 Wohnungen entstehen, integraler Bestandteil der fünf mehrgeschossigen Gebäude ist ein Kindergarten. Im Blick hat der Investor, die Schlegel GmbH, unterschiedlich große Wohneinheiten (bis zu 140 Quadratmeter), um auch Familien mit mehreren Kindern ein Angebot zu machen, die kein Einfamilienhaus realisieren können. Im nördlichen Teil sind ebenfalls Wohngebäude plus ein Mischgebietsstreifen für handwerkliche Betriebe oder Dienstleistungen vorgesehen. Bedingung ist allerdings die Fertigstellung des südlichen Bebauungsplans, bei dem dann der Gewerbegebietscharakter aufgehoben ist. Die Schweizer-Areal-Projekte stehen sinnbildlich für den Trend einer innerörtlichen Entwicklung, besteht mit dem Projekt doch nicht nur die Chance, Wohnraum auf bereits erschlossenem Gebiet im Sinn der Nachverdichtung zu schaffen, sondern in diesem Fall auch versiegelte Gewerbefläche zu einem gewissen Teil im Zuge der Neugestaltung wieder zu begrünen.

So plant die Stadt zurzeit nicht mehr mit Neubaugebieten, denen mittlerweile auch einiges entgegensteht, wie Mößner erinnert. In Murrhardt kommen neben der Streuobstwiesenproblematik auch nicht wenige geschützte Flächen wie Fauna-Flora-Habitat-Gebiete oder Flächen mit Einschränkungen wegen des Hochwasserschutzes hinzu, die nicht für den Wohnungsbau zur Verfügung stehen. Der Traum vom eigenen Hausbau lässt sich zurzeit nur noch in Siegelsberg-Ost verwirklichen. Der Großteil der Plätze ist verkauft, „ein paar sind noch zu haben“, so Mößner.

Wer sich später wieder Gedanken machen muss, wo er im Alter leben kann, für den könnte ein Projekt in Fornsbach interessant sein, für das die Planung bereits angelaufen ist. Auf dem Areal rund um das ehemalige Gasthaus Ochsen soll ein Komplex für betreutes Wohnen mit einem Gemeinschaftssaal sowie Ortkauf-Dorfladen zur Verbesserung der Nahversorgung entstehen. Wem das in Bezug aufs Areal rund um die Alte Post in Murrhardt bekannt vorkommt, liegt richtig: Projektpartner und Investor ist wieder die FWD Hausbau GmbH. Für Mößner ist dies ebenfalls ein soziales Vorhaben im breiteren Sinn – für ältere Menschen, aber auch die Dorfgemeinschaft.

Drei weitere Themen im Fokus

Folgethemen Nach „Wohnen, Bauen und (sozialer) Wohnungsmarkt“ geht unsere Zeitung in drei weiteren Beiträgen auf folgende Themen ein: „Innenstadtentwicklung, Einkaufen, Parken/Verkehr“, „Umwelt- und Klimaschutz“ und „familienbewusste Kommune und Gemeinschaft“.

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Erstellt:
11. Mai 2024, 06:00 Uhr

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