Videostreamingdienst
Youtube – ein Klassiker wird 20
Chad Hurley, Steve Chen und Jawed Karim legten am 14. Februar 2005 die Basis für den Videostreaming-Dienst. Experten schauen mit Sorge auf die Zukunft.
![Youtube – ein Klassiker wird 20 Sie haben Youtube gegründet: Steve Chen, Chad Hurley, und Jawed Karim (von links) auf einem Foto von 2005](/bilder/sie-haben-youtube-gegruendet-steve-chen-chad-hurley-und-872649.jpg)
© imago/ZUMA Press
Sie haben Youtube gegründet: Steve Chen, Chad Hurley, und Jawed Karim (von links) auf einem Foto von 2005
Von Steffen Haubner
Die „Paypal-Mafia“ ist kein Verbrechersyndikat, sondern eine Gruppe ehemaliger Mitarbeiter des Bezahldienstes, die Technikgeschichte geschrieben haben. Zu den Firmen, die aus diesem Umfeld hervorgegangen sind, gehört neben Tesla, SpaceX und Linked-In auch Youtube. Chad Hurley, Steve Chen und Jawed Karim legten am 14. Februar 2005 die Basis für den Videostreaming-Dienst, der Ende 2024 mehr als zweieinhalb Milliarden Nutzer pro Monat erreichte.
Das erste Video, hochgeladen am 24. April 2005, zeigt Karim beim Besuch des Zoos von San Diego. Dass es noch heute auf Youtube zu sehen ist, ist ein Hinweis auf einen der Gründe für die Erfolgsgeschichte. Im sich immer schneller drehenden Malstrom des Internets sind die unzähligen Videos, die im Laufe der Jahre hochgeladen wurden, eine Art Zeitmaschine. Gleichzeitig formt Youtube auch die Zukunft, und zwar bei weitem nicht immer so, wie es zum Besten der Menschheit wäre.
Gigantische Content- und Werbe-Maschine
Karims Ausflug stellte sich jedenfalls bald als vermutlich lukrativster Zoobesuch der Geschichte heraus. 1,65 Milliarden Euro zahlte Google 2006 für die Übernahme von YouTube. Der damalige Google-Chef Eric Schmidt sprach vom „nächsten Schritt in der Evolution des Internet“. Man kann darüber streiten, ob das nicht doch etwas hoch gegriffen war. Fakt ist, dass sich die Plattform durch stetige Innovationen rasant zu einer gigantischen Content- und Werbe-Maschine entwickelte. Am Anfang stand das „Youtube-Partnerprogramm“, dank dessen die Ersteller von Inhalten selbst Einnahmen erzielen konnten. In Verbindung mit der Möglichkeit, „Follower“ mittels kostenloser Kanal-Abonnements an sich zu binden, löste das eine nie dagewesene Welle der Kreativität aus. Nach Jahrzehnten des weitgehend passiven TV-Konsums ein Befreiungsschlag. „Facebook, Youtube und andere Social-Media-Plattformen brachten die Zuschauer dazu, von der Couch aufzustehen und kreativ zu werden“, schreibt der Historiker und Bestsellerautor Yuval Noah Harari in seinem Buch „Nexus“, in dem er die Historie der Informationsnetzwerke beleuchtet. Auch für Minderheiten wie LGBTQ-Menschen hätten Youtube und Co. Wunder bewirkt und ihnen geholfen, sichtbar zu werden.
Aufstieg zur Meinungsmacht
Weitere Neuerungen wie Live-Videos oder „Youtube Music“ führten dazu, dass sich Nutzer schon im Jahr 2012 jeden Tag rund hundert Millionen Stunden Material ansahen. Eine mehr als ernst zu nehmende Konkurrenz für die klassischen Medien, denen es schwerfiel, sich im neuen medialen Umfeld zu behaupten. Dass Youtube inzwischen zu einem eigenen Biotop geworden ist, zeigt die Tatsache, dass sich die Content-Produzenten zunehmend mit sich selbst beschäftigen. In so genannten Reaction-Videos nehmen sie direkt Bezug auf die Beiträge ihrer Mitbewerber.
Die mit dem Erfolg einhergehende Macht bekamen immer wieder auch Politiker zu spüren. Man arrangierte sich wie Angela Merkel, die sich 2025 von dem Youtuber LeFloid interviewen ließ, oder haderte wie ihre Partei, nachdem der Musiker Rezo im Vorfeld der Europawahl 2019 ein 55-minütiges Video mit dem Titel „Die Zerstörung der CDU“ veröffentlicht hatte. Auch für manches Unternehmen ist der Aufstieg von Youtube als Meinungsmacht schmerzlich.
Auch viel Unheil angerichtet
So verklagte die Firma Lego den Frankfurter Klemmbaustein-Händler Thomas Panke wegen Verletzung des Markenschutzes, da dessen Logo einem Noppenstein ähnelte. Heute betreibt Panke unter dem Namen „Held der Steine“ einen Youtube-Kanal mit einer Million Followern, in dem er sich auch über die aus seiner Sicht überteuerten Produkte der Dänen lustig macht.
Youtube hat zweifellos zur Demokratisierung der Medien beigetragen. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass damit auch sehr viel Unheil angerichtet wurde. Wie der Social-Media-Kritiker Max Fisher in „The Chaos Machine“ schreibt, setzte sich die Konzernleitung 2012 das ehrgeizige Ziel, bis 2016 auf eine Milliarde Stunden konsumiertes Material pro Tag zu kommen.
Empörung steigert die Nutzerbindung
Mittel zum Zweck waren Algorithmen, die sich ein Prinzip zunutze machten, das zuvor bereits Facebook zum globalen Phänomen hatte werden lassen: Empörung steigert die Nutzerbindung. Es bedeutet, dass alles, was irgendwie kontrovers und extrem ist, ohne Rücksicht auf den Wahrheitsgehalt in den Vordergrund gespielt wird. Moderate Inhalte werden den Nutzern dagegen eher selten vorgeschlagen. Wie Fisher darlegt, brachte es der rechtsextreme brasilianische Hinterbänkler Jair Bolsonaro dank solcher Mechanismen bis zum Präsidenten.
Die Passivität der Betreiber sowie der Politik hat Youtube und andere soziale Medien in Teilen zu einem Monstrum wachsen lassen, das kaum noch einzuhegen scheint. Mit Sorge schauen Experten daher auf die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz. Was wird wohl passieren, wenn Algorithmen Inhalte künftig nicht nur empfehlen, sondern auch selbst veröffentlichen? Das 20-jährige Jubiläum könnte ein Anlass sein, die möglichen Folgen einer solchen Entwicklung zu überdenken.