Zugzwang für Boysen und Großaspach

Die Dreier-Heimspielserie gegen direkte Rivalen im Tabellenkeller ist für den Fußball-Regionalligisten Chance und Risiko zugleich. Entweder macht die SG im Abstiegskampf Boden gut, oder im Fautenhau brennt der Baum. Duell mit Walldorf bildet den Auftakt.

Durchlebt mit Großaspach gerade triste Zeiten: Trainer Hans-Jürgen Boysen. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Durchlebt mit Großaspach gerade triste Zeiten: Trainer Hans-Jürgen Boysen. Foto: A. Becher

Von Uwe Flegel

„Wir haben nun eine kleine Heimspielserie gegen Teams, die sich genau wie wir in der unteren Tabellenregion befinden. Daher gibt es auch kein Vertun, dass gegen den FC Astoria Walldorf nur drei Punkte zählen.“ Großaspachs Trainer Hans-Jürgen Boysen weiß, was die Stunde heute ab 18.30 Uhr für ihn und den Fußball-Regionalligisten SG Sonnenhof geschlagen hat. Kurz vor Abschluss der Vorrunde steht der Ex-Drittligist sportlich auch eine Etage tiefer am Rande des Abgrunds. Eine Situationsbeschreibung.

Die nackten Zahlen: 19 von 42 Saisonspielen haben die Schwaben mittlerweile hinter sich. Die Bilanz nach acht Heim- und elf Auswärtspartien lautet, fünf Siege, fünf Unentschieden, neun Niederlagen und damit gerade mal 20 Punkte sowie 19:30 Tore. Das reicht für Rang 19 unter 22 Teams. Damit ist die Elf aus dem Fautenhau Viertletzter. Angesichts von sechs Absteigern am Ende der Runde würde die SG nach jetzigem Stand in die Oberliga durchgereicht.

Die Offensive: „Wir wussten, dass Großaspach eine brandgefährliche Offensive hat.“ Ein Satz, der vom Co-Trainer des Spitzenreiters FSV Frankfurt stammt. Die Einschätzung Taner Yalcins teilen allerdings längst nicht alle. 19 Tore nach 19 Spielen sind nicht die Welt. Nur der Achtletzte Pirmasens und Schlusslicht Stadtallendorf (beide 18 Treffer) haben noch seltener getroffen. Trotzdem liegt Yalcin mit seinem Urteil nicht völlig falsch. Gefährlich ist die Angriffsabteilung der SG durchaus, woran es aber oft mangelt, das ist die Durchschlagskraft und Kaltschnäuzigkeit. „Wir müssen aus unseren klaren Chancen einfach mehr machen.“ Ein Satz von Hans-Jürgen Boysen, der in dieser Saison nicht nur einmal zu hören war. Worte, die zeigen, dass mit Ausnahme des jungen Marvin Cuni (9 Saisontore) kein Aspacher Angreifer mit seiner Leistung und seiner Ausbeute zufrieden sein kann und darf.

Die Defensive: Die SG-Gegner wissen, dass die Schwaben in Schwierigkeiten kommen, wenn es schnell wird. Mögen es zu Beginn der Saison noch Abstimmungsprobleme innerhalb des völlig neu formierten Kaders gewesen sein, so gilt dieser Aspekt längst nicht mehr. Erst recht, weil der Kader gerade hinten mit Spielern wie Kapitän Julian Leist, seinem langjährigen Nebenmann Kai Gehring, dem ebenfalls schon zu Drittliga-Zeiten in Aspach unter Vertrag stehenden Ken Gipson, Rückkehrer Sebastian Schiek und Ex-Bundesliga-Verteidiger Sandro Sirigu geballte Abwehrerfahrung aufweist. Zudem haben junge Akteure wie Jonas Brändle oder Vincent Sadler gezeigt, dass sie echte Alternativen sind. Mit 30 Gegentreffern und Rang 12 nimmt die SG in der Rangliste der Hintermannschaften übrigens auch keinen Abstiegsplatz ein. Dass Aspach trotzdem in der Rückwärtsbewegung „Probleme hat“, wie Frankfurts Yalcin ebenfalls anmerkte, liegt an individuellen Patzern, an einfachsten Stellungsfehlern und Ungenauigkeiten in der Offensive. Leichtfertige Ballverluste im Angriff und auf den Außenbahnen, Patzer im Spielaufbau und die deshalb unzureichende Kompaktheit ermöglichen den Gegnern schnelle Konter, Aspachs Abwehr alt aussehen lassen. Hinzu kommt, dass wegen Verletzungen, Sperren und Boysens Anstrengungen, die beste Formation zu finden, ein ständiges Kommen und Gehen herrscht. Das einstige SG-Prunkstück steht bislang jedenfalls für sehr viel, sicher jedoch nicht für Einheit, Konstanz und Sicherheit.

Der Sportdirektor: Wer für eine Mannschaft verantwortlich ist, die erst nur knapp dem Abstieg entrinnt, dann runter muss und in der Liga tiefer ebenfalls um den Klassenverbleib kämpft, der muss sich Kritik gefallen lassen. Das gilt auch in Großaspach und auch für Joannis Koukoutrigas, der entscheidend für den Aufstieg der SG vom Oberliga-Kellerkind zum Drittligisten mitverantwortlich war. Dank geschickter Personalpolitik und einer klasse Spürnase bei der Suche nach Fußballern, die sonst niemand oder fast keiner auf dem Radar hatte, hielten Koukoutrigas und seine Mitstreiter die Schwaben immerhin sechs Jahre in der Dritten Liga. Und das mit viel ehrenamtlicher Arbeit und eher geringen finanziellen Möglichkeiten im Gegensatz zur Konkurrenz. Davon wollen viele aber nichts mehr wissen, wenn es nicht mehr rund läuft. So wie seit einiger Zeit in Aspach. Wobei jedem Kritiker eigentlich klar sein müsste, dass der 46-Jährige, der hauptberuflich sein Geld als Geschäftsführer der Aspacher Beratungsagentur Fairsport mit Klienten wie den Nationalspielern Joshua Kimmich und Bernd Leno verdient, kann problemlos ohne die SG. Ob aber Großaspach ohne den langjährigen Sportchef die höheren Ligen kann, das ist durchaus fraglich.

Der Trainer: Aufgrund seiner sportlichen Vita als Bundesliga-Spieler sowie als durchaus erfolgreicher Trainer in Offenbach, Frankfurt und Sandhausen war Hans-Jürgen Boysen der Hoffnungsträger für die schwierige Aufgabe, den Umbruch bewältigen zu können. Erst recht, weil er im Abstiegsjahr dem Drittliga-Team nach seinem Einstieg im Februar und nach der Corona-Zwangspause wieder Leben eingehaucht hatte. Auch deshalb hatte sich der Verein für den 63-Jährigen und gegen den zuvor öffentlich zum Mann für den Neuaufbau ausgerufenen Markus Lang entschieden. Mittlerweile werden die Stimmen derer lauter, die bezweifeln, dass der Umstieg in Sachen Trainer richtig war. Als Helfer in der Not steht Lang im Fautenhau aber nicht mehr parat, weil er den Posten des Aspacher A-Jugend-Trainers mit dem des Oberliga-Coaches beim FSV 08 Bissingen eingetauscht hat. Dennoch müssen Boysen und seine Mannschaft rasch liefern, ansonsten könnte die Wunschehe in Aspach demnächst Geschichte sein.

Die nächsten Aufgaben: FC Astoria Walldorf (Rang 16), FK Pirmasens (15) und Rot-Weiß Koblenz (18) heißen die kommenden drei Kontrahenten der SG Sonnenhof. Für Großaspach sind es allesamt Heimspiele. Angesichts der Tabellensituation bieten die drei Kellerduelle für die Elf aus dem Fautenhau die große Chance, mit einer guten Ernte im Abstiegskampf richtig Boden gut zu machen. Andererseits beinhalten die direkten Vergleiche mit der Konkurrenz im Wettrennen um den Regionalliga-Verbleib auch das große Risiko, richtig in den Abstiegssumpf zu schlittern. Fakt ist bereits jetzt: Die SG Sonnenhof steht in jedem der drei Duelle unter Zugzwang. Für Hans-Jürgen Boysen steht vor dem heutigen Vergleich mit Hoffenheim-Ableger Astoria Walldorf jedenfalls fest: „Am Ende muss es auf alle Fälle so sein, dass wir dieses Spiel gewinnen – egal, wer auf dem Platz steht und unabhängig davon, was der Gegner in die Waagschale wirft.“

Drei Sperren abgelaufen

Personell sieht es bei Aspach fürs heutige Duell mit Astoria Walldorf besser aus als beim 0:1 in Bahlingen. Die Sperren von Joel Gerezgiher (Gelb-Rot) sowie Marvin Cuni und Sebastian Schiek (beide 5. Gelbe Karte) sind abgelaufen. Rechtsverteidiger Schiek plagen aber Probleme mit dem Sprunggelenk. Wieder zur Verfügung steht zudem Sandro Sirigu. Sicher fehlen werden Torwart Oliver Schnitzler (Achillessehnenriss), Stürmer Jan Ferdinand (Hand-OP) und Verteidiger Jonas Brändle (Muskelverhärtung).

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Erstellt:
3. Februar 2021, 06:00 Uhr

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