Fossile Doppelschleiche entdeckt

Ausgestorbenes Kriechtier ähnelt Sandwurm aus Film „Dune“

Schon der Name klingt bizarr: Doppelschleiche. Diese Schuppenkriechtiere sind weder Schlangen noch Echsen und erinnern eher an Regenwürmer. Jetzt haben Forscher in Tunesien ein rund 50 Millionen Jahre altes Fossil dieser Art entdeckt.

Die neuentdeckte Doppelschleichen-Art ist die weltweit größte. Vermutlich ernährten sich die Tiere vor 50 Millionen Jahren vor allem von Schnecken.

© Jaime Chirinos

Die neuentdeckte Doppelschleichen-Art ist die weltweit größte. Vermutlich ernährten sich die Tiere vor 50 Millionen Jahren vor allem von Schnecken.

Von Markus Brauer

Doppelschleichen gehören zu den seltsamsten Lebewesen im Tierreich. Die rund 200 verschiedenen Arten sehen aus wie Schlangen, sind aber keine. Amphisbaenia, so der Fachbegriff, gehören zu einer Gruppe hoch spezialisierter, relativ kleinwüchsiger, äußerlich an Regenwürmer erinnernder Schuppenkriechtiere.

Wo ist bei Doppelschleichen der Kopf?

Der Artname leitet sich ab von einer mythischen Schlange, die einen Kopf an jedem Ende ihres Körpers hatte. Auf den ersten Blick ist nämlich nicht immer zu erkennen, an welchem Körperende sich der Kopf der Doppelschleiche befindet.

Ein Team um Georgios L. Georgalis vom Institut für Systematik und Evolution der Tiere der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Krakau sowie Forschern vom Naturmuseum Frankfurt/Main, dem Institut des Sciences de l’Évolution de Montpellier, dem Muséum national d’Histoire naturelle in Paris und dem National Office of Mines in Tunis hat jetzt eine neue fossile Doppelschleichen-Art in Tunesien entdeckt.

Terastiodontosaurus marcelosanchezi ist mit über fünf Zentimetern Schädellänge die größte bekannte Art aus der Gruppe der Amphisbaenia. Die Wissenschaftler beschreiben die neue Art im Fachmagazin „Zoological Journal“.

Say hello to #Terastiodontosaurus marcelosanchezi, the world's largest #amphisbaenianA trogonophid from the #Eocene of Tunisia with really strange dentition!Paper is in #OpenAccess at @ZoolJLinnSochttps://t.co/mSCCOYQMjnA great thanks to @NCN_PL for funding support pic.twitter.com/ImpzCTnOIN — Dr. Georgios Georgalis (@DrGeorgalis) November 21, 2024

Oberirdisch lebende Doppelschleiche aus dem Eozän

Anders als heutige, meist unterirdisch lebende Doppelschleichen könnte diese Art auch an der Erdoberfläche gelebt haben. Das Fossil zeigt extreme Zahnmerkmale, darunter kräftige Kiefer und speziellen Zahnschmelz, die auf den Verzehr von Schnecken hindeuten – eine Ernährungsweise, die sich seit über 56 Millionen Jahren gehalten hat.

Was an ein Wesen aus der griechischen Mythologie erinnert, ist eigentlich ein evolutionärer Trick dieser Schuppenkriechtiere: Doppelschleichen können mit ihrem rundlichen, stumpfen Schwanzende sowohl vorwärts als auch rückwärts kriechen. Sie nutzen ihre an einen Regenwurm erinnernde Körperform unter anderem, um sich durch enge Erdpassagen zu schlängeln, die sie selbst graben.

Zu groß, um ausschließlich grabend zu leben

„Unsere Entdeckung aus Tunesien ist mit einer geschätzten Schädellänge von über fünf Zentimetern die größte bekannte Doppelschleichen-Art“, erklärt Georgalis. „Alles deutet darauf hin, dass die neue Art mit der heutigen Schachbrett-Doppelschleiche verwandt ist.“

Anders als die rezenten Amphisbaenia, die an eine unterirdische Lebensweise angepasst sind, war die neue Art Terastiodontosaurus marcelosanchezi vermutlich zu groß, um ausschließlich grabend zu leben. Die Forscher gehen daher davon aus, dass das Tier auch viel Zeit an der Erdoberfläche verbrachte.

Mitautor Krister Smith vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt ergänzt: „Wenn Doppelschleichen so groß wie Schlangen werden könnten, dann wäre die neue Art vergleichbar mit der bis zu 13 Meter langen Titanoboa – also in der Gegenüberstellung deutlich größer als ihre nächsten Verwandten. Wir denken, dass die ungewöhnliche Körpergröße mit den höheren Temperaturen in diesem Abschnitt der Erdgeschichte zusammenhängt.“

Besondere Anatomie der neu entdeckten Art

Mit Hilfe von Mikro-Computertomografie dokumentierten die Forscher die besondere Anatomie der neuen, aus dem Eozän stammenden Art. Das Eozän ist eine Zeitstufe innerhalb des Erdzeitalters des Tertiär. Das Eozän liegt 58 bis 36 Millionen Jahre zurück und ist die zweite Stufe des Tertiärs.

Die Doppelschleiche zeichnet sich durch eine extreme Zahnmorphologie aus – einschließlich eines massiven Zahns im Oberkiefer, flacher Backenzähne und einer Reihe anderer Merkmale – die sie von allen anderen Amphisbaenia unterscheidet.

Erinnert an einen Sandwurm aus „Dune“

„Rein optisch kann man sich das Tier wie einen ‚Sandwurm‘ aus den Science-Fiction-Romanen und deren Verfilmung ‚Dune‘ vorstellen. Aus dem Aufbau des Gebisses und dem ungewöhnlich dicken Zahnschmelz können wir ableiten, dass die Tiere eine enorme Muskelkraft in ihren Kiefern besaßen“, erläutert Georgalis.

„Von heutigen ‚Schachbrett-Doppelschleichen‘ wissen wir, dass sie gerne Schnecken fressen, indem sie deren Gehäuse aufbrechen. Wir können nun davon ausgehen, dass sich diese Abstammungslinie schon vor über 56 Millionen Jahren auf den Verzehr von Schnecken spezialisiert hat und diese mit ihrem kräftigen Kiefer mühelos aufknacken konnte. Diese Ernährungsweise ist demnach extrem beständig. Sie hat allen Umweltveränderungen getrotzt und begleitet die Abstammungslinie bis heute“, resümiert Krister Smith.

Zum Artikel

Erstellt:
25. November 2024, 20:56 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen