Eine neue Lebensretter-App lotst Ersthelfer zum Einsatzort

Der Rettungsdienst kann bei Notfällen nicht immer in Windeseile vor Ort sein. Qualifizierte Freiwillige sollen in der Landeshauptstadt jetzt durch ihren Einsatz dazu beitragen, die Wartezeit zu verkürzen.

Eine App zeigt an, was wo passiert ist – und soll Helfer aktivieren.

© Lichtgut/Julian Rettig

Eine App zeigt an, was wo passiert ist – und soll Helfer aktivieren.

Von Jürgen Bock

Stuttgart - Manchmal spielt der Zufall eine eindrückliche Rolle. Während in der Integrierten Leitstelle in Bad Cannstatt eine illustre Runde eine neue Retter-App fürs Smartphone vorstellt, geht einen Raum weiter ein Notruf ein. Es geht um einen medizinischen Zwischenfall, zu dem nicht nur die professionellen Retter geschickt werden, sondern auch Ersthelfer, die sich in der Nähe befinden – über genau jene App.

„First AED“ heißt das Alarmierungssystem. Wer es als qualifizierter Ersthelfer auf dem Handy hat, wird von der Leitstelle mit benachrichtigt, wenn es zu einem Herz-Kreislauf-Stillstand kommt und man sich in der Nähe befindet. „Das Gehirn hält in solch einem Fall nur drei bis fünf Minuten durch. Das schafft der Rettungsdienst auch in Großstädten oft nicht“, sagt Michael Müller vom Freiburger Verein „Region der Lebensretter“, der hinter der Aktion steht. Er ist bereits in weiten Teilen Baden-Württembergs offiziell ins Rettungssystem eingebunden, zum Teil auch schon über den Südwesten hinaus. Bei bundesweit jährlich rund 50 000 Fällen von Herz-Kreislauf-Stillstand rettet die App regelmäßig Leben.

Nun auch in Stuttgart. „Das ist ein bedeutender Schritt für unsere Stadt“, sagt Feuerwehrchef Georg Belge. Ihm und allen anderen Beteiligten ist dabei eines wichtig: Das neue System soll nicht den oft überlasteten professionellen Rettungsdienst ersetzen oder Lücken stopfen. „Es geht um eine Ergänzung dessen, was der medizinische Rettungsdienst in Stuttgart jeden Tag zu leisten hat“, sagt Belge. Die alarmierten Ersthelfer sollen vor Ort überbrücken, bis die Profis da sind.

Das einzige Ersthelfer-System in Stadt und Land ist „First AED“ allerdings nicht. Es gibt weitere, etwa „Helfer vor Ort“ des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Dabei werden qualifizierte Ehrenamtliche der DRK-Bereitschaften als Lebensretter eingesetzt, wenn sie sich in der Nähe eines Einsatzortes befinden. Zu solchen Systemen wolle man keine Konkurrenz aufbauen, sondern sie sinnvoll ergänzen, betont Ordnungsbürgermeister Clemens Maier: „Der innovative Ansatz ist, jede und jeden mit entsprechender Qualifikation einzubeziehen. Dadurch erhöht sich die Dichte der Hilfeleistungen.“

Die Stadt lässt sich das einiges kosten – allein in diesem Jahr über 100 000 Euro. Der Gemeinderat hat den Weg dafür frei gemacht. Bei der Branddirektion ist eine eigene Stelle geschaffen worden. „Wir brauchen Personal und finanzielle Mittel. Das System muss betrieben, die Qualifikation der Helfer geprüft werden“, so Maier.

Offiziell in Betrieb gegangen ist „First AED“ in Stuttgart bereits am 23. Oktober. Seither ist das System mit der Leitstelle in Bad Cannstatt verknüpft. Von dort aus werden registrierte Ersthelfer mit informiert, wenn es zu entsprechenden Notfällen kommt. Eine kleine Bilanz lässt sich bereits ziehen: Bisher sind 220 Lebensretter angemeldet, es hat schon 50 Alarmierungen gegeben. „Die ersten Erfahrungen sind positiv. Jetzt muss die Zahl der Registrierten aber weiter anwachsen, damit wir eine breite Abdeckung bekommen“, sagt Feuerwehrchef Belge.

Mitmachen kann, wer über eine entsprechende Qualifikation verfügt – mindestens Sanitätshelfer. Angesprochen werden vor allem medizinisch geschulte Ersthelferinnen und Ersthelfer oder Mitarbeitende aus Gesundheitsberufen. Auch Spenden werden benötigt. Unter https://regionderlebensretter.de/de/mitmachen/wird erklärt, wie man sich registrieren kann. Damit in Stuttgart die Chancen auf ein Überleben im Notfall noch größer werden.

Zum Artikel

Erstellt:
2. Dezember 2024, 20:08 Uhr
Aktualisiert:
2. Dezember 2024, 21:58 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!